, 19. Februar 2017
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Vom Eier-Ausbrüten: Teil III

Was erwarten
 Sie vom «neuen» Kunstmuseum St.Gallen? Und was würden
 Sie mit den neuen Räumen im Untergeschoss machen? Diese Fragen hat Saiten einer Reihe von Künstlerinnen und Künstlern sowie Kunstvermittlern gestellt. Teil III: Vera Marke, Sugar Mirko, Alex Meszmer und Ueli Vogt.

Im unterirdischen Depot des Kunstmuseums fotografierte Jan Thoma.

Museen und Altersresidenzen

Eines vorneweg: Werde den Bartgeier im Untergeschoss des Museumsgebäudes vermissen.

Als Liebhaberin von Wunderkammern, universitären Sammlungen und Heimatmuseen schätze ich das krude Nebeneinander von Exponaten wie zum Beispiel der Mumie in der Stiftsbibliothek und bedaure den Auszug des Naturmuseums. Die Simultaneität von heterogenen Artefakten – unterschiedlicher Herkunft und Wertigkeiten – inspiriert als bunte Mischung heutige Kunstschaffende.

Die Tendenz läuft seit Jahren in die Gegenrichtung: Es werden landauf, landab eifrig Museen neu gebaut und bestehende erweitert. Museen und Altersresidenzen.

Die Synchronizität, so zumindest lehren uns Betrachtungsmodelle, legt einen Indizienteppich, der zum Verdacht führt, dass gleichzeitig Auftretendes miteinander zu tun hat. Wir leben in einem ordentlichen Land.

Das Museum erhält neue Räume, die es mit Inhalt zu füllen gilt. Erhält es auch mehr Mittel für den Betrieb? Ich wünsche dem Museum, dass nicht nur Millionen in Bauten gesteckt werden, sondern auch in Menschen und Zeit; Zeit zum besonnenen Forschen, Konzipieren, Nachdenken, Austauschen und Ankaufen.

Vera Marke, 1972, ist Künstlerin und lebt in Herisau.

 

Haucht
 dem unteren Stock Leben ein

Eine blosse räumliche Erweiterung des KuMu’s wäre verpuffte Energie. Erweitert euch in Inhalt und Form und zwar in Zusammenarbeit mit jüngeren Kunstschaffenden: dynamisch, naiv und spontan? Haucht dem unteren Stock Leben ein, denn er wurde lange Zeit nur vom Tod bewohnt.

Sugar Mirko, 1991, ist Künstler in St.Gallen.

 

Audience developing

Die Sammlung eines Kunstmuseums zu besuchen, heisst für mich alte Bekannte wieder zu treffen und sich darüber zu freuen, dass sie immer noch da sind.

Es ist die Konstante eines Museums, die es einem ermöglicht, aus der Eventhektik auszubrechen und einer gewissen Zeitlosigkeit zu frönen. So verstehe ich auch das «Endlich» als ein Ankommen, ein Zur-Ruhe-Kommen, das die etwas belanglose Monotonie der immer wieder neugeordneten Themenausstellungen aus der Sammlung durchbrechen kann.

Ein Kunstmuseum kann gar nicht gross genug
sein, und dass das Kunstmuseum St.Gallen jetzt mehr Platz zur Verfügung hat, ist ein Grund zu feiern. Gleichzeitig stehen auch Museen immer mehr unter Leistungs- und Legitimationsdruck und sehen sich gefordert zu beweisen, dass sie notwendig sind. Audience developing ist das Schlagwort für die Kultur auf der europäischen Ebene, und es bedeutet, dass Institutionen gefordert sind, aufzuzeigen, dass sie ein Publikum haben, dass sie auf ihr Publikum eingehen können und neue Publikumssegmente entwickeln können.

Ein solches Publikumssegment ist sicherlich
die regionale Kunstszene, und vielleicht wäre die Übergangszeit der perfekte Moment, sich mit dieser ein wenig mehr auseinanderzusetzen.

Alex Meszmer, 1969, ist Künstler, Kurator und zusammen mit seinem Partner Reto Müller Erfinder des Transitorischen Museums zu Pfyn.

 

Vom Eier-Ausbrüten

ENDLICH alleine, endlich keine Energie mehr an das Gemeinsame aufwenden müssen, endlich selber schuld und eigenverantwortlich sein für die Resonanz des Hauses.

Endlich können interdisziplinäre Projekte gezeigt werden, wie jetzt von Mark Dion, bei dem die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft verwischt sind.

Endlich dem Phänomen nachleben, dass Dialoge mit anderen erst möglich scheinen, wenn diese weg sind. Man kann gespannt sein,
wie fruchtbar sich das Gleichgewicht zum nun nächsten musealen Nachbar, dem Historischen und Völkerkundemuseum entwickelt.

Endlich kann die Sammlung dauerhaft gezeigt werden, aber hoffentlich weiterhin so erfrischend wie bis anhin, Raumnot macht eben auch erfinderisch, in diesem Fall
für das Format der thematischen Sammlungsausstellung (wie die Korona des Hauses sehr selbstbewusst zu berichten weiss).

Endlich verfügt das Kunstmuseum über wenig definierte und nicht für Ausstellungen entwickelte Räume; interessanterweise verfügen die postmodernistischen Räume im Untergeschoss
des Kunklerbaus über eine runde Aussenwand, wie
auch in der LOK. Vielleicht werden hier bald kleinere
Eier ausgebrütet, um die dann dort weiter zu kultivieren.

Schlussendlich ist den bald auch noch neu zusammengesetzten Leuten im Kunstmuseum zu wünschen, dass sie den Schwung weiterführen und die nicht ganz einfachen Räume des ehemaligen Naturmuseums nutzen, so dass Wellen entstehen, die dann weit über die Kunstzone in der LOK hinausschwappen und uns wundern lassen …

Ueli Vogt, 1965, ist Leiter des Zeughauses Teufen und wohnt in St.Gallen.

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