, 3. März 2015
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«Solche Fallschirme dürfen nicht in Bequemlichkeit enden»

Roche Hufnagl von der Grabenhalle- Progammgruppe organisiert jeden Monat Live-Konzerte im kleinen Rahmen – ein Gespräch aus dem März-Heft über Nachwuchsförderung ohne Finanzspritzen.

Seit Januar bist Du verantwortlich für die Bullaugen- Konzerte im Grabenhallen-Foyer. Hat sich dadurch auch das Konzept verändert?

Am Anfang, also 2009, ging es vor allem darum, auch unter der Woche und in einem kleineren Rahmen Live-Konzerte zu veranstalten, deshalb das Foyer. Ziel war es, unbekannteren Bands aus allen Bereichen eine Plattform zu bieten. Seit Anfang Jahr setzen wir gezielt auf junge Schweizer Formationen, machen Audio- und One-Take-Videoaufnahmen der Konzerte, die wir den Bands dann als Promomaterial zur Verfügung stellen.

Wie wichtig ist Dir dabei der Fördergedanke?

Er ist zentral – allerdings wollen wir die Bands nicht mit Finanzspritzen unterstützen, sondern mit Know-How, Engagement und einem interessierten Publikum. Viele sind unbekannt, haben kein grosses Plattenlabel oder nicht genügend Songs digitalisiert, um sich für weitere Konzerte zu bewerben. Dabei wollen wir ihnen unter die Arme greifen.

Gibt es viele solcher Bands?

Massenhaft. Das Problem ist, dass man die Schweizer Szene gerne unterschätzt beziehungsweise viele denken: «Buchen wir sie, denn lokaler Support bringt immerhin Publikum.» Woran liegt das? Unter anderem daran, dass der Markt völlig übersättigt ist und zwar in praktisch allen Genres. Allein beim Grabenhalle-Büro gehen pro Tag etwa 40 Bandanfragen ein – von gänzlich unbekannten bis zu namhaften Bands.

Welches sind die Kriterien, um beim Bullaugenkonzert aufzutreten?

Erstens müssen wir eine Band vorab einmal live gesehen haben, zweitens soll sie aus der Schweiz sein – egal aus welcher Ecke –, und drittens sollte sie nicht bereits bei einer grossen Plattenfirma unter Vertrag sein, da sie unsere Unterstützung dann gar nicht mehr nötig hat.

Gibt es auch genretechnisch Vorgaben?

Einengen lassen wir uns nicht, aber es sollten schon tendenziell ruhige Sachen sein. Unter anderem auch, weil die Clubszene derzeit wieder relativ stark ist und die leisen Konzerte daher vermehrt unter der Woche oder in Bars als Hintergrundmusik stattfinden. Kommt hinzu, dass das Grabenhalle-Foyer nicht wirklich für grosse Bands geeignet ist, dafür aber bestens für Unplugged-Konzerte.

Du warst auch Organisator des Young Gods- Konzerts in der Lokremise im November 2013. Damals wurde kritisiert, dass die Stadt für ihre Standortkampagne «IT St.Gallen rockt» 100’000 Franken sprach, während sie mehreren Kulturinstitutionen die Gelder kürzte.

Die Kritik verstehe ich natürlich, wobei dieses Konzert ja nur ein Teil der Kampagne war, die von der Agentur Alltag konzipiert wurde, wo ich damals angestellt war. Eine Aussage wie «IT rockt» durch ein Konzert zu transportieren finde ich aber völlig legitim. Zudem wurde die Lokremise zuvor noch nie als Konzertsaal in dieser Grössenordnung wahrgenommen. Indem man die Möglichkeiten aufzeigte, wurde der Standort Lokremise also auch kulturell gefördert.

Die Frage nach der «Förderungswürdigkeit» solcher Prestige-Projekte bleibt trotzdem. Wo ziehst Du bei den Bullaugen-Konzerten die Grenze?

Vielfach orientiere ich mich an der Präsentation im Internet und der bereits gespielten Konzerte der Band. Daran sieht man relativ schnell, wer noch Support braucht und wer bereits eine funktionierende Promo-Maschinerie im Rücken hat. Mit der Zeit merkt man auch, welche Bands mit Herzblut an die Arbeit gehen.

Nutzt eure Bullaugen-Plattform den Bands auch nachhaltig?

Wir geben ihnen ja nicht nur alle Rechte an den Video- und Audiomitschnitten, sondern auch frische Inputs für Songs oder Aufnahmen. Mit Insane Sue steht uns ein versierter Toningenieur zur Verfügung, der gerne auch unkonventionelle Wege geht. Zudem haben wir mit bullaugenkonzert.ch jetzt auch einen Online-Auftritt mit Bandportraits, Konzertvorschauen und anderen Infos. Ihr bietet den Bands also eine Live-Plattform an und nehmt ihnen zusätzlich noch ein Stück Label-Arbeit ab.

Was springt für die Grabenhalle dabei heraus?

Eine gute Zeit plus die Taxi-Fahrt nach Hause. Gewinn machen wir mit den Bullaugen-Konzerten aber nicht, im Gegenteil: Wir sind froh, wenns am Schluss eine schwarze Null gibt. Das heisst, dass wir eine ganze Menge Vorarbeit reinstecken und natürlich eng kalkulieren müssen. Denn machen wir uns nichts vor: Aufwand und Ertrag stehen in der Kulturbranche in keinem Verhältnis.

Viele setzen auf Defizitgarantien.

Darauf verzichte ich bereits seit mehreren Jahren.

Aus Gründen der Unabhängigkeit?

Nicht wirklich, sondern weil ich ein paar einschneidende Erlebnisse hatte, die mir klar machten, dass mit solchen Geldern vielfach falsch umgegangen wird. Wenn ich höre, dass ein Veranstalter dank seiner 500 Franken Defizitgarantie mit dem Eintritt runtergeht, um mehr Besucher zu mobilisieren, hat er denn Sinn nicht verstanden. Solche Fallschirme dürfen nicht in Bequemlichkeit enden.

 

Roche Hufnagl, 1986, ist Teil der Grabenhalle- Programmgruppe und einer von sieben Bewohnern des Kulturhauses Rose in Stein AR, wo er auch das Booking macht, wenn er nicht gerade grafisch tätig ist.

Das nächste Bullaugen-Konzert findet am Mittwoch, 4. März statt. Deer Johnson aus Basel werden im Foyer der Grabenhalle gastieren. Weitere Infos: grabenhalle.ch, deerjohnson.com

 

Bild: Tine Edel

Dieses Interview erschien im März-Heft von Saiten.

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