, 16. Februar 2014
3 Kommentare

Der Goalie triffts

«Der Goalie bin ig» nach dem Roman von Pedro Lenz sorgt für volle Kinosäle. Am Samstag war der Autor im Kinok zu Gast.

Einer, der «suuft wie nes Sänkloch, alli apumpet u ke Job het» hats den Schweizer Filmkennern angetan. Ganze sieben Nominierungen erhielt die Verfilmung von Pedro Lenz’ Roman «Der Goalie bin ig» an den Solothurner Filmtagen, darunter in der Kategorie als bester Schweizer Spielfilm.

In der Schweizer Halb-Agglo

Die Tragikomödie um den Gelegenheitsdrögeler und Hänger Ernst, von allen nur «Goalie» genannt, spielt im langenthalischen Provinzmilieu. Der sympathische Looser «Goalie» übernimmt für Ueli, seinen Freund seit Kindertagen, einen Drogentransport. Dabei wird er geschnappt und landet in der Kiste. Als er ein Jahr später aus der Haftantstalt Witzwil entlassen wird und in sein Leben zurückkehrt, versucht er ein halbwegs bürgerliches  Leben mit regelmässigem Job aufzubauen und bezirzt in der Dorfbeiz die Serviertochter Regula (Sonja Riesen), die allerdings schon lätz liiert ist.

Hauptdarsteller Marcus Signer, der bereits in «Mary & Johnny» als prügelnder Ich-Erzähler glänzte, verkörpert den Goalie grossartig. Sein gutmütig verschmitzter Charme wird bestens ergänzt durch die sorgfältige Ausstattung der 1980er Jahre. Sabine Boss («Ernstfall in Havanna», «Das Geheimnis von Murk») gelingt eine stimmungsvolle Verfilmung von Lenz’ Roman  der – abgesehen vom Dialekt – irgendwo in der Schweizer Halb-Agglo spielen könnte. Abgerundet wird das Ganze von einem bestechenden Soundtrack, zu dem Züri West den Titelsong beigesteuert hat, der Film in der Gesamtheit ist emotional und lässt den Grossteil des Publikums mitleiden.

Die Nagelprobe von Langenthal

Am Samstag Abend nun ist Pedro Lenz im Kinok zu Gast, Marcel Elsener vom St.Galler Tagblatt führt das Gespräch mit ihm. Am nervösesten sei er gewesen, als der Film dem Langenthaler Publikum vorgeführt wurde, sagt Lenz. Doch bis auf ein paar Kleinigkeiten sei er gut angekommen. «Der Goalie bin ig» stiess also nicht nur bei der Jury der Solothurner Filmtage auf Anerkennung. Der Film ist für hiesige Verhältnisse denn auch sehr gut gestartet, in der ersten Woche nach Filmstart sahen ihn bereits über zehntausend Personen. Damit löst er «Akte Grüninger ab», der wie «Goalie» von derselben Produktionsfirma C-Films produziert wurden.

Wie Pedro Lenz im Gespräch mit Elsener darlegt, wollte er die Filmrechte nicht einfach verkaufen, sondern sich in der Umsetzung auch einbringen. Dies tat er nebst einem Kurzauftritt als Drogendealer vor allem in Form einer Mitarbeit beim Drehbuch, was zu einigen Diskussionen um sprachliche Details führte. Insbesondere habe er sich dafür eingesetzt, dass bestimmte Formulierungen aus dem Buch erhalten blieben. Das hat sich gelohnt: Die Finessen des Films liegen auch im Humor von Lenz’ Sprache. Der von Elsener kritisch hinterfragte leichte Kitschanteil der Dialoge wird mit gezieltem Humor gerade noch rechtzeitig abgewendet – Humor als Korrektur, hier funktionierts.

«Der Goalie bin ig»: läuft bis Ende März Kinok St.Gallen.
Infos: Website des Films   / Pedro Lenz

 

3 Kommentare zu Der Goalie triffts

  • Andreas Niedermann sagt:

    Ja, Leute die saufen, alle anpumpen und keinen Job haben, die mag man eben, vor allem im Kino, wo sie ja auch hingehören. Und so eine pastorale Literatur isch au super, wo’s so schö hämelig isch und man sich der Provinz richtig wohlig hingeben kann, ohne dieses lästige, fremde Deutsch. So wie Country auf Mundart, „Köntri womä västoht“, und all das hat natürlich überhaupt nichts mit der fortschreitenden Provinzialisierung des Landes zu tun oder gar mit der letzten Wahl, überhaupt nicht das Geringste …

    • Wolfi Steiger sagt:

      Du wühlst in einer verdammt frischen Wunde, Andreas. Ich bin mit deiner Interpretation von Provinz und Mundart nicht einverstanden. Dr Goalie kommt aus der Spoken Word-Bewegung und hat nichts mit der heimattümelnden Mundartliteratur aus der Zeit der geistigen Landesverteidigung zu tun, wie du unterstellst. Es gab schon früher Schriftsteller, die in Mundart schrieben, die nicht in die rechte Ecke zu drängen sind. Etwa der Antifaschist C.A.Loosli aus Bern-Bümpliz oder aus Herisau Walter Rotach (1872 – 1926), dessen Roman „Vo Ärbet, Gsang und Liäbi“ erst gerade wieder neu aufgelegt worden ist. Übrigens erinnert die Figur des Goalie an die Protagonisten deiner 80er Roman-Trilogie „Stern“, „Stümper“ und „Sauser“. Das hast du auch gemerkt, spürt man deiner Reaktion an. Das mit der fortschreitenden Provinzialisierung nach der Abschottungsinitiative, die du uns blühen wird, könnte wohl zutreffen. Spoken Word-Literatur arbeitet dem aber eher entgegen.

  • Andreas Niedermann sagt:

    Möge ich falsch liegen und du richtig, lieber Wolf, und vermutlich ist es diesem Fall gar so, und ich hab mir den Falschen herausgezerrt und geohrfeigt, stellvertretend, und als Prophylaxe gedacht. Man sollte sich nicht zuviel von der Lietratur erwarten, auch nicht von Spoken-Word, die ja keine Literatur ist, sondern eben Gesprochenes.
    Wie auch immer, ich reagiere allergisch auf forcierte Mundart, und ich habe kürzlich, als Juror des IBK eine Menge Spoken-Word in die Ohren gekriegt, tolle Dinger fast alle, bis auf einen Mundartvortrag.
    Ich bleibe dabei: Die Mundartisierung ist mehr als suspekt, ob sie jetzt antifaschistisch oder heimattümelnd daherkommt, sie ist in beiden Fällen ziemlich öd und langweilig, außer in den Songs von Polo Hofer und Mani Matter. Und da gehört sie auch hin. In die Songs. Schreiben tun Deutsch-Schweizer deutsch.

    Und zur Reminiszenz an die Verklärung von Typen die saufen, rauchen und alle anpumpen: Die Verehrung war damals Heuchelei und sie ist es noch. Das ist Kino. Oder Literatur.

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