, 26. September 2016
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Haltung statt Kalkül

Die städtischen Wahlen haben Links-Grün vorwärts gebracht. Jedenfalls ein bisschen. Was das für den zweiten Wahlgang im Stadtrat heissen könnte: ein Kommentar.

Zwei Sitze mehr für die SP, ein Sitz mehr für die Jungen Grünen, ein Sitz mehr für die Grünliberalen: Das sieht auf den ersten Blick nach Linksrutsch aus. Ein Sitz weniger für die Juso, zwei Sitze mehr für die FDP: Das relativiert das Bild dann wieder ein bisschen. Insgesamt hat Links-Grün erstmals ganz knapp die Mehrheit im künftigen Stadtparlament, unter der Voraussetzung, dass die Grünliberalen mit im Boot sind.

Ein Erdrutsch ist das nicht, aber eine Bestätigung der Vor-Wahlanalyse von Andreas Kneubühler, hier auf saiten.ch: «Am 25. September müssen diejenigen Kräfte gestärkt werden, die einen Gegenpol zur rechtsbürgerlichen Dominanz im Kanton bilden. Es braucht selbstbewusste und lautstarke Vertreterinnen und Vertreter der Stadt.»

Das brauche es in den nächsten vier Jahren insbesondere, wenn es um städtebauliche und um Verkehrsfragen gehe, sagt SP-Parteipräsident Peter Olibet auf Anfrage. Neue Mehrheiten könnten auch bei Budgetentscheiden spielen. Bisher waren die Mehrheitsverhältnisse schon knapp, die Entscheide kippten von Fall zu Fall mal nach links und mal nach rechts. «Künftig kippt es wohl häufiger nach links», sagt Olibet. Und auch gelegentliche Allianzen mit der SVP seien eher möglich, wie unlängst beim Widerstand gegen das Gasttaxenreglement. Kurzum: «Es bleibt spannend», sagt Olibet.

Jetzt geht es um die Person…

Das beste Resultat aller Parlamentarierinnen und Parlamentarier hat Maria Pappa erzielt, bei der FDP führt Marcel Rotach die Liste an – der Lohn für ihre Kampfkandidaturen für den Stadtrat. Hier kommt es zu einem zweiten Wahlgang: Pappa hat überraschend gut abgeschnitten, Rotach eher dürftig und Amtsinhaberin Patrizia Adam überraschend schlecht.

Sensationell mutet dagegen das Resultat für den unabhängigen Markus Buschor an; er galt vor der Wahl als am meisten gefährdet und ist jetzt glorios wiedergewählt worden. Offensichtlich findet viel Sympathie beim Wahlvolk, wer ausserhalb des Partei-Establishments steht.

Der zweite Wahlgang dürfte auf das Duell Adam-Pappa hinauslaufen. Und die bürgerlichen Wählerinnen und Wähler werden zusammenrücken, um die angeschlagene bürgerliche Baudirektorin zu retten. Soweit zumindest die Konstellation, wenn man in parteipolitischen Kategorien denkt und in einer militaristischen Wahlsprache steckenbleiben will. Man könnte aber auch, statt nach Partei-Arithmetik und -Kalkül, nach Inhalten und nach Persönlichkeit fragen.

Will die SP gewinnen, so heisst das: Maria Pappa muss bis zum 27. November mit aller Vehemenz öffentlich zeigen, wer sie ist und für welche Haltungen sie steht – politisch und menschlich. Denn das schlechte Ergebnis hat Patrizia Adam zum Teil der Schwäche ihrer Partei zu verdanken, zum Teil aber auch ihrem charismafreien Auftreten und wenig entscheidungsfreudigen Handeln.

Dass man mit Inhalten Wahlen gewinnen kann, zeigt das ausgezeichnete Ergebnis der Jungen Grünen: Sie haben mit ihrer Doppelinitiative für den Erhalt des Grünen Rings und für bauliche Verdichtung Position bezogen und sind dafür honoriert worden.

…und um die Sache

Der zweite Wahlgang für den Stadtrat lässt aber auch spekulieren, wie dies das «Tagblatt» bereits tut: Wird Patrizia Adam abgewählt, stände das Baudepartement zur Verfügung, für das der  Architekt Markus Buschor «eigentlich» vor vier Jahren von vielen gewählt worden war. Maria Pappa wäre ihrerseits bestens qualifiziert für die Bildungsdirektion. Und plötzlich hätte die Stadt die richtigen Leute am richtigen Ort.

Die Hoffnung auf die Frauen

Der gestrige Wahlsonntag hat ein weiteres auffälliges Ergebnisse gezeitigt: Das St.Galler Stadtparlament wird ein ganzes Stück weiblicher. Fünf neue Parlamentarierinnen (und kein einziger neuer Genosse) allein bei der SP, neue Frauen auch bei den Jungen Grünen und sogar bei der SVP: Offensichtlich traut das Wahlvolk den Frauen eher als den Männern zu, für die Stadt vernünftige und zukunftstaugliche Lösungen zu finden.

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