, 21. Juli 2016
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Ging runter wie Honig

Am Mittwoch der letzten Kulturfestival-Woche wurden die Rap-Fans in St.Gallen mit einem Exklusiv-Konzert der Dilated Peoples verwöhnt. Rundum gelungen, und auch ihr Manager ist durchaus sympathisch.

Gut für Körper und Geist: Dilated Peoples (Bilder: Kasimir Höhener)

«Eine Mischung aus Klassentreffen und St.Gallerfest, nur mit geilerem Sound», sagte jemand nach dem Konzert. Kann man so sagen, denn ausser jenen, die gerade irgendwo in den Ferien weilen, traf sich gestern am Kulturfestival so ziemlich alles, was in den letzten 15 Jahren irgendwas mit Rap und Ostschweiz zu tun hatte. Was soll man auch sonst tun, wenn Dilated Peoples für ein Schweizer Exklusiv-Konzert in der Stadt sind. Jurassic 5 am selben Abend in Tsüri hin oder her.

Draussen, Bierdepot, ausverkauft – irgendwie passt auch der St.Gallerfest-Vergleich. Aber eben, der Sound… Das musikalische Angebot der alljährlichen Innenstadt-Sause ist in der Tat kläglich, verglichen mit dem Kulturfestival. Im Museumsinnenhof hingegen wurde das Publikum gestern einmal mehr mit musikalischem Gourmet-Material beglückt, und das auch noch bei edelstem Sommerwetter.

Auf der falschen Party

Den Anfang machten Thedawn und DJ Pacman, zwei nicht mehr ganz junge Lokalhelden und musikalisch definitiv etwas vom feineren vo dä Region für d’Region. Pünktlich um halb neun haben Dawns Bässe geknattert, die Köpfe genickt und die Füdlispalten geschwitzt. Und im Gegensatz zu anderen DJ’s, die ihre Turntables oft nur noch zum Sampeln benutzen, ist Pacman stets auf den Kern seines Business’ bedacht: Cuts und Scratches.

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Der Support: Pacman (links) und Thedawn

Das passt zu den Dilates Peoples, denn DJ Babu hat das Scratchen spätestens mit dem Album The Plattform zur Kunstform erhoben. Wäre da bloss nicht dieser musikalische Stilbruch gewesen vor dem Auftritt der Jungs aus L.A.: Shantel und Balkan Techno ab Konserve. Am Abend davor, vor dem Auftritt der fantastischen Fanfare Ciocărlia, mag das tipptopp gepasst haben, aber gestern, wo alles im Zeichen der «Golden Era» stand, war Shantel irgendwie auf der falschen Party.

Der leichte Anflug von Ärger ist zum Glück rassig verflogen, als DJ Babu auf die Bühne kam und Hip Hop von Dead Prez anspielte. Als sich wenig später auch Evidence und Raaka Iriscience dazugesellten, wussten wir schon gar nicht mehr, dass Shantel überhaupt existiert. Die Ansage von Babu & Co. war jedenfalls deutlich: You can’t run you can’t hide. Und wer bis dahin noch an den Live-Qualitäten der Jungs gezweifelt hat, dürfte spätestens nach Live on Stage eines besseren belehrt worden sein.

Turntablism at it’s best

Raakas Funke sprang sofort über. Evidence wirkte manchmal etwas angespannt, hat aber ebenfalls grandios abgeliefert. Er ist gleich für zwei unerwartete Highlights verantwortlich: Sein Part als Weatherman von seiner 2007 erschienenen gleichnamigen Soloplatte ging runter wie Honig. Übertroffen hat er das noch mit You, einem von DJ Premier produzierten Track, zu finden auf Cats & Dogs, Evidences zweitem Soloalbum.

Dilated Peoples_2

Evidence, DJ Babu und Raaka (von links)

Zu den stärksten Momenten gehörte auch DJ Babus Solo-Einlage inklusive Seed-Splittern. Recht so, denn der Name Dilated Peoples steht bekanntlich nicht nur für erstklassiges Gerappe und geschmeidigen Flow, er steht auch für Babus inspirierende Beats und seine weltklasse Scratches.

Bei den Classics sollte es gestern aber nicht bleiben, schliesslich erschien mit Directors Of Photography Ende 2014 nach acht (!) Jahren endlich das fünfeinhalbte Dilated-Album. Fünfeinhalb, weil Imagery, Battle Hymns & Political Poetry, ihre erste Scheibe, bis heute nicht regulär veröffentlicht wurde. Anyway, mit Let Your Thoughts Fly Away oder Show Me The Way (am Kulturfestival ohne Aloe Blacc-Feature) haben sie jedenfalls bewiesen, dass sie auch nach bald 25 Jahren im Biz noch mehr als nur gepflegten Sound und auch entsprechende Performances abliefern – was bei anderen nicht mehr der Fall ist.

Kleiner Schwank zum Schluss: Der blonde Hüne mit dem Cap am Merchandise-Stand, der immer seinen Rucksack trug und zwischendurch stirnrunzelnd eine Runde auf der Bühne gedreht hat, sieht zwar ein bisschen aus wie die «weisse» Version von Brother Ali, ist aber kein Rap-Kollege der Drei aus L.A. – und auch kein Sicherheitsmann. «Oh, no», meinte er darauf angesprochen und grinste breit. «I am the manager.»

 

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