Als Radium in Teufen für einen Skandal sorgte

Biel macht Schlagzeilen mit einer verschwiegenen Radium-Verseuchung. Der Stoff stammte aus dem ausserrhodischen Teufen, das vor 35 Jahren einen Umweltskandal erlebte.
Von  Ralph Hug

Wer erinnert sich noch an den Radium-Skandal in Teufen AR? Der fand 1979 statt und erregte über Monate die Gemüter. Auslöser waren anonyme Plakate und Flugblätter mit dem Titel «Radioaktivität verseucht Teufen». Dabei wurde die Firma Radium Chemie AG an der Speicherstrasse als Umweltverschmutzerin angeprangert.

Die Firma von Albert Zeller arbeitete seit 1935 mit radioaktiven Stoffen wie Radium, Strontium oder Tritium. Diese wurden als Leuchtfarben für Zifferblätter in der Uhrenindustrie sowie auch für militärische Geräte verwendet. Zellers Exporte gingen bis nach China und in die USA.

Es gebe überhöhte Strahlenwerte in der Umgebung der Firma, so der Vorwurf. Die Firma dementierte. Und auch die Gemeinde: Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung. Doch als ein Arzt die anonymen Angaben bekräftigte, musste der Teufner Gemeinderat handeln. Er bestellte bei den Bundesstellen einen Untersuchungsbericht. Nachbarn konnten zudem gratis ihren Urin analysieren lassen. Fast alle machten davon Gebrauch.

Im Bericht der eidgenössischen Fachstellen wurde zugegeben, dass auf dem Fabrikgelände überhöhte Strahlenwerte festgestellt wurden. Es gebe aber keine lose, sondern nur eine fixierte Radioaktivität, was keine Gefahr darstelle.

Das Bundesamt für Gesundheitswesen empfahl die Sanierung des kontaminierten Geländes. Dort befand sich die «Villa Zeller», das Wohnhaus des verstorbenen Firmengründers. Und dort hatte just der Arzt gewohnt, der mit seinen Aussagen die Untersuchung ins Rollen brachte.

Danach ebbte der «Skandal» bald wieder ab. 1985 war schon wieder alles vergessen. Dazu trug auch der bekannte Historiker Georg Thürer bei, der in Teufen wohnhaft war. In einem Artikel über das 50-Jahr-Jubiläum der Firma in der «Appenzeller Zeitung» erwähnte er die Aufregungen um die Kontaminationen mit keinem Wort.

Die Geschichten von Teufen und Biel zeigen den früher sorglosen Umgang mit radioaktiven Stoffen, deren Risiken in der Vor-Tschernobyl-Ära noch wenig bewusst waren. Und das behördliche Verschweigen von unangenehmen Tatsachen. Das bis heute Usus geblieben ist.

Apropos: Die Firma Radium Chemie AG gibt es nicht mehr. Wohl aber eine Nachfolgerin. Sie stellt unter anderem immer noch Uhren-Leuchtfarben her. Aber mit Radioaktivität haben diese nichts mehr zu tun.

 

«RADIUM als Kurmittel im eigenen Heim. Der natürliche Weg zur Gesundheit!» Prospekt für «Dr. Diehls Radium Trinkapparate», für die der Apotheker Albert Zeller in Teufen den Alleinvertrieb für die Schweiz hatte, 1937. (Bild: Tüüfner Post)