, 28. November 2014
16 Kommentare

Der St.Galler Stadtbaumeister geht

Die Wahl vor fünf Jahren hatte Signalwirkung: Als der einheimische Architekt Erol Doguoglu zum St.Galler Stadtbaumeister gewählt wurde, versprach er, sich für die Verbesserung der Baukultur stark zu machen. Jetzt sieht er keine Aussicht auf Erfolg mehr – und wird Kantonsbaumeister im Thurgau.

Es ist eine lange Liste von Versäumnissen, die dazu geführt hat, dass man in der Stadt St.Gallen – seit Jahren schon – von einem «Mangel an Baukultur» spricht. Dabei bedeutet Baukultur nicht, Fassaden zu verschönern, sondern die Stadtentwicklung – samt der öffentlichen Räume – mitzugestalten. Früher gab es für solche Aufgaben auch hier ein Bewusstsein: 1992 erhielt die Stadt den Wakkerpreis für ihre «vorbildlichen Gesamtplanungen, die helfen, Bauherren und Architekten von den Vorzügen rücksichtsvoller und qualitativ hochstehender Einordnung in die Umgebung zu überzeugen». Treibende Kraft war damals der verstorbene Stadtbaumeister Franz Eberhard. Und Hochbauamt und Stadtplanung gehörten noch zusammen. Danach ging diese Kultur immer mehr verloren.

dogouglu-294Als Erol Doguoglu als Einheimischer und als zuvor aktiv planender und bauender Architekt zum Stadtbaumeister ins Amtshaus (Bild) gewählt wurde, sprach man in den Fachverbänden und im Architekturforum Ostschweiz von einer Signalwirkung. Doguoglu hatte sich vorgenommen, die Baukultur wieder zu fördern, um den schlechten Ruf zu beseitigen. Doch zuletzt sah er offensichtlich keine Möglichkeiten mehr, echte Verbesserungen zu erreichen.

Kaum Gestaltungsspielraum

Die Gründe für seinen Abgang seien vielfältig:

  • Heute überprüfen in St.Gallen Finanzexperten die Bauprojekte, um Kosten zu optimieren, und kümmern sich dabei nicht um die Planungsabläufe und die Architektur.
  • Das Hochbauamt konnte schon seit zwei Jahren keinen Wettbewerb mehr ausschreiben.
  • Die Baubewilligungsbehörde soll verkleinert werden und der Stadtbaumeister soll dort künftig nicht mehr dabei sein.
  • Die langen Diskussionen über eine engere Zusammenarbeit von Hochbau, Stadt- und Verkehrsplanung führten zu keinen greifbaren Resultaten.
  • Das Sparprogramm hat dazu geführt, dass längst vorbereitete Projekte wie der Neubau des Schulhauses Riethüsli oder die Sanierung des Waaghauses auf den St.Nimmerleinstag verschoben sind.
  • Die neue Marktplatzvorlage verzichtet weitgehend auf eine neue Gestaltung und berücksichtig fast nur noch die Anforderungen des öffentlichen Verkehrs. Gleichzeitig macht sie das umstrittene Parkhaus möglich.
  • Der Stadtrat wollte bisher für den «Klubhaus»-Kauf trotz bester Lage am Bahnhof kein Geld freigeben, obwohl es sich dabei um eine für die Stadtentwicklung strategisch wichtige Liegenschaft handelt. Auch darum geriet die Stadtregierung in die Kritik, sie betreibe keine aktive Liegenschaftspolitik. Sie habe sich das Güterbahnhofareal vor der Nase wegschnappen lassen und dem Kanton innert weniger Tage und ohne Auflagen das Areal Platztor verkauft.
  • In die Kritik geriet auch die Baudirektorin, die Forderungen und Einwände allesamt «interessant» findet und die möglichst oft allen Seiten recht gibt, die aber die Entscheide dann doch den Verwaltungsjuristen überlässt.

Rasch drehendes Personenkarussell

Mit der Suche nach einem neuen Stadtbaumeister muss sich der Stadtrat erneut mit einer Kader-Personalie in der Direktion Bau und Planung befassen. Erol Doguoglus Vorgängerin, Wiebke Rösler, war nur vier Jahre im Amt. Helen Bisang, die frühere Leiterin der Stadtplanung, war nach fünf Jahren weg. Vielleicht überlegt sich der Stadtrat nun, ob es Gründe für dieses rasch drehende Personenkarussell gibt. Entsprechende Fragen gab es schon einmal 2009. Bereits damals fielen die personellen Wechsel auf. Es würden sich keine Änderungen an der internen Organisation aufzwingen, sagte damals der Direktionssekretär Bau und Planung dem «St.Galler Tagblatt». Seither haben die Stadträtin und das Kader-Personal wieder gewechselt – der Direktionssekretär ist der gleiche.

Erol Doguoglu übernimmt im nächsten Juni das Amt des Kantonsbaumeisters im Thurgau. Dort hatte Amtsvorgänger Markus Friedli 15 Jahre lang mit einer weit herum gelobten Wettbewerbskultur Bauten realisiert, die in Architektenkreisen bekannt sind. Darunter den Campus der Pädagogischen Hochschule in Kreuzlingen, die Umbauten für die Kantonsbibliothek und des Regierungsgebäudes oder das Staatsarchiv in Frauenfeld. Die neue Thurgauer Baudirektorin Carmen Haag hat ihrerseits betont, sie wolle diese Baukultur weiter fördern – ein Klima, das Erol Doguoglu in St.Gallen vermisste.

