, 12. Mai 2014
10 Kommentare

Das bessere St.Gallerfest

Zum dritten Mal fand am Wochenende in St. Gallen das Strassenfestival «Aufgetischt» statt. 30 Künstlergruppen, von Akrobatik über Musik bis Kabarett bespielten die südliche Altstadt. Das Publikum feierte ein echtes St. Gallerfest, meint Felix Mätzler.

Wer in der Altstadt von St. Gallen wohnt, weiss: Immer Mitte August heisst es für die Anwohner: Schotten dicht machen und ausziehen! Das St. Gallerfest macht die Stadt nieder, mit Bum-Bum-Musik, mit Kommerz und Kitsch, mit Besoffenen, die die Nacht rumlärmen und einem zum Abschied vor die Haustüre kotzen.

Inhalt statt Festmeile

Einen Gegenentwurf zum inhaltsleeren Besäufnis im August bietet seit zwei Jahren das Strassenfestival «Aufgetischt» anfangs Mai. In Jahre 2012 im Rahmen des Gallusjubiläums erstmals durchgeführt, hat es sich bereits etabliert. 30 Künstlergruppen aus aller Welt haben am 9. und 10 Mai die südliche Altstadt bespielt, für Hutgeld, Kost und Logis. «250 Gruppen haben sich beworben, doppelt so viele wie letztes Jahr», sagt Christoph Sprecher, Präsident des Vereins Aufgetischt. Nächstes Jahr erwarten die Veranstalter etwa 400 Bewerbungen, denn «unser Festival hat in der Szene bereits einen guten Ruf».

Das Strassenfestival kommt auch beim Publikum an. Rund 35’000 Menschen liessen sich dieses Jahr anlocken, und das Wetter spielte mit. Angenehme Temperaturen und kaum Regen – keine Selbstverständlichkeit im Hochtal anfangs Mai.

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«Aufgetischt» zeigt auf, wie man ein St.Gallerfest auch feiern könnte: Man nehme einen Inhalt (Strassenkunst) und gruppiere die Festmeile drum rum – und nicht umgekehrt. Das ergibt ein ganz anderes Publikum: «Wir machen das Festival zum dritten Mal und hatten noch keine einzige Schlägerei», sagt Veranstalter Sprecher. Die Stadtpolizei habe genau eine zusätzliche Zweierpatrouille unterwegs, das sei alles, was es an Security brauche.

Irgendwann ist fertig

Ebenfalls angenehm – und das wissen auch die Anwohner zu schätzen: Das Strassenfestival ist irgendwann mal fertig, nämlich um 23 Uhr. «Wenn ich abends um zehn Uhr durch die Gassen ziehe, beginnt an einigen Orten die Stimmung schon zu kippen», sagt Christoph Sprecher; «wenn wir bis in die frühen Morgenstunden ausschenken würden, hätte wir auch Probleme mit Besoffenen.»

Im Jahre 2012 war «Aufgetischt» noch Bestandteil des Gallusjubiläums, die letzten zwei Veranstaltungen trug der neu gegründete Verein auf eigenes finanzielles Risiko mit dem Migros Kulturprozent als Hauptsponsor («die Stadt unterstützt uns, der Kanton nicht»). Natürlich müsse man auch kommerziell denken, sagt Christoph Sprecher. Auf die Beobachtung angesprochen, dass dieses Jahr bereits etwas gar viele Schnitzel-Brot-Buden die Festmeile säumten, relativiert er: «Wir haben nicht mehr Stände als die letzten zwei Jahre, und wir achten darauf, dass wir erlesene Angebote auswählen.»

Das Strassenfestival «Aufgetischt» findet auch nächstes Jahr statt: am 8. und 9. Mai.

10 Kommentare zu Das bessere St.Gallerfest

  • Apostel sagt:

    Das Fest an sich und die verschiedenen Künstler_innen gefallen. Dass das Festival aber mal eben für ein ganzes Wochenende die ganze Stadt reservieren kann und gleichzeitig mit „öffentlichem Raum“ und „Strassenfestival“ kokettiert, nervt!

  • Das SGFest durch 1 solches Gauklerfest zu ersetzen, wär 1 Segen. V.a. auch für uns eh schon lärmgeplagten Innenstadtbewohner. (der Nachtlärm hat enorm zugenommen in den letzten Jahren).

  • Urs sagt:

    Liebe Andrea Martina Graf
    Man wohnt nicht in einer Stadt wenn man über Nachtlärm klagen möchte….

