, 14. April 2015
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Kleine mediale Lichtblicke

Mit den lokalen und regionalen Medien geht es nicht nur abwärts. Es gibt auch die Gegenrichtung. Zwei Beispiele aus der Ostschweiz.

Da wäre etwa die «Tüüfner Poscht». Seit fünf Jahren ist der frühere Radiojournalist und langjährige Ostschweizer SRF-Korresponden, Erich Gmünder (61), Chefredaktor der Teufener Dorfzeitung. Die «Tüüfner Poscht» erscheint monatlich mit zwei Doppelnummern im Sommer und im Winter. Das Blatt macht Lust auf Dorfgeschichten und hat alle Elemente eines modernen Magazins: Reportagen, Features, Interviews, People-Stories, Politgeschichten, Klatsch, Kolumnen und Gemeinde-News.

Gedruckt und online

Die «Tüüfner Poscht» erscheint im 20. Jahrgang. Es gibt sie auf Drängen der Kulturkommission. Ihr Ziel ist die heterogene Bevölkerung in der 6’200-Seelen-Gemeinde, die sich einst in drei Dörfer teilte, zusammenzufügen. Am Anfang war die Zeitung ein Kind der Gemeinde. Seit Beginn dieses Jahres ist ein Verein die Trägerschaft. Neu ist auch das Onlineportal tposcht.ch mit News aus der Gemeinde.

Gmünder führt die «Tüüfner Poscht» im Mandatsauftrag. Er ist nicht nur der Einzige der Redaktion, der nicht in der Gemeinde wohnt, sondern auch der einzige Medienprofi. «Meine Kolleginnen und Kollegen kommen aus anderen Berufen oder sind pensioniert. Sie sind aber bestens integrierte Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde», sagt er. «Sie kennen Gemeinde-Interna und haben enge Beziehungen zur Bevölkerung». Natürlich sei er inzwischen auch mit vielen Teufener Vertrautheiten bestückt, meint Gmünder. Die gemeindeansässigen Kolleginnen und Kollegen der achtköpfigen Redaktion seien aber eine wichtige Rückversicherung für ihn und seine Arbeit.

Keine PR-Abteilung der Gemeinde

Die Redaktion hat hehre Grundsätze: Sie fühlt sich der journalistischen Sorgfalt verpflichtet. «Jeder Beitrag wird gegengelesen», sagt Gmünder. «Die Geschichten müssen stimmen, sie dürfen nicht geschönt sein und Fakten dürfen nicht verdreht werden.» Die Redaktion pocht auf Unabhängigkeit. «Wir sind nicht die PR-Abteilung der Gemeinde oder eines Unternehmens in der Gemeinde», sagt der Chefredaktor. Gmünder weiss auch, dass die Dorfzeitung, die mit einer Auflage von 4’000 Exemplaren erscheint, eine gewisse Macht hat, mit der sorgfältig umzugehen ist. «Die Tüüfner Poscht liegt einen Monat auf, sie hat Langzeitaktualität. Man kann uns auch nicht abbestellen, weil wir gratis per Post in alle 3.100 Haushaltungen verteilt werden», sagt er.

Die Einnahmen der «Tüüfner Poscht» belaufen sich pro Jahr auf rund 250’000 Franken. Sie setzen sich aus den Erträgen der Inserate der Printausgabe, der Bannerwerbung des Online-Portals, den Beilagen und den Abonnements für Auswärtige zusammen. Etwa ein Drittel des Gesamtbudgets trägt die Gemeinde über einen Globalkredit. Dafür stehen ihr in jeder Ausgabe vier Seiten zur Verfügung.

400 Millionäre in der Gemeinde

Rund 60’000 Franken fallen für die Druckkosten an. Die Aufwendungen für die Redaktionsarbeit, auch für die des Chefredaktors, sind eher bescheiden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten 200 Franken für eine Zeitungsseite und 100 Franken für eine halbe. Mit 20 Franken wird ein Bild für das Onlineportal entschädigt. Das Layout besorgt ein externer Grafiker zu einem marktüblichen Preis. Die Bilanzsumme der «Tüüfner Poscht» liegt bei rund 400’000 Franken.

