, 13. Juli 2012
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Asylzentrum Landegg: Ruhe kehrt ein

Verschärfte Polizeimassnahmen, wertvolle Beschäftigungsprogramme, institutionalisierte Öffentlichkeitsarbeit und eine Verfahrensbeschleunigung sollen in der Bevölkerung Akzeptanz für das Asylzentrum Landegg schaffen. Darauf haben sich die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden geeinigt. In diesem Mai standen die Zeichen noch auf Sturm. In einigen St. Galler und Ausserrhoder Gemeinden in der Nachbarschaft des Zentrums wurde eine Bürgerwehr ausgerufen. […]

Verschärfte Polizeimassnahmen, wertvolle Beschäftigungsprogramme, institutionalisierte Öffentlichkeitsarbeit und eine Verfahrensbeschleunigung sollen in der Bevölkerung Akzeptanz für das Asylzentrum Landegg schaffen. Darauf haben sich die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden geeinigt.

In diesem Mai standen die Zeichen noch auf Sturm. In einigen St. Galler und Ausserrhoder Gemeinden in der Nachbarschaft des Zentrums wurde eine Bürgerwehr ausgerufen. Sie sollte die Asylsuchenden auf Schritt und Tritt verfolgen und allfälliges gesetzeswidriges Verhalten auf Video bannen, um es später der Polizei zwecks Strafverfolgung auszuhändigen. – Auslöser der Aktion: Einige BewohnerInnen des Zentrums fielen notorisch durch Einbrüche, Diebstähle, Belästigungen und Randale in der Öffentlichkeit auf. Das Ansinnen der Bürgerwehr schaffte es bis in die Medien. Und in rassistischen Internetforen im In- und Ausland wurde die Propagierung dieser Art von Selbstjustiz als mutig abgefeiert und zur Nachahmung empfohlen.

In der Bevölkerung gärte es

„Die Vorgänge in und um das Asylzentrum sind massiv übertrieben worden“, sagt der St. Galler SP-Regierungsrat und Vorsteher des Sicherheits- und Justizdepartementes, Fredy Fässler. „Aber in der Bevölkerung gärte es, obwohl nur eine Minderheit der Asylsuchenden Probleme verursachte. Die Gemeindebehörden waren über die Situation echt besorgt.“ Fässlers Ausserrhoder Amtskollege, der Vorsteher des Departementes Inneres und Kultur, FDP-Regierungsrat Jürg Wernli, kündigte umgehend Massnahmen an, um die gereizte Stimmung herunterzufahren. Diese Massnahmen sind gemeinsam mit dem Kanton St. Gallen beschlossen und jetzt auch umgesetzt worden. Dazu gehören eine starke Polizeipräsenz im Umfeld des Zentrums, der Ausbau der Beschäftigungsmöglichkeiten für die BewohnerInnen, eine institutionalisierte regelmässige Information der Wohnbevölkerung in den Gemeinden in der Nachbarschaft des Zentrums und das Hinwirken auf eine Verfahrensbeschleunigung, die zwar allein in der Verantwortung des Bundes – und somit ausserhalb der Kompetenzen der Kantone – liegt. Mit dem Massnahmenpaket soll vor allem die Sicherheit für die Einheimischen, das Personal im Zentrum und die Asylsuchenden selbst erhöht werden. Künftig sollen Letztere auch nicht mehr den ÖV, sondern eigene Shuttlebusse benützen, um Kontakte, d. h. Friktionen mit der Bevölkerung möglichst zu verhindern. Aus rein menschlicher Sicht, eine eher fragliche Massnahme.

Mehrheitlich Nordafrikaner

Die Landegg liegt teils auf St. Galler und teils auf Ausserrhoder Kantonsgebiet. Als Asylzentrum wird das ehemalige Kur- und Seminarhotel seit März 2010 vom Kanton St. Gallen betrieben, nimmt aber gemäss Leistungsvereinbarung auch Asylsuchende auf, die vom Bund Appenzell Ausserrhoden zugeteilt worden sind. Es stehen 125 Betten für Asylsuchende zur Verfügung. Die meisten der jetzigen BewohnerInnen kommen aus Nordafrika.

Ruhe für konstruktives Arbeiten

Fässler und Wernli haben am 13. Juli gemeinsam das Asylzentrum besucht und sich über die Umsetzung der Massnahmen informieren lassen. „Wir wollen, dass wieder Ruhe einkehrt und konstruktiv gearbeitet werden kann. Das ist auch bereits passiert“, meint Fässler. Gegenüber den anderen Asylzentren im Kanton St. Gallen sei die Landegg in einem sehr guten baulich Zustand. Die vorhandene Infrastruktur ermögliche eine zeitgemässe Betriebsführung. „In der Landegg gibt es eine modern eingerichtete Grossküche“, sagt Fässler. „Den Asylsuchenden werden Kochkurse angeboten. Geplant sind auch Kurse für Hauswartungen. Diese Angebote sind vor allem für Leute gedacht, die eine Perspektive haben, in der Schweiz Aufnahme zu finden.“ Fässler äussert sich überrascht über den Arbeitsfleiss bei den Asylsuchenden und beim Betreuungspersonal in der Landegg, aber auch in den anderen Asylzentren des Kantons. „Bei meinen Besuchen bin ich wirklich auf grosses Engagement aller Beteiligten gestossen. Ich habe das nicht erwartet.“ Die Beschäftigungsprogramme in den Zentren zielten laut Fässler auf eine Doppelwirkung ab: Einerseits sollten die BewohnerInnen eine Tagesstruktur erhalten, um sie vom Herumlungern abzuhalten. Andererseits werde den Asylsuchenden die Möglichkeit geboten, hier etwas zu lernen, das ihnen bei er Rückkehr in ihre Herkunftsländer nützlich sein könne.

Pizzaöfen aus Bommerstein

Im Asylzentrum Thurhof werden Fahrrädern repariert, und die BewohnerInnen können auch Näh- und Schneiderarbeiten erlernen. In der Neckermühle sind wie in der Landegg Kochkurse im Angebot und in Bommerstein werden einfache Pizzaöfen gebaut. „Das Brot, das darin gebacken werden kann, schmeckt vortrefflich. Ich habe es selbst probiert“, sagt Fässler.

Mit Repression wird nichts erreicht

Wir befragten Mitarbeitende beim Solidaritätsnetz Ostschweiz über die Massnahmen in der Landegg. Sie wollten sich nur persönlich und nicht offiziell dazu äussern. „Wir waren als Organisation nicht daran beteiligt, haben aber davon gehört“, sagen Susanne Jenny und Stefan Markwalder.  Beide meinen, dass mit verschärften polizeilichen Massnahmen und mit Repression allgemein nichts zur Verbesserung der Stimmung in einem Asylzentrum erreicht werden könne. Susanne Jenny sagt: „Wenn man als Mensch einfach nicht wahrgenommen und ins Abseits gestellt wird, ist das sehr bitter und mit ein Grund, warum Asylsuchende manchmal sehr aggressiv sind.“ Die Nordafrikaner, wie sie in der Landegg untergebracht seien, kämen meistens aus schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sie würden von ihren Familien nach Europa geschickt, in er Hoffnung, dass sie dort Geld verdienten und die Familie unterstützen könnten. Kämen diese Leute dann aber als Ausgeschaffte mit leeren Händen zurück, sei das für sie äusserst blamabel. – Stefan Markwalder ist überzeugt, dass Nordafrikaner in der Schweiz keine Chance hätten, Asyl zu erhalten: „Sie haben nichts zu verlieren. Das wissen sie und macht sie bestimmt auch wütend.“

 

 

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