    • Lieber Urs
      Wo wohnt man denn, wenn man über Nachtlärm klagen möchte?

    • Andrea Martina Graf sagt:

      @Urs
      Wir zogen vor mehr als 20 Jahren in die Innenstadt. Der Nachtlärm hielt sich noch in Grenzen. Wer nicht selbst in der Stadt wohnt, kann sich wohl kein Bild machen, wie laut es nachts v.a. an Wochenenden zugeht. Da wird nicht nur gegrölt, sondern auch gebrüllt, gekreischt. Gäb’s keinen Alkohol, würd Nachtlärm massiv zurückgehen.

    • Jonathan sagt:

      Hab’s schon länger befürchtet, scheint eine Tatsache: Es gibt Leute, die die Stadt nur noch als Konsummeile sehen. Einkaufen, chillen, Musik hören, Filme anschauen, grölen, saufen, kotzen, pissen, lustig sein. Dass die Stadt aber auch zum Wohnen da sein soll, wird bestritten, dass hier Leute wohnen ignoriert. Was kümmern mich die anderen? Ich will jetzt alles das haben, was mir Spass macht. Da sind offensichtlich auch gewisse Saitenkonsumenten keinen Deut besser als alle anderen. Mich würde das Resultat einer Umfrage in Saiten interessieren, die in etwa so lauten könnte: Soll die Innenstadt St. Gallens auch Wohnraum sein für Singles, Paare, Familien, Azubis und alle anderen? Urs und Apostel würden ja dann klar outen: NEIN! Andrea und ich hingegen klar JA! Unentschieden… Helfen könntn dabei sicher die Sozialraumtheoretiker, die die Schnittstellen nicht sehen resp. sträflich vernachlässigen.
      Ich bin dem guten Rat von Urs gefolgt, nachdem ich die Schnautze voll gehabt habe vom Kotze und Pisse putzen am und im Hausgang: Wegzug ins nahe Appenzellerland, pendeln, Steuern sparen. Kann’s und soll’s das gewesen sein?

      • Apostel sagt:

        Das ist dann doch ein bisschen sehr schwarz weiss, zumal du die Ironie meines Beitrages nicht ganz geschnallt hast. Natürlich muss in der Stadt Raum sein für (primär preiswerte) Wohnungen, sogar dringend! Alles besser als Banken, Parkhäuser und grosse Einkaufsläden.
        Und natürlich hat der Kulturkonsum, bzw. die Konsummentalität enorm zugenommen. Dazu gehört, dass die Stadt als eine Art Club betrachtet wird. Dazu gehört eben auch das fehlende Verständnis dafür , dass Kultur mitgestalten bedeutet. Die meisten wollen die Stadt nicht mitgestalten, sondern deren Angeboten konsumieren. Da muss man dagegen halten. Genauso wie gegen die Spiesser und gutbürgerlichen Pappnasen, die sich in der Stadt einnisten und sensibel auf alles reagiert, was ein bisschen lauter, dreckiger, frecher, unkonventioneller, schräger ist.

        • Jonathan sagt:

          Mit der Ironie ist das so eine Sache … Es heisst so schön: Die Nachricht entsteht beim Empfänger. Und vielleicht bin ich ja auch ein wenig zu sensibel.
          Aber soweit so gut, lieber Apostel. Das wichtigste Wort in deiner Rückmeldung ist für mich das „bisschen“. Gegen ein bisschen mehr hat ja niemand etwas. Aber was in den letzten Jahren bei gewissen Partygängern so abgeht bzgl. Arroganz, Intoleranz, Egoismus, Aggressivität, etc. sprengt den Rahmen. Jetzt kann man natürlich wieder diskutieren, wer denn diesen Rahmen vorgibt und ob es überhaupt Rahmen braucht. Mein Rahmen (ja, ich befürworte das) lautet in etwa: „Ich verhalte mich andern gegenüber so, wie ich es selbst gerne hätte.“ Und wenn ich nicht gerne Kotze und Pisse im Hausgang habe, kotze und pisse ich eben nicht in Hausgänge. Wenn also die Partygemeinde das Wohnen in der Innenstadt befürwortet, muss sie sich halt ein bisschen zügeln. Jetzt können wir über dieses „bisschen“ diskutieren 🙂

  • Andrea Martina Graf sagt:

    danke, lieber Jonathan!

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