, 12. Oktober 2016
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Beliebte Bühne, geliebte Bar

Der Horst Klub in Kreuzlingen ist noch jung, hat aber bereits Kultstatus. Bekannt ist er für seine Live-Konzerte, vor allem für Garagen-Punk. Dieses Wochenende wird das zweijährige Bestehen mit einem Festival gefeiert. von Judith Schuck

Ravage Fix aus Basel spielten diesen Sommer im Horst. (Bilder: Tobias Hausmann)

Die Fotowand neben der Bar im Horst Klub weist inzwischen schon einige Liebesbriefe und Dankesschriften von Bands auf, die vor dem goldenen Lametta mit dem Publikum feierten. Musiker und Gäste stehen hier in engem Kontakt, nicht wie bei grossen Bühnen, bei denen eine klassische Hierarchie herrscht: Künstler, die zum Publikum herabschauen. Nach dem Konzert sitzt man gerne noch auf ein, zwei Biere zusammen und kann sich mit den Künstlern, die meist auf Tour einen Abstecher nach Kreuzlingen machen, austauschen. Natürlich gibt es auch mal Rockstars mit Allüren, aber in der Regel trifft man sich hier auf Augenhöhe.

Gruppen, die dort spielen, flüstern immer wieder in die Welt, dass sie hier eine tolle Zeit hatten. Manchmal schreien sie es auch einfach von der Bühne ins Publikum. Und so ist der Kreuzlinger Klub schon recht bekannt geworden. Stammgäste gibt es aus St.Gallen, Winterthur und dem nahen Konstanz.

Ein Laden mit Seele

Stefan Böker ist Aktuar des Vereins, Mitbegründer des Horst Klubs und spielt selbst in diversen Bands, mit denen er regelmässig Konzerte gibt oder auf Tour geht. «Dabei bin ich immer wieder auf richtige Kultlokale gestossen», sagt er. Perfektes Beispiel sei das «Pit’s» im belgischen Kortrijk: Unfassbar klein, mitten in einer Wohngegend gelegen und seit Jahren legendär, weil es sich allen ungünstigen Umständen zum Trotz immer noch mit Verve behauptet. «Oder das ‹Now that’s Class› in Cleveland, Ohio mitsamt seinem ruppigen Publikum. Und das ‹Rumah Api› in Kuala Lumpur, ein wichtiges Zentrum für die dortige Punk-Szene».

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Nicht immer so sauber: die Horst-Bar.

Überall auf der Welt gebe es Läden, die allein von der Liebe zur Musik und leidenschaftlichem Einsatz am Laufen gehalten werden. An solchen Läden hätten sich die Horstbetreiber ein Beispiel genommen, sagt Böker. «Läden mit Seele eben. Und wenn man unseren Gästen und den Bands, die bei uns spielen, Glauben schenkt, dann haben wir das gut gemacht und ebenfalls etwas auf die Beine gestellt, was für viele Hunderte Menschen jetzt schon Kult ist.»

«An Zürich vorbei ins Mekka»

Begeistert vom Kreuzlinger Klub zeigt sich auch der «Konzertreisende» und Musiker Philipp Niederberger aka DJ Wicked Wiggler: «Schon beim Ein-Jahr-Horst-Jubiläum hatte ich das Gefühl, als würde ich ans Fünf-Jahr-Jubiläum reisen. Schliesslich sind wir damals aus Luzern bereits etliche Male nach Kreuzlingen gefahren, um ein Konzert zu gucken.» Er findet es «Wahnsinn, was das Horst-Team aus dem Boden gestampft hat: An Zürich vorbei ins Mekka.» Und so fühle sich das Zwei-Jahr-Jubiläum an «wie ein 10-Jahr-Dings. Immer rundum gut. Bitte weiter so».

Horst Fest II:
14. und 15. Oktober, Horst Klub Kreuzlingen

Infos und Line-Up: horstklub.ch

DJ Wicked Wiggler heisst der Luzerner, wenn er auflegt, doch Niederberger spielt auch in der Band Brain Tilt. Im Namen dieser fügt er hinzu, dass der Horst Klub noch einer der Klubs sei, die sich selber aktiv nach Bands umschauten, «anstatt nur auf die Löschen-Taste im Promo-Mail-Eingang zu drücken.» Bei ihrer dritten Anfrage habe es geklappt, und sie seien «gross geehrt auf Knien in den Horst gerobbt.» Hinter dem Klub stehe ein Team, «das nicht seinen ‹7 bis 5 Job› erledigt, weil es ein Kulturstudium hinter sich hat, sondern weil es den Rock’n’Roll lebt.» Und dann sei da ja noch die schönste Theke weit und breit. «Ein Traum. Ganz klar unser Lieblingsklub», sagen Brain Tilt. Das einzige, was die Band sich noch wünschen würde: längere Öffnungszeiten.

