, 3. Januar 2021
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Blutgruppe Rap

Shaquille Bernhard alias Rapture Boy hat das Zeug zum Rapper, sagen sein Producer Alex Amiel und DJ Caesar. Die BandXost-Jury sieht das ähnlich. Besuch bei den Jungs im Studio im St.Galler Lachen-Quartier.

«Newcomer» mit diversen Releases: Rapture Boy. (Bilder: pd)

Rapture Boy hat Ende November den Ostschweizer Nachwuchswettbewerb BandXost gewonnen, dieses Jahr corona-bedingt leider nur per Stream mitzuverfolgen. Es war Zeit, dass nach 15 Jahren endlich ein Rapper das Rennen macht. Das BandXost war bis anhin eher gitarrenlastig aufgestellt, was zwar völlig okay ist, aber die musikalischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte eben nur bedingt widerspiegelt. Und zugunsten der Jury muss man auch sagen, dass das Ostschweizer Rap-Material am Wettbewerb in den letzten Jahren doch eher dürftig war.

2020 nicht. Mit Rapture Boy steht einer auf die Bühne, bei dem man sich fragen kann, was der überhaupt zu suchen hat an einem Nachwuchswettbewerb, so abgeklärt und in seinem Element wie er wirkt auf der Bühne in seinem Chirurgen-Dress. Hinter ihm prangt eine grosse Blache mit der Aufschrift «Bloodtype Rap». Er und DJ Caesar tragen Haube und OP-Bekleidung.

 

Die Performance hat es in sich, auch ohne grosses Live-Publikum ist die Energie in der Grabenhalle spürbar. Viel 90ties Eastcoast und Boombap, aber auch zeitgenössischere Styles sind dabei. Rapture Boy scheint in vielen Sub-Genres zuhause. Ebenfalls unterhaltsam: seine kurze Freestyle-Einlage zum Schluss. Da beweist der 26-jährige, dass er mehr draufhat als satte Studio-Tunes und Eingeübtes. Rappen halt. So überrascht es nicht, dass wir ihn kopfnickend und in handgeschriebenen Zeilen versunken vorfinden, als wir uns im Studio von Amiel Entertainment zum Gespräch treffen. «Ah, schon halb sieben? Kommt rein!», sagt er und strahlt.

«Newcomer» mit mehreren Releases

Amiel Entertainment, 2012 gegründet, ist das Label und Studio der Brüder Alexander und Sebastian Amiel und des österreichischen Produzenten Marco Danner. Gunda Wechee (früher bei Madd Family) oder auch Monet192 haben schon hier produziert, Amiel bietet aber Recordings, Mixings und Masterings für alle Genres an. «Letzten Monat haben wir zum Beispiel ein Kinderlied produziert», sagt Alex Amiel. Das Studio im St.Galler Lachen-Quartier sei nicht nur Arbeitsstätte, sondern auch ein Treffpunkt. Auch Rapture Boy ist vor Jahren zufällig hier gelandet, nach einer Party für ein bisschen Freestyle.

So hat es angefangen. Danach ist schnell Struktur in die Sache gekommen. Rapture Boy und Amiel arbeiten seit 2014 zusammen, er hat auf dem Label schon zwei Alben (Two Sides Of A Story, 2017 und Musica E Poetica, 2018) und eine EP (Train Of Thought, 2019) herausgebracht, Videos inklusive. Soviel zum Thema «Newcomer». Auch sein Auftritt am BandXost war minutiös geplant, wie die Flipchart mit dem Konzept über dem E-Piano verrät. Nicht ganz nach Plan lief die Veröffentlichung seiner jüngsten EP, wegen Corona wurde sie verschoben. Verständlich ohne Live-Auftritte. Neu soll sie im Frühling 2021 erscheinen. «Dann kommen wir dafür mit voller Wucht zurück», sagt Rapture Boy.

Eingespieltes Team: DJ Caesar und Rapture Boy am BandXost-Final

Neben Alex und Rapture Boy, der eigentlich Shaquille Bernhard heisst und den alle nur Shaq nennen wie den ehemaligen Basketballer und Rapper, ist auch Alhaji Mansaray alias DJ Caesar im Studio. Wenn er nicht gerade Rapture Boys Backup ist auf der BandXost-Bühne oder anderen Auftritten, arbeitet der 19-jährige St.Galler als Bankkaufmann und studiert nebenbei BWL. Auch Shaq ist noch in Ausbildung, wenn alles klappt, ist er im Sommer diplomierter Hotelfachangestellter.