16 Kommentare zu Der St.Galler Stadtbaumeister geht

  • Don sagt:

    Wirklich schade, aber absolut verständlich. Unter diesen Voraussetzungen war dies leider nur zu erwarten! Das sich das Karussell munter weiter dreht verwundert auch nicht. Es wäre längst überfällig dass im Direktionssekretariat eine Veränderung stattfindet! Wer nicht blind ist sieht schon seit langem wer in diesem Departement das Sagen hat….

  • Peter Hubacher sagt:

    Traurig aber wahr! St.Gallen mutiert damit städtebaulich- und architektonisch-mental zur kleinstmöglichen Kleinstadt. Oder dies ist nun zumindest die definitive Bestätigung dafür. Jammerschade! Jammerschade!

  • Chrigel sagt:

    Tschüss.

  • Erol Doguoglu fühlte sich für seine Stadt verantwortlich. Es wird sich kaum jemand finden, der in diese Aufgabe soviel Herzblut stecken wird. Beim Durchsehen der Investitionsplanung der Stadt St. Gallenwird jedem klar, hier wird nicht mehr gebaut, nur noch verwaltet und ein Minimum an Unterhalt durchgeführt. Die bürgerliche Mehrheit im Stadtrat verunmöglicht ein langfristiges Vorgehen, ein aktives innovatives. Nur Sparen, damit die Verschuldung nicht ansteigt, das bringt uns nicht weiter. Die Stadt verkommt zur Provinzstadt. Ich kann nachvollziehen, dass er die Direktion Bau und Planung verlässt.

    • Chrigel sagt:

      Der Stadtrat setzt «nur» um, was ihm gesagt wird. Und das Budget sagt ihm, was zu tun ist. Teufelskreis. Wer peitsch immer ein Budget durch, das teils massiv über die Stränge schlägt? Sicherlich nicht die Bürgerlichen.

  • Macbes sagt:

    Architects may come and
    Architects may go and
    Never change a point of view.
    When I run dry
    I stop awhile and think of …..

  • Mäggi sagt:

    wie andere schon geschrieben haben, sehr schade. fahre für die Arbeit jeweils täglich am Lerchenfeld vorbei. Der Bau erinnert mich innen wie Aussen an einen alten Plattenbau aus dem früheren Ostblock. Zum schämen, aber halt wohl der Massstab in St.Gallen.
    Das Geld gibt man dann lieber für Missplanungen aus, die man dann wieder rückgängig macht. Wieviel mal hat man jetzt den Klosterplatz schon umgebaut, einmal schört man auf Kopfsteinpflaster, dann gehts retour und nochmal etwas näher an den Ursprungszustand.
    Wie in anderen Sparten auch, darf man sich als Bürger schon wundern, wie Zustände Jahre (oder Jahrzehnte) lang im Argen liegen können, ohne dass es Konsequenzen gibt

  • Nikolaus sagt:

    Wie schade, Danke für den grossen Einsatz !
    Der Nikolaus wird’s schon richten oder der Wunschzettel für Weihnachten 2014
    hoppla…..poppla…..allerlei……im Sack…………
    SP in die Direktion Bau und Planung ……………CVP in die Direktion technische Betriebe ……………….

  • PB sagt:

    Schade. Ist es jedoch nicht feige zu gehen anstelle für eine bessere Baukultur zu kämpfen? Es wird ja gerne überall erwähnt wie wichtig ihm St. Gallen sei.

    @ Nikolaus: Der fähige Mann für die Direktion Bau & Planung sitzt bereits im Stadtrat, gehört jedoch weder der SP, der CVP noch der FDP an.

  • Nikolaus sagt:

    Macht oder Verantwortung für Jetzt und die Zukunft ? Der Stadtrat sollte die grosse Chance nutzen und eine Neuverteilung der Direktionen aushandeln. Das wäre eine glaubwürdige Geste an den Volkswillen.

  • Schade, aber ob man für jedes unerfreuliche Ereignis die fehlende Baukultur in St.Gallen verantwortlich machen kann scheint mir zumindest fraglich.
    Man kann es auch anders sehen. Das Amt des Kantonsbaumeisters Thurgau ist bedeutend attraktiver als dasjenige des Stadtbauneisters St.Gallen. Das Wirkungsfeld ist größer, und das Aufgabengebiet und die entsprechenden Kompetenzen sind wesentlich umfassender. Das Amt hat deshalb mehr Gewicht. Dies hat in erster Linie mit der Ausgestalltung und dem Pflichtenheft eines Amtes zu tun, und nur ganz am Rand und indirekt mit Baukultur.
    In diesem Sinne gratuliere ich Erol zu einem durchaus nachvollziehbaren Karriereschritt und wünsche ihm, aber auch der Stadt St.Gallen viel Erfolg.

  • Halbeisen G sagt:

    Schade. St. Gallen – schöne Stadt – verkommt zusehends. Schaut euch den Bahnhofplatz (Eingang Rathaus) an. Unerträgliche Schweinerei. Dass die Stadträte dies jeden Tag übersehen ist mir unverständlich. Aber, wer wieder gewählt werden will muss schweigen. Schade um initiative Typen wie E. D.

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