, 13. Januar 2021
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Der Winterschlaf hält an

Im Kultur- und Freizeitbereich bleibt es bis Ende Februar still. Das hat der Bundesrat heute beschlossen – und zusätzlich die Läden geschlossen, die nicht Produkte für den täglichen Bedarf verkaufen. Das betrifft auch den Buchhandel.

Bücher lesen hilft gegen den Corona-Kater - im Bild die Comedia-Katze. (Bild: Comedia)

Wenn man wissen will, was wäre, wenn…. – dann kann man zum Beispiel auf saiten.ch/kalender klicken und sehen, was an einem beliebigen Tag im Februar an Kulturanlässen stattgefunden hätte. Und was dort steht, ist bereits sehr ausgedünnt, weil mit der seit Monaten andauernden Unsicherheit unzählige Veranstaltungen bereits verschoben oder erst gar nicht geplant worden sind.

Noch ein Monat mehr: Mit einem drastischen Bild reagiert hat die Taskforce Kultur, und dies bereits präventiv vor den heutigen Bundesratsentscheiden. In einem am Dienstag verbreiteten Brief schreibt sie: «Der Schweizer Kultursektor wurde ins künstliche Koma versetzt.» Es brauche rasch wirksame Unterstützungsmassnahmen, um ihn am Leben zu erhalten.

«Es braucht ein Frühlingserwachen»

«Seit rund 11 Monaten unterliegt die Kultur- und Veranstaltungsbranche einem eigentlichen Arbeitsverbot. Davon sind rund 270’000 Kulturschaffende und rund 63’000 Kulturunternehmen betroffen», heisst es im Brief an den Bundesrat. Man verstehe zwar aus gesundheitspolitischer Sicht die geplante Verlängerung der Pandemie-Massnahmen, aber Veranstaltungsverbote seien ein massiver Eingriff in die Wirtschafts- und Kunstfreiheit. «Daher sind einfache, rasche und wirksame Entschädigungen unabdingbar.»

Die Entschädigungen würden nur zögerlich oder noch gar nicht bezahlt, kritisiert die Taskforce. Es brauche national einheitliche und vereinfachte Regelungen. Unter anderem müsse Kurzarbeit auch bei befristeten Anstellungen entschädigt werden, wie sie im Kultursektor häufig seien. Und die Ausfallentschädigungen sollen auf 100 Prozent (statt 80) erhöht werden.

«Es kann nicht sein, dass die Schweizerische Nationalbank mittlerweile über eine Ausschüttungsreserve von annähernd 100 Mrd. Franken verfügt und in dieser Krisenzeit dennoch nur 4 Mrd. an die öffentliche Hand ausschütten will. Geld für rasche und ausreichende Entschädigungen an die lahm gelegten Branchen wie die Kultur wäre in der Schweiz vorhanden», heisst es im Brief der Taskforce.

Alex Meszmer, Mitglied der Taskforce Kultur und Suisseculture-Präsident aus dem Thurgau, ergänzt auf Saiten-Nachfrage: «Es braucht ein Frühlingserwachen nach dem Winterschlaf.» Nötig sei eine Revitalisierungsstrategie ähnlich einem Konjunkturprogramm – umso mehr, als es Anzeichen für kommende Sparprogramme in den Kantonen gebe, die auch die Kultur treffen werden.

Ob im Frühling ein einigermassen normales Kulturleben wieder in Gang kommt? Meszmer geht «eher von Sommer aus».

Wenigstens zwei Tonhalle-Termine im Februar

Die Verlängerung des Kultur-Lockdowns trifft all jene Veranstalterinnen und Veranstalter, die ab 22. Januar neue Programme geplant haben. Dazu gehört unter vielen anderen das St.Galler Sinfonieorchester. Mit der Verlängerung habe man leider rechnen müssen, sagt Konzertdirektor Florian Scheiber. Schwierig – «aber was wir können, machen wir weiter».

Ganz leer geht das Klassikpublikum also nicht aus: Am 21. Februar streamt Konzert und Theater St.Gallen ein Sinfoniekonzert aus der Tonhalle mit Werken von Schönberg, Mahler und Dvorak – ein spätromantischer «Dreiteiler» als Ersatz für das vormals geplante, aber schon länger gestrichene Konzert mit Mahlers Neunter Sinfonie. Zudem singt der Profichor des Theaters am 11. Februar ein A-Cappella-Programm in der Tonhalle.

Solche Streams bleiben auf das hiesige Orchester beschränkt. Denn entscheidend sei, dass dieses mit seinem Publikum im Kontakt bleibe. Dafür seien ausgewählte Konzertstreams das coronabedingt probate Mittel. Kammermusikübertragungen soll es aus der St.Galler Tonhalle hingegen nicht geben. Und kein Thema sei es, professionellen Musikfilm-Produktionen Konkurrenz machen zu wollen. Dafür wären ganz andere technische Voraussetzungen nötig. Die Aufnahme bleibt daher nur ein, zwei Tage im Netz – eine Ausnahme bildet bisher das Konzert «Himmlisch» mit Werken von Schubert und Strauss vom November, das zusätzlich filmisch aufbereitet worden ist.

Scheibers Corona-Statement: Trotz Stream soll beim St.Galler Sinfonie-Publikum das Live-Gefühl erhalten bleiben, die Vorfreude aufs Konzert zu seinem ganz bestimmten Zeitpunkt. Auch wenn diese Vorfreude gerade auf eine harte Probe gestellt wird.

Die Comedia bleibt zu – aber zuversichtlich

Neu betroffen ist mit der Verschärfung der Massnahmen der Detailhandel, soweit er nicht Lebensnotwendiges verkauft. Und damit auch die Buchhandlungen. Sandra Tschümperlin von der St.Galler Buchhandlung Comedia trägt es mit Fassung. «Wir haben ab Montag geschlossen, aber wir arbeiten weiter.»

Via den Online-Shop oder telefonisch können weiterhin Bücher, CDs und Comics bestellt und per Post geliefert oder zu einem abgemachten Zeitpunkt vor dem Laden abgeholt werden. «Das hat im ersten Lockdown im Frühling gut geklappt», sagt Sandra Tschümperlin. «Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, dank unserer solidarischen Kundschaft und weil auch Bibliotheken und Schulen weiter Bücher bestellt haben.»

Die Comedia bleibe zuversichtlich – so wie sie dies schon immer war: «Bücher sind Balsam für Geist und Seele», steht im vorweihnächtlichen Comedia-Newsletter. Und in einem früheren, mitten im Lockdown, war zu lesen: «Gerade wird unsere Welt kleiner, unser Bewegungsradius beschränkt sich auf unsere Stadt, unser Quartier, unsere Wohnung. Wir helfen Euch, Euer Fernweh zu stillen und Euren Horizont offen zu halten.»

Also: Bücher lesen – gegen die Coronadepression.

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