Englisch als Pluspunkt

«Shaq hat einfach das Zeug zum Rapper», sagt DJ Caesar. «Sein Sound ist fresh und für die Schweiz eher ungewohnt, darum wollte ich unbedingt mit ihm zusammenarbeiten. Die Vibes stimmen total und ausserdem kann ich bei der Arbeit mit ihm viel Neues lernen.» Auch Alex schwärmt von seinem «Schützling». Eine richtige «Maschine» sei er, sagt der Produzent und lacht. «Du kannst ein paar Beats auflegen und er spittet stundenlang durch, kommt voll aus sich raus und reisst alle mit. Manchmal muss man ihn richtig zurückhalten. Das macht einen guten Rapper aus.»

Dass Rapture Boys Muttersprache Englisch ist, dürfte ein weiterer Pluspunkt sein. Es verleiht ihm einen internationalen Anstrich. Nicht dass (Ost)schweizerdeutscher Rap schlechter wäre, aber er hat es tendenziell etwas schwerer, was man unter anderem auch daran sieht, dass französischsprachige Acts wie La Base & Tru Comers oder KT Gorique im Osten mehr als gern gehört und gebucht werden. Allerdings muss man einwenden, dass die Rap-Szene in
der linken Hälfte der Schweiz auch grösser ist als die hiesige, sonst wäre das Verhältnis wohl ausgewogener. Oder auch nicht. Alles steht und fällt ja mit der Qualität.

Bei Rapture Boy stimmt sie. Man könnte vielleicht kritisieren, dass er etwas gar im 90ies-Eastcoast-Flow festhängt – «the real shit», wie er sagt –, obwohl er noch andere Facetten beherrscht, aber das ist Geschmackssache. Zudem feiern wir das x-te 90ies Revival und viele haben eine Überdosis vom Trap- und Emo-Genre, das jahrelang sehr dominant war. So gesehen trifft Rapture Boy durchaus einen Nerv der Zeit – aber das ist ihm ohnehin wurst. «Ich mache nicht das, was andere wollen oder sich gut verkauft, sondern das, was ich liebe», sagt er selbstbewusst und die Jungs rundherum nicken. «Die Energie muss stimmen, das ist die Hauptsache.»

 

Dass er gut auch anders kann, zeigt Shaq unter anderem im Track Retribution, den er auch in der Grabenhalle performt hat. «Flexibel zu sein ist mir wichtig», sagt er, «ich will mich weiterentwickeln und immer neue Styles und Genres auszuprobieren.»

Zu dieser Einstellung passt auch seine jüngste Singleauskopplung, Time Now, die am 4. Dezember erschienen ist und von der es am BandXost ebenfalls eine Kostprobe gab. Sie ist poppiger als seine anderen Sachen, «radiotauglich», wie Alex sagt. Was aber nicht heisst, dass sie auch inhaltlich behäbig ist. Der Text ist «concious», wie die meisten von Shaq, erzählt von Ängsten, die man ablegen und Entbehrungen, die man erleiden muss auf dem Weg zu sich selber.

«Schwäche zu zeigen ist eine Stärke»

Geht es nach ihm, sollte öfters über diese Themen gerappt werden: «Das echte Leben in der Schweiz, Zwischenmenschliches, soziale oder mentale Probleme. Man darf keine Angst vor sich selber haben», sagt der Rapper. «Schwäche zu zeigen, ist auch eine Stärke.»

Rapture Boy: Write Your Own Way erscheint im Frühling.

raptureboy.ch
Instagram: iamraptureboy

Er weiss, wovon er spricht, denn auch in seinem Leben gab es Brüche und die thematisiert er auch. Der Tod seines Onkels Andre zum Beispiel, der ihn damals zum Rap gebracht hat. Oder der Umzug 2013 von Kapstadt nach St.Gallen. Er hatte zwar frisch das Abitur in der Tasche, aber das politische Klima in Südafrika wurde zunehmend harscher, also zog er zu seinen Grosseltern in die Ostschweiz. «Der Anfang war etwas schwer», sagt Shaq, «die Schweizer sind weniger offen als die Leute in Südafrika. Aber durch die Musik habe ich gute Freunde gefunden – und mittlerweile in der Schweiz eine zweite Heimat, auch wenn ich meine Eltern oft vermisse.»

«Aus allem das Beste machen» ist seine Devise. Und jetzt sowieso; die Stimmung im Studio von Amiel Entertainment ist trotz der Pandemie und den fehlenden Live-Auftritten bestens, nicht zuletzt dank dem BandXost-Sieg. Shaq, Alex und DJ Caesar wirken auch zehn Tage danach noch beflügelt und freuen sich jetzt auf den Schlussspurt für die EP Write Your Own Way. «Die Tracks sind fast alle fertig produziert», sagt Alex und rückt die Maske zurecht. «Fehlt nur noch der Feinschliff, dann können wir durchstarten.» Dann hoffentlich auch wieder mit Live-Konzerten, damit sich alle ein eigenes Bild von der nicen Bühnenpräsenz des Band-Xost-Siegers machen können.

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