Good Nachbar, bad Nachbar

Ab 22 Uhr muss es mucksmäuschenstill sein im Revier. Vor allem Anfangs fühlte sich ein Nachbar öfters in seiner Nachtruhe gestört. Das finden viele Besucher schade, wo die Vereinsmitglieder doch gerade diesen Sommer den Garten mit Kies ausstreuten und Sitzbänke aus Holz montierten, das sie von einem anderen, wohlwollenderen Nachbarn geschenkt bekommen hatten. Er war auch Spender der wohl grössten Diskokugel der Region, die wie ein riesiger Planet über dem Barraum schwebt.

Stefan Böker zur Lärmthematik: «An einem runden Tisch mit Stadt und Nachbarschaft haben wir eine Lösung gefunden, um Lärmklagen, die sich im Sommer 2015 gehäuft hatten, vorzubeugen.» 2016 habe es nur noch vereinzelt Klagen gegeben. «Der Weg der friedlichen Koexistenz kann weiter begangen werden», sagt Böker, die Schallmauer zwischen Strasse und Garten dämpfe ganz gut und den Eingang hätte man weg von der Strasse und Wohngegend gelegt. Niederbergers Wunsch wird also vorerst unerfüllt bleiben, denn die Horst-Crew achtet streng auf die Sperrstunde. Aber die meisten Besucher haben ohnehin Verständnis dafür, dass man sich auf dem Nachhauseweg leise verhalten soll, um dem Klub nicht zu schaden.

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Horst-Präsident Benni Kreibich (links) und Aktuar Stefan Böker (Bild: Judith Schuck)

Les Marinellis, eine Garagenband aus Frankreich, sehen das ähnlich wie die Brain Tilts: «Wenn wir nach Kreuzlingen kommen, wissen wir, dass wir herzlich empfangen werden.» Im Horst Klub gehe es um Leidenschaft für Musik. Deshalb sei es für sie ein absolutes Muss, auf jeder Europa-Tour vorbeizuschauen. Und bisher sind sie auch die Rekordhalter: Viermal standen sie schon auf der Horst-Bühne.

Anlaufstelle und Proberaum

Im Klub wird aber nicht nur gefeiert. Gleich fünf lokale Bands nutzen die Infrastruktur, um zu proben. Marion Baumeister ist selbst Mitglied im Verein des Horst Klubs, den sogenannten B.A.D.K.I.D.S. (Bands, Abenteuer, Drinks und Kultur in der Steinhauerei), und spielt in zweien dieser Bands – am Schlagzeug oder mit Gitarre und Gesang. «Als die Stadt Konstanz vor etwa über einem Jahr unseren alten Proberaum ersatzlos umfunktionierte, standen wir mit vier weiteren Bands auf der Strasse», erinnert sie sich.

Einen neuen Proberaum zu finden, war auf die Schnelle nahezu aussichtslos; gerade in der deutschen Nachbarstadt muss man solch eine Räumlichkeit schon beinahe vererbt bekommen, so hart sind sie umkämpft. «Umso mehr haben wir uns darüber gefreut, im Konzertraum vom Horst vorübergehend proben zu können», sagt Baumeister. Klar seien die Bedingungen nicht optimal. Manchmal könne man nicht proben, weil reguläre Konzerte seien, und man müsse sich mit den anderen Bands immer absprechen. «Funktionieren tut das aber trotzdem ziemlich gut, nicht zuletzt, weil der Horst Klub für uns mehr ist, als ein reiner Proberaum. Der Horst ist eine Anlaufstelle von und für Musikfreunde und dafür lieben wir ihn – Happy Birthday Horst Klub, rock on!» ist ihre Botschaft zum Jubiläumsfest.

Neben all den Bands und Crew-Mitgliedern gibt es natürlich noch die «ganz normalen» ortsansässigen Gäste, die den Musik- und Kulturklub mit seinem Angebot schätzen. Julian Dengel ist einer davon und seit Beginn regelmässig im Horst: «Der Klub schafft, was lange niemand mehr angepackt hat: Ein vielseitiges Konzertlokal in Kreuzlingen zu betreiben, das als Alternative zum Z88 Bestand hat.» Gemütliches Ambiente paare sich hier mit punkartigem Skaterhinterhof, dazu ordentlich auf die Ohren für Jung und Alt. «Ich glaube, ich spreche für einige, wenn ich sage: ‹Eine echte Bereicherung für die Kulturlandschaft Kreuzlingen!›»

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