Das Inseratevolumen wachse erfreulich, meint Gmünder. Mehr als 50 Prozent der Werbung komme von ausserhalb der Gemeinde. Das sei sehr erstaunlich für eine kleine Gemeinde wie Teufen, sagt der Chefredaktor. Er erklärt sich das so: «In Teufen wohnen halt rund 400 Millionäre!»

Mediale Entzugserscheinungen

Ein Beispiel aus dem Thurgau ist «REGI. Die Neue». Im Thurgauer Bezirk Münchwilen ist die Entstehung einer Gemeindepresse auf mediale Entzugserscheinungen bei der Bevölkerung und beim ansässigen Kleingewerbe zurückzuführen. 125 Jahre lang gab es im sogenannten Tannzapfenland eine Zeitung. 2008 wurde sie eingestellt. Die Region fühlte sich fortan von der nachrückenden Thurgauer Zeitung aus Frauenfeld unterversorgt.

2011 wurde eine Genossenschaft gegründet, mit dem Ziel, der Zeitungsnot ein Ende zu bereiten. Daran beteiligten sich Private, Gewerbler und 13 Gemeinden, davon fünf ausserhalb des Bezirks. Die Herausgeber-Genossenschaft hat heute rund 500 Mitglieder und ein Stammkapital von 300’000 Franken.

«REGI. Die Neue» erscheint als Abo-Zeitung zweimal wöchentlich am Dienstag und Freitag. Die Abo-Auflage beträgt 2’500 Exemplare. Hinzu kommen Grossauflagen mit 1’000 bis 5’000 zusätzlichen Exemplaren, die alternierend einmal monatlich in den einzelnen Gemeinden gestreut werden. Laut redaktionellem Leitbild will «REGI.Die Neue» eine unabhängige, liberale, weltoffene und der Wahrheit verpflichtete Forumszeitung sein, die das Dorf- und Gemeindeleben in den Mittelpunkt stellt.

Peter Mesmer, ein altgedienter Thurgauer Journalist, ist Verlags- und Redaktionsleiter. Er hat ein 100-Prozent-Pensum. Zwei weitere Redaktorinnen sind für 100 respektive für 60 Prozent angestellt. Zusätzlich gibt es 10 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Studierende oder Pesionierte für bescheidene Honorare arbeiten. «Im ersten Erscheinungsjahr fuhren wir einen Verlust ein», sagt Mesmer. Das habe sich geändert. Der Jahresumsatz belaufe sich heute auf etwa 650’000 Franken und aus den Abonnements würden rund 250’000 Franken generiert. «Die Abo-Zahlen stagnieren, hingegen gibt es bei den Inseraten Wachstum», sagt er Verlags- und Redaktionsleiter. «REGI. Die Neue hat gute Chancen, weil in dem Projekt neue Ideen und viel Herzblut stecken. Die Zeitung kann durchaus ein Erfolgs-Modell für die serbelnde Regionalpresse sein.»

Umso kleiner die Auflage, umso mehr Inserate

Die Werber setzen neuerdings auf Bonsai. Blätter mit weniger als 20’000 Exemplaren Auflage, also die Kategorie der Gemeindemagazine und Dorfzeitungen, haben erstaunliche Zuwächse bei den Inseraten. Laut der Stiftung Werbestatistik der Schweiz stieg der Werbeaufwand 2013 in diesen Medien um 10,3 Prozent. Wogegen Blätter mit 20’000 bis 50’000 Exemplaren Auflage im gleichen Jahr ein Minus von 7,9 Prozent hinnehmen mussten, und Blätter mit mehr als 50’000 Exemplaren Auflage erlitten gar Abstriche von 16,8 Prozent.

Die Dorf- und Gemeindezeitungen besetzten also eine Nische, in der sie konkurrenzlos sind. Sogar für  Onlinemedien sind diese Räume zu klein, um eine informelle oder ökonomische Perspektive zu bieten.

 

Titelbild: Blick ins Dorfzentrum von Teufen. (Bild: tposcht.ch)

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