, 13. September 2013
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Diese selbstgenähte Riesentuchfühlung

«Hütet euch vor den Pfahlgenossen»: Mit dieser freundlichen FB-Warnung hat Bignik auf die «Schmähschrift gegen den Bignik-Wahn von Charles Pfahlbauer jr im Septemberheft von Saiten reagiert. Für die, dies verpasst haben: Hier ist sie, die Schmähschrift.

Es war ein erfreulicher Sommer gewesen, soweit; meine Seele floss rundum beruhigt, wie es jeweilen eine Bekannte ausdrückt. Ich hatte in Berlin Gärten gewässert, am Langen See fette Fische gebraten und zu dicke Bücher gelesen, in Novartis City einen Feigenbaum gepflanzt, auf einer Innerschweizer Alp Kühe gestreichelt und einem Bergmolch das Leben gerettet; ich hatte viel Fussball und Pingpong gespielt, war mit Scorpütz, der Kralle und der türkischen Muräne nackig ins mittelrheintalische Matz gesprungen und die ganze Zeit nett zu Kleinkindern und zu Grosshunden gewesen, wo immer ich solche traf. Und ich benahm mich zu guterletzt sogar auf einer pompösen Bankerhochzeit in einem Jugendstilhotel, wo mir allerdings die von einer entschlossenen Onkelgang zwangsweise umgebundene silbrige Krawatte zum orangen Hemd aufstiess.

Dann kam ich, zufrieden verkatert, am heissesten Tag des Jahres nach Hause in die Ostrandzone, schaute ein wenig CH-Ligafussball und döste dem Alltag entgegen. Nebenbei blätterte ich mich durch die Post der letzten Wochen: erwartbare Hiobsbotschaften von Steuermahnungen bis zu Park- und Tempobussen. Sowie die üblichen Werbungen, Fettabsauger, Pizzakuriere und Zumbatanten – und dann, interessant, ein Bittschreiben in Form einer Einladung: Geschätzter Herr Pfahlbauer, wir wollen Sie und brauchen ihr Tuch! Wir haben eine Vision! Wir laden Sie ein zur gemeinsamen unmöglichen Utopie! Tausende machen bereits fröhlichstens mit! Jeder Ausserrhodengallenbodensee-Regionseinwohner ein Tuch, also 252’140 Tücher! Sie haben doch sicher einen vorigen Bettanzug zuhause und wollten schon immer mal nähen… Am Ende winke ein Gemeinschaftserlebnis in Form eines Massenpicknicks auf hundert Fussballfeldern!

Aha, wieder eine spezielle Kleidersammlung. Ich las genauer. Nicht nur von Tüchern war die Rede, auch von Fieber und Wahn, von Identität und Generationenprojekt; man müsse zusammenrücken, um zusammenzuwachsen, in allen Modulen an einem Strang ziehen; der beschwingte Ton wurde bedrohlicher, fast wie ein Marschbefehl, und alles hiess Bignik. Wie bitte? Sicher eine Sekte, dachte ich, die Beschwörung eines grossen Nickens und Nickerchens, die wollen uns im früheren Textilland alle wieder unter Tüchern haben. Passenderweise war der Absender ein notorisches Gallenraumvermarktungsbüro; unterzeichnet war das Schreiben von regional bekannten Chinesen wie Scheit Lin, Rik Lin, Tschr Ky sowie einem Dorfhäuptling namens Götti-Götti alias Gao Ming Kai, der allerdings auf dem Foto eine sehr amerikanische Weisszahngrimasse zog. Im Postskriptum wollten sie mir, ich sei doch ein gewitzter Kopf, zur Arbeit in der kleinchinesischen Nähfabrik noch einen landestypischen Namen aufbinden: Charles Pfahlbauer, das hiesse dann: Bei Shuo Huan.

Rik Scheit Lin? Identitätsfindungs-Gruppenschmusen? Ich schreckte auf. Um Gottes willen, durchzuckte es mich: Das ist nicht die zunächst vermutete Animationsagentur Komm & Komm, sondern es sind die nicht weniger gefürchteten Kuschelzwillinge! Sie sind wieder aktiv und legen ein Scheit-li nach! Und haben offenbar schon vielen gutgläubigen Menschen den Kopf verdreht, vor allem hart arbeitenden Landfrauen. Sie meinen es ernst: Die erste Auslegung habe erst 3 Prozent gezeigt, 97 Prozent fehlten noch. Es sei der Prolog der Vision, sagte Kuschelzwilling F, jetzt geht es erst richtig los! Du meine Güte, mir schwante Böses, wie damals, als die beiden Zirkusclowns in der verlassenen Industriesiedlung am Grossen Pfahlbauersiedlung zusammen mit Tanzbären und erlebnishungrigen Studentinnen die leidgeprüfte Bevölkerung mit Butlern, Liegestühlen, Siestas und Schatzsuchereien gequält hatten.

Ich schüttelte den Kopf: Kaum ist man mal ein paar Wochen weg, lassen sie sich in ihrem Standortelend wieder um den Finger wickeln und sedieren, hier draussen. Es isch ä Süüch, wie mein Grossmami immer sagte. Dabei hatten sie doch auf den frisch gepflästerten Gassen ihr Gallenfest und ihre Hunnenspiele! Und so viele Schlagerfestivals von Arbon bis Wildhaus! Und jetzt brauchen die noch diese selbst genähte Riesentuchfühlung?

Eine Blitzumfrage unter Pfahlgenossen offenbarte das Ausmass: Viele hatten den Marschbefehl erhalten, manche auch schon hartnäckigen Besuch von Standortbeamten. Aber erfreulicherweise läuteten bei allen bereits alle Hafechäs-Alarmglocken,  und zum Glück haben wir ja gute Freunde in der Tierseuchengruppe. Wir werden also parat sein, bei der nächsten Auslegung; wir bringen die Pfähle, die Seuchenbekämpfer die Schutzanzüge und Güllenwagen mit Gegengift. Und dann werden wir das Tuch mal kuschelig zusammenfalten und schauen, wie es sich auf dem Grossen Pfahlbauersee macht. Und ob die Kuschelzwillinge tatsächlich auf dem Wasser laufen können. Hütet euch am Ruggisberg!

Charles Pfahlbauer jr.

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