, 3. August 2014
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Euphorie, Nostalgie, Klaustrophobie

Knisterbeats, Rockbretter, Psychotechno: Das war der St.Galler Abend am Kulturfestival im Museums-Innenhof.

«Weil ich hier alles an einem Ort finden kann» oder so ähnlich heisst es auf dem Werbeplakat beim grossen Shoppingkomplex nähe des St.Galler Bahnhofs. Es wäre auch ein guter Slogan gewesen für den Samstagabend beim Kulturfestival. Im Innenhof des Naturhistorischen Museums eröffnete man den zweitletzten Abend des dichten und dicken Programmfadens.

«Aigäntli will i ä Maitli si»

Und zwar mit der besten jungen Lokalband Dachs: «Aigäntli will i ä Maitli si» ist vielleicht ihr Hit, doch alles andere genauso gut. Frische Knisterbeats ab MPC, eine wüstentrockene Basslinie, die sie verfolgt, und diese Texte, manchmal gesprochen, manchmal gesungen, oder irgendwie zwischendrin: Sie füllten den Innenhof mit einer jugendlich-naiven Euphorie, über die sich die Jüngeren, die eh schon alle Fans sind, freuten. Und die Alten: Sie freuten sich auch, doch sie verfielen sichtlich in die Sehnsucht nach der Zeit des weichen Teenager-Flaums; eine Zeit, in der man das Leben noch in Liebe denken konnte.

Keine Chance für die Szenepolizei

Vielleicht war das für manche genau jene Zeit, in der sie die zweite Band dieses Abends, Painhead (in Aktion oben, Bild: Kulturfestival) noch in Mehrzweckhallen zwischen Bodensee und Chancental bejubelten – die späten Neunziger und späten Nuller, die offensichtlich an den vier «Buben» hängen geblieben ist: keine Scheu vor Crossover, keine Scheu vor Postrock, keine Scheu vor Emo – immer noch nicht! Zum Glück!

Gerade ihre neuen Songs, die sie an diesem Samstagabend zum ersten Mal «einfach so rausliessen», wie Sänger Marco Klein später an der Bar erzählt, sind gemäss aktueller Szenepolizei eigentlich verboten. Doch Painhead haben bekanntlich die Polizei im Sack und pretschten ungeschliffene Rockbretter mit übersüssten Popmomenten heraus, die eigentlich Vorbild für so manche übercoole Indietruppe sein müssten. Es wäre schön für die Musikwelt!

Bit-Tuner: Deep

Der Letzte des Abends erschien kurz vor elf im dichten Bühnennebel: Bit-Tuner, mittlerweile mehr Zürcher als St. Galler, auch wenn die lokale Presse sein Schaffen von Berlin über New York bis nach China und Japan immer stolz mitverfolgt. Als «Soloprojekt» kündete der Bühnenanimator die an diesem Abend präsentierte Musik an. Doch eigentlich ist Bit-Tuner vor allem Bit-Tuner, und seine Erscheinung bei den hier besser bekannten Stahlbergers ein, hm, Nebenprojekt?

Wie auch immer, sein Auftritt an diesem Abend war episch und herausfordernd. Minutenlang baute er die einzelnen Stücke auf, sodass Discotänzer keine Chance hatten. Techno-Headbang, tief in sich verlorenes Herumstehen, gewaltiges Mitwippen oder sogar Synapsen-tötendes Kopfschütteln war angebracht. Es gab tiefe Psychopassagen, bei denen man sich zwischen den Mauern dieses altehrwürdigen Museums gar nicht mehr so gut aufgehoben fühlte. Der Musiker schaffte es, den harmlosen Kiesplatz kurzzeitig in ein klaustrophobisch-dunkles Loch zu verwandeln. Und wer vorne stand, wurde gnadenlos eingesogen.

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