, 16. August 2014
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«Munggelibruni Gaggo-Neger»

ECHT FALSCH: Die halbe Schweiz ist mit Trudi Gerster gross geworden, in St.Gallen sollen jetzt Märlistationen an die Geschichtenerzählerin erinnern. Aber wieso schwärmt Stadträtin Adam bei der Einweihung für «Negerkönig Krambamuli»?

*ACHTUNG: DIESER TEXT IST EINE FALSCHMELDUNG UND DIENT AUSSCHLIESSLICH DER VOLLSTÄNDIGKEIT. ALLES WEITERE IST IN DIESER RICHTIGSTELLUNG ZU FINDEN.*

 

Ein Jahr nach dem Tod von Märchenkönigin Trudi Gerster hat ihr ihre Heimatstadt ein Denkmal gewidmet. Eigentlich sind es mehrere; sieben Steinskulpturen von lokalen Kunstschaffenden, für sieben Märchen stehend, auf sieben Spielplätzen in der Stadt St.Gallen verteilt. Via QR-Code können die Kinder die Geschichten der einzelnen Stationen hören.

Gerster, 1919 in St.Gallen geboren, gehörte über Jahrzehnte hinweg praktisch zur Standardausstattung von Deutschschweizer Kinderzimmern. Dass sie ausserdem von 1968 bis 1980 – zuerst als Parteilose und später für den «Landesring der Unabhängigen» (LdU) – baselstädtische Grossrätin war, ist weniger bekannt.

Patrizia Adam könnte das eigentlich gewusst haben. 1980, als sich Gerster aus der Realpolitik zurückzog, ist die CVP-Stadträtin gerade volljährig geworden. Heute ist sie 51, Vorsteherin des städtischen Baudepartements und somit Patronin der Märchenstationen, die auf Anregung ihrer Parteikollegin Maria Huber realisiert wurden.

An der Pressekonferenz im Leonhardspark berichtete Patrizia Adam denn auch von ihrem Faible für Geschichten. «Mein Lieblingsmärchen ist das von Kasperli und dem Negerkönig Krambambuli», zitierte das Tagblatt am Freitag. Das 1970 erschienene Hörspiel ist eigentlich von Jörg Schneider und heisst «De Schorsch Gaggo reist uf Afrika», Ausschnitte davon gibt es auf YouTube.

«Chum, mir reised mitenand uf Afrika zu de Gaggo-Neger!», ruft Kasper und schmettert die Hookline: «Tri, tra, trallala, Tri, tra, trallala, mir reisend jetzt uf Afrika und lueged det all Neger a.» Der Plot: Zwei tapfere Schweizerlein retten das Stammesoberhaupt samt seinem «schnusigen Negermeiteli Susu» vor dem bösen Löwen, (der übrigens wie auch die andern Tiere im Hörspiel akzentfrei Mundart spricht, im Gegensatz zu den «Gaggo-Negern»).

Abgesehen von der ganzen Kolonial-Attitüde: Müsste man bei jedem «munggelibrunen Chruselnegerli» einen Schnaps kippen, käme der Brechreiz schneller als das elende Ende der Story. 1970 waren solche Begrifflichkeiten aber normal. Erst in den 90ern wurden sie intensiver thematisiert, 2000 wurde das Hörspiel dann ohne N-Wort neu aufgelegt.

Schneider fühlte sich vor den Kopf gestossen damals. Selbst Trudi Gerster hatte ihre Mühe mit der aufkommenden political correctness, aber wie dem Kasper erging es auch anderen Klassikern: Pippi Langstrumpfs Vater aus Taka-Tuka-Land (Astrid Lindgren, 1948) etwa ist heute nicht mehr Neger-, sondern Südseekönig, und seit 2013 gibt es auch Preusslers Kleine Hexe (1957) in einer politisch korrekten Version.

Vielleicht hat Stadträtin Adam ja gar nichts gewusst von all den hitzigen Debatten, als sie sich ausgerechnet dieses Märli ausgesucht hat. Vielleicht hat sie es auch mit Absicht getan, als schleichpolitische Position sozusagen. Oder weil sie bei dieser Gelegenheit Jörg Schneiders Vokabular den verdienten Kontext geben wollte, statt nur arglos Trudi Gerster abzufeiern. So oder so, schade, dass sie ein Faible für Geschichten hat, und nicht für Geschichte.

 

 

Zum Nachdenken noch ein Happen von Patricia Purtschert.

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