, 21. März 2016
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Den Strichen auf der Spur

Papier, Tuschestriche und Leerstellen gibt es derzeit im Nextex zu entdecken. Vier Kunstschaffende zeigen zeichnerische Arbeiten, die sich zwischen Illustration und bildender Kunst bewegen und auch der Schrift nicht abgeneigt sind. Nina Keel berichtet.

Julia Marti

Beleuchtet von zwei Stehlampen und als einziges Werk der Ausstellung auf dem Boden liegend, fällt der Blick beim Betreten von Aufblühende Attacken! – so der Titel der Gruppenausstellung – schnell auf Julia Martis Installation mit MDF-Platten. Darauf hat die Zürcher Illustratorin und Künstlerin mit etwas Abstand und unter Verwendung von feinen Nägeln farbige Kartonformen angebracht. Die vierteilige Arbeit hat sie so im Raum arrangiert, dass je zwei hochformatige Platten näher beieinander liegen und gewissermassen eine Doppelseite verkörpern.

A fleur de peau lautet der Titel von Martis Installation und geht auf einen Comic von ihr zurück, den sie für die Ausstellung in die Form eines Reliefs übertragen hat, wobei sie auf Schriftelemente verzichtete. Lesen im herkömmlichen Sinne lässt sich der «Steckcomic» somit nicht – aber die Interpretationen einander vielleicht erzählen?

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Vanja Hutter

Aus bestickten weissen Handschuhen und 27 auf einem schmalen Tablar liegenden Couverts besteht der Beitrag der St. Galler Künstlerin Vanja Hutter. Gerichtet sind sie an ungewöhnliche Adressatinnen und Adressaten: «An die Fragende» ebenso wie die Gerissene, den Schutzlosen oder den Talentierten. In den Umschlägen stecken wortreiche Zeichnungen Hutters, die von neugierigen oder angesprochenen Besuchern mit den Handschuhen herausgenommen werden (oder umgekehrt bewusst geschlossen bleiben dürfen). Der Effekt ist mehrstufig: Auf das Lesen der Umschläge folgen unsere Assoziationen, die wiederum wohl nur in seltenen Fällen mit dem darin Steckenden korrespondieren. Die 27 Versuche zu betreffen regen an zur Auseinandersetzung mit eigenen Erwartungen und überzeugen durch ihre Mehrschichtigkeit.

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Kai Pfeiffer

Räumliche Leerstellen und strichgewaltige Papierarbeiten fallen in der Präsentation von Kai Pfeiffer auf. Der Berliner Künstler und Dozent für Comic und Illustration zeigt eine Vielzahl an kleinformatigen Tuschelandschaften, die mitunter ineinander überfliessen: Die Strichführung und Komposition einzelner Zeichnungen deuten an, dass sie – über den Weissraum der Wand hinweg – zusammengehören. Ein direkt auf Wand und Decke des Nextex aufgetragener, goldener Tropfberg hält dabei die einzelnen, gänzlich schriftlosen Arbeiten zusätzlich zusammen.

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Hannah Raschle

Den spielerischsten und Comic-nächsten Beitrag gibt es im abgetrennten Raum beim Eingang zu entdecken: Hannah Raschle überzog die Wände flächendeckend mit einer Tapete, der 37 Skizzen von Hotelrezeptionen zugrunde liegen. Die Tapete wird teilweise überlagert von einem Katzen-Comic sowie Plakaten Raschles. Entstanden sind die Arbeiten mehrheitlich in Rom, wo Raschle das vergangene halbe Jahr im Rahmen des Atelierstipendiums des Kantons St. Gallen gelebt hat.

In ihrer Feinheit und Zurückhaltung passen die Werke der vier Kunstschaffenden im Nextex-Ausstellung gut zusammen; was hingegen weniger überzeugt, ist der kuratorische Überbau der Ausstellung: Aufblühende Attacken! ist als Titel zu brachial für die ruhigen und feinen Arbeiten. Auch handelt es sich bei den Exponaten weniger um «Auswüchse der 9. Kunst» – sprich des Comics –, wie der Untertitel lautet, sondern um Zeichnungen.

Hier gälte es, Begrifflichkeiten wie Comic und Zeichnung sowie ihre Grenzen und Übergänge zu klären – etwa im Saaltext, der deutlich mehr in die Tiefe gehen könnte. So würde, was auf visueller Ebene erfreut und überzeugt, auch als Konzept funktionieren.

Bilder: Nina Keel und Nextex

Nextex St.Gallen, Di 13-16 Uhr und Do 13-16/19-22 Uhr

Die Ausstellung dauert bis zum 28. April und ist während des Wortlaut Festivals zusätzlich geöffnet: Sa, 2. April, 12-20 Uhr, So, 3. April, 13-16 Uhr

Begleitveranstaltung: Do, 31. März, 19 Uhr: Gespräch mit den Kunstschaffenden und Anette Gehrig, Kuratorin am Cartoonmuseum Basel

 

 

 

 

 

 

 

 

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