, 30. Juni 2014
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Openair-Sonntag: Und irgendwo stirbt ein Kirchenchor

Zuerst neben Jack Stoiker erwachen und dann bei Reignwolf so richtig feucht werden – es war ein perfekter Openair-Sonntag für alle, die es dreckigrockig mögen.

Es gab genau zwei Dinge zu tun am Sonntag: Jack Stoiker abfeiern auf der Sternenbühne um viertel vor zwölf und dann sofort rüberwechseln zu Reignwolf vor die grossen Bretter. Grob gesagt hatte man also zwei Möglichkeiten: früh aufstehen oder gar nicht erst hinlegen (dafür abtanzen mit Seeed und legendär weiterfeiern mit Kavinsky, den ja seit Samstag alle lääängst gekannt haben).

Der Morgen mit Jack:

Es gibt sie wirklich, die Sonntagmorgenkonzerte, so viel zur frühen Erkenntnis. Stoiker hat das Sternenzelt mühelos gefüllt. Gut, er hatte auch beneidenswert viele Freunde dabei, und erst noch solche, die ihm von Herzen ein Tribute-Album widmen: zum Beispiel Tobi Gmür, Baze, Christian Halunke Häni, Miss O.O. von den Monofones, Bruno Dietrich und die Traktorestars Thierry Lüthy und Balthasar Streit.

Jack war also back, auch in der Ostschweiz, und in bester Laune, was natürlich fotografisch dokumentiert werden musste für Mama. Es war wie immer und auch wieder nicht: der Wixer stand zwar noch im Abseits mit der einzig wahren Regina und alle machten Keine-Nazi-Musik, nur war sie eine Spur zu gut. Irgendwie knitterfrei – was völlig okay ist, weil die Fans Jack sicher immer noch gern haben, auch wenn er seine Freunde hat.

Baze zum Beispiel ist wie Elvis ohne Glitter und Zotteln. Seine «In The Tobel»-Version von Stoikers «Uf em Lintuech» hätte nicht besser ins Openair-Ghetto passen können. Aber der Chlyklässler aus Bern hatte schliesslich auch die beste schlechte Wix-Vorlage ever. Ein launiges Stoikerstündchen, es hatte sich definitiv gelohnt, neben Jack und seiner Bande zu erwachen am Sonnatg.

 

Mind-blowing Reignwolf am Mittag:

Wer ihn schon gehört hat, wusste, dass Reignwolf wohl Sittertobler Gitarrengeschichte schreiben würde. Entsprechend gross war die Vorfreude. Der Himmel hing voller Gitarren, nur waren auch noch ein paar fette Wolken mit dabei. Ausgerechnet beim wichtigsten Date am diesjährigen Openair musste es in Strömen giessen. Verdammt, St.Gallen!

Zum Glück stand mit Jordan Cook alias Reignwolf auch eine Urgewalt auf der Bühne. Und Cook, die schwarze Gibson in der Hand, war offensichtlich zu allem bereit. Seine Fans auch – die paar wenigen, die fast wie der Fünfliber im Schlammfladen versoffen, was die Sitterbühne noch imposanter erscheinen liess, als sie es ohnehin ist.

Cook bräuchte vermutlich kaum mehr als einen Verstärker. Es scheint, als reichten ihm eine Gibson und seine Buddys Stitch und Texas Jo am Bass und am Schlagzeug. Der Typ ist ein Genie, ein fieses Gebräu aus Jack White, Wolfmother und Schweiss. Bestimmt ist er als Kind in einen rostigen Blues-Nagel getreten und hat sich dabei mit Rock’n’Roll infiziert. Jedenfalls würde das diesen durchtriebenen Irrsinn erklären, der ihm so eigen ist, dieses Kompromisslose. Wer ihm zugesehen hat, weiss: Wenn Cook die Saiten berührt, stirbt irgendwo ein Kirchenchor.

Im Sittertobel war er so konsequent wie hemmungslos, turnte klitschnass und unbeirrt zwischen Bühne, Trommel und Graben. Die überflüssigen Wolken erschienen mit jedem Gitarrenschrei kleiner, bis es nur noch Musik regnete. So wurde das Sittertobel zum dreckigen Rock-Altar, auf dem Cook uns seine Gibson opferte.

Vielleicht gäbe es ein Deutscheres Wort, aber seine Performance war schlicht mind-blowing. Reignwolf wurde zu Rainwolf und rockte sein Publikum (zumindest mich) in den siebten Himmel. Man (also ich) wollte die Gitarre in seinen Händen sein und Electric Love spüren den ganzen Lonely Sunday lang.

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Zu allem bereit: Reignwolf und auch die Fans vor der Sitterbühne

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Wen die Fans nicht ins Trockene dürfen, will Cook es auch nicht sein.

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Die Jungen im Bacardi-Dome – dort, wo nicht Openair ist, sondern die längste Afterhour der Welt.

chuebel

Die Zelte artig wieder verpacken und dann ab in… die Fresse – Nossa!

 

Reignwolf 2012 bei KEXP:

 

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