, 31. Mai 2017
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Aufs Kleine, Kantige und Eigenwillige

Das fünfte Album von Odium & Thedawn heisst «Out und Arm» – ein trotziges Ding mit düsteren Beats und Texten aus dem Land des Wahnsinns. Diesen Freitag sind die zwei St.Galler in Herisau zu Gast.

Heiss, feucht & fröhlich: die Plattentaufe im «Fätt» am 19. Mai, Odium (links) und Thedawn. (Bild: co)

«Keine Liebeslieder, dafür geballter Trotz auf düsteren, eingängigen Beats», heisst es in der Beschreibung zum neuen Album von Odium & Thedawn. Out und Arm sei eine «50-minütige Rap-Tirade gegen hohe Rösser, Hipsterglump, blinden Wohlstand, Überwachung und verwahrloste Gehirne; gegen die verkehrte Welt». Da werde nichts schöngeredet und niemandem nachgelaufen.

Das stimmt, und so kennen wir Simon Furgler aka Odium auch: konsequent mit einem Bein in der Verschwörungstheorie und gerne mal «alte Zeiten» glorifizierend. Technisch stets einwandfrei, was bei Rap aus der Ostschweiz nicht immer der Fall ist. Und wenn man sich die Texte genauer anhört, wird auch klar, dass Odium nur bedingt reaktionär oder verschwörungstheoretisch drauf ist, sondern vor allem kritisch. Allem und allen gegenüber, am meisten sich selbst.

Ein Album, eine Haltung

Für ihr fünftes Album haben sich Trilogy’s Odium und der wunderbare Beatbastler Thedawn (Nils Halter) ganze fünf Jahre Zeit gelassen. Das hat sich gelohnt, denn Out und Arm wirkt reifer, raffinierter und auch inhaltlich vehementer als ältere Kooperationen. Nicht, dass die alten Sachen schlecht wären, im Gegenteil, aber wenn frau schon fünf Jahre lang warten muss, erwartet sie auch eine musikalische und textliche Entwicklung – nicht denselben Shit wie vorgestern.

 

«Dägägä si isch a) min Drang und b) min Stil», rappt Odium in 1984. Diese Haltung zieht sich durch das ganze Album – mit der nötigen Portion Selbstironie zum Glück, aber heutzutage geht das ja auch gar nicht mehr anders. Manchmal äussert sich dieser Trotz in träfen antikapitalistischen Lines wie «So wönds s’letscht Hemd geh, für e System, wo’ne wird s’letscht Hemd neh» – manchmal wiederum mit eher irritierenden Statements wie «Hüt sind d’Maitle Buebe und d’Buebe Maitle». Wo ist das Problem, Alter? Endlich können alle alles sein und das ist gut so!

Pfrässi, Flows Powers

«Provokation ja, aber nicht um der Provokation willen.» Das ist (und war immer) Odiums Motto. Unter anderem. Ein schmaler Grat zwar, aber im Rap gehört diese Attitüde nunmal zum Tagesgeschäft. Und in seinem Fall kann man das getrost unterschreiben, denn verglichen mit Clowns wie Flows Powers, die nichts können ausser haten und trollen – man schaue sich zum Beispiel diesen unsäglichen Post zum Weltfrauentag an –, haben Odiums Provokationen wenigstens einen mehr oder weniger reflektierten Unterbau, was Tracks wie Weltling, Unmatched, Fichenzeichen XY, Out und Arm oder Trott zeigen.

Odium & Thedawn: Out und Arm. Erschienen bei Zona 167 Produzioni, erhältlich als MP3 und Doppel-Vinyl.

Ausser vielleicht der Diss-Track gegen Knakeboul, der schiesst etwas übers Ziel hinaus. (Eine «Disziplin» übrigens, die auch Flows Powers virtuos beherrscht – seine mutmasslich einzige.) In Diss jedenfalls rappt Odium darüber, wie Knackeboul vom «Zambo»-Kinderstar zum Rapper wurde, verurteilt ihn als «Hobbyphilosoph» und «Schweizer Justin Timberlake» und empfiehlt ihm zum Schluss, aus dem Fenster zu springen. Kann man machen, ist aber auch reichlich abgedroschen, solange die Kritik substanzlos bleibt. Es gäbe bessere Projektionsflächen, wenn es um die Abgründe der Musikindustrie und dem dazugehörigen Game geht. Gerade im Rap.

Heiss, stickig und mehr als feuchtfröhlich

Diesbezüglich sind Odium & Thedawn bekanntlich sehr konsequent. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden schon seit Jahren hätten gross (oder zuminsest grösser) rauskommen können. Aber sie ziehen das Kleine, das Kantige und Eigenwillige vor. Entsprechend war auch die Plattentaufe im «Fätt» am 19. Mai: eine halbwegs geheime Show für Fans und Eingeweihte, fach- und sachkundig eingeführt von Doppia Erre, auf dessen Label Out und Arm auch erschienen ist.

Odium & Thedawn live:
2. Juni, 22 Uhr, Café C, Herisau.

Es war verdammt heiss, stickig und mehr als feuchtfröhlich in diesem Keller. Aber trotz dem ganzen Trubel – man könnte die Party auch als «Klassentreffen» bezeichnen – waren zwei Dinge einmal mehr nicht zu leugnen: Kaum einer flowt so nice wie Odium auf St.Gallerisch. Auch live. (Abgesehen vielleicht von «Onkel» Microbatik, der auch einen Freestyle zum besten gab – den ersten seit langem.) Und: Die epischen-düsteren Thedawn-Beats sollte man sich idealerweise live oder mit Kopfhörern geben.

Bleibt noch der Wunsch für die Zukunft: Bitte mehr Trap, Bass und söttigs! Dass Odium & Thedawn auch dieses Subgenre beherrschen, ist nämlich spätestens seit dem Konzert von Ocean Wisdom letzten Dezember bekannt, für das sie alte Tracks neu vertrappt haben.

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