, 24. Oktober 2014
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Luzerner Chef für Tagblatt Medien

Weitere Umwälzung beim St.Galler Tagblatt: Der bisherige Gesamtleiter der Medien Ostschweiz, Daniel Ehrat, geht per sofort. Seinen Job übernimmt Jürg Weber, Chef der Luzerner Zeitung. Die Folgen sind offen.

Orientiert wurde am Freitagmorgen an der Fürstenlandstrasse in St.Gallen: Die NZZ führt ihre beiden «Töchter», Tagblatt und Luzerner Zeitung (oder geschäftsoffiziell: Medien Ostschweiz und Medien Zentralschweiz) in einem einzigen Geschäftsbereich Regionalmedien zusammen. Die Führung übernimmt Jürg Weber, bisher Chef in Luzern. Daniel Ehrat, bisher Chef in St.Gallen, «hat sich im Zuge der Neuorientierung entschlossen, das Unternehmen zu verlassen», heisst es in der Mitteilung der NZZ-Medien. Er hat sich mit einem Mail bereits verabschiedet.

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Luzern und St.Gallen unter einem Dach

Bereits im Sommer hatten das St.Galler Tagblatt und seine Regionalausgaben auf eine Zweibund-Zeitung umgestellt. Jetzt kommt das gemeinsame organisatorische Dach Luzern-St.Gallen. Und als nächstes: ein gemeinsamer Mantelteil für die überregionalen Themen?

Die Folgen seien schwer abzuschätzen, sagt Adrian Rüesch, Verwaltungsratspräsident der St.Galler Tagblatt AG auf Anfrage. Einzig sicher sei zur Stunde: «Es gibt einen neuen Chef.»

Von Kündigungen oder neuen Ressortverteilungen sei keine Rede. Die beiden Chefredaktoren in Luzern und St.Gallen hätten nun den Auftrag, Möglichkeiten zur redaktionellen Zusammenarbeit aufzuzeigen. Einen Zusammenhang zwischen der Einführung der Zweibund-Zeitung und der jetzigen Neuorganisation sieht Rüesch nicht. Aber: «Die wirtschaftliche Lage zwingt zu Synergien zwischen den beiden Häusern.» Zwar sei die Zahlen in St.Gallen momentan noch «gut schwarz» – zugleich gebe es aber so «dramatische Einbrüche» bei den Inseraten, dass man handeln müsse, um auch in Zukunft noch investieren zu können.

Bekenntnis zur Lokalperspektive

In einer leerstehenden Halle des Tagblatt-Gebäudes an der Fürstenlandstrasse bekannten sich, wie Rüesch bestätigt, sowohl NZZ-CEO Veit Dengler als auch der neue Regionalleiter Jürg Weber vor der Redaktion ausdrücklich zum Lokalen und Regionalen. Plausibel, wenn man sich etwa eine allfällige gemeinsame Sportberichterstattung vorstellt: Spielt der FC St.Gallen gegen den FC Luzern, so schreibt jede Zeitung aus ihrer Lokalperspektive – wer dies aufgibt, vergrault nicht nur die Fans, sondern hat auch bei den Lesern verloren. Ähnliches gilt, wie Rüesch sagt, für die nationale Politik: Wie in Bern über die AHV debattiert werde, wolle man in St.Gallen aus der Sicht von Karin Keller-Sutter oder Paul Rechsteiner hören – und nicht mit der Stimme eines Urner Ständerats.

Über eine stärkere redaktionelle Zusammenarbeit mit Luzern (und zuvor bereits mit dem Berner «Bund», als dieser noch zur NZZ-Gruppe gehörte) diskutiert man an der Fürstenlandstrasse seit Jahren – die obigen Beispiele machen klar, wie gross die Schwierigkeiten sind und die Gefahr, weiter an Leserbindung zu verlieren.

Deshalb gibt es nach den Chef-Bekenntnissen zum Lokalen auch ein vorsichtig optimistisches Szenario: Wenn sich durch die Zusammenarbeit mit Luzern (etwa in der Auslandberichterstattung) Ressourcen sparen lassen, könnte dies den Regionalteilen der beiden Zeitungen zugute kommen. Und nach den Querelen und Führungsschwächen rund um die Personalabgänge bei der «Ostschweiz am Sonntag» setzt man zusätzliche Hoffnung in den neuen starken Mann an der Spitze – umso mehr, als für Jürg Weber die Ostschweiz als ehemaliger HSG-Absolvent kein weisser Fleck auf der Landkarte ist.

Andere Beobachter meinen: «Jetz wert’s chessle.» Die «Ostschweiz am Sonntag» sei ein Klumpfuss, weit unter den finanziellen und publizistischen Erwartungen geblieben – das Problem werde der «Neue» lösen müssen.

Wie weiter mit der Regionalpolitik?

Adrian Rüeschs persönliche Reaktion, als «Ur-Sanktgaller»? Wirtschaftlich sei die Konsolidierung unvermeidbar, «es geht gar nicht anders» – unter dem Gesichtspunkt der emotionalen Bindung aber tue jede Ent-Regionalisierung weh, sagt er. Und erinnert daran, dass er als Bub in Rorschach bereits das «Ostschweizer Tagblatt» ausgetragen habe, eine von damals noch zwei Rorschacher Zeitungen, in welcher der Lokalteil noch mit «Heimat am See» übertitelt war – bevor das «OT» vom Verlag Löpfe-Benz ans Tagblatt ging, das damals seinerseits noch Mehrfachkonkurrenz durch «Ostschweiz» und «AZ» hatte.

Rüesch betont: Von einer «Übernahme von St.Gallen durch Luzern» könne keine Rede sein – dennoch stellt man sich in der Tagblatt-Redaktion die Frage, ob es diesmal Reaktionen von Seiten der Politik gebe. Denn immerhin gehe es um Entscheidendes: ob und wie die regionale Politik in der einzigen Tageszeitung der Region künftig ihren Platz finde.

 

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