, 14. Januar 2019
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Die Kirche der Frauen

Ein neues Buch nimmt mit auf eine lohnende Pilgerreise: 1200 Kilometer von St.Gallen nach Rom. Peter Müller hat es gelesen, am Mittwoch ist die Vernissage in St.Gallen.

Alle Wege führen nach Rom – die Pilgergruppe im Rheintal. (Bilder: pd)

Mitte November sorgten Schädel-Reliquien der beiden St.Galler Heiligen Gallus und Otmar für Schlagzeilen. Sie waren im Prager Veitsdom wieder ans Licht gekommen – ausgerechnet kurz nach dem Ende des St.Galler Reformations-Jubiläums – und sollen jetzt fürs Otmar-Jubiläum 2019 als Leihgaben nach St.Gallen kommen, wenn denn die Verantwortlichen in Prag Hand dazu reichen. Nicht wenige wunderten sich da etwas und machten sich über den Reliquienkult der römisch-katholischen Welt so ihre Gedanken.

Ein paar Wochen später ist nun ein Buch erschienen, das ganz andere Fenster in diese Welt öffnet: sympathischere, wichtigere und berührendere. Auf 150 Seiten erzählt es in Texten und Fotos von einer bemerkenswerten Pilgerfahrt: Vor zwei Jahren pilgerten insgesamt über 1000 Menschen – Frauen und Männer – von St.Gallen nach Rom, neun die ganze Route, die übrigen eine frei gewählte Etappe. In Rom deponierten sie für Papst Franziskus ihre Anliegen für eine «Kirche mit* den Frauen», eine Kirche
 also, in der die Frauen nicht mehr «Dienerinnen» sind, sondern Akteurinnen, die ernstgenommen werden und in alle wichtigen Fragen eingebunden sind.

Ein Chor von Stimmen

Natürlich schrieben die Beteiligten dazu allerlei – insbesondere online. Doch das Entscheidende war die Aktion selber, die Pilgerreise. Das zeigt sich bei der Lektüre des Buches eindrücklich.
 Erst im Tun offenbart sich, worum es wirklich geht. Die Pilgerinnen erleben auf ihrer Wanderung eine lebendige, solidarische Gemeinschaft, ein Aufbrechen, ein Finden neuer Horizonte, ein Weiterkommen. In dieser Reise spiegelt und bricht sich das individuelle Leben der Beteiligten, aber auch der Weg der katholischen Kirche – und natürlich auch der Exodus des Volkes Israel. Vor allem aber zeigt sich ganz konkret, was die Frauen zu alledem beitragen können. Wäre diese Pilgerreise aussschliesslich Männersache gewesen, sie wäre anders herausgekommen – ganz anders. Doch das sei hier nicht weiter ausgeführt, sondern dem Buch zu sagen überlassen.

Es nimmt den Leser, die Leserin mit auf diese Pilgerreise. Fast 50 Autorinnen und Autoren erzählen vom Projekt – den Vorbereitungen, der Reise, der Nachbereitung. Es ist ein Chor unterschiedlichster Stimmen. Sie erzählen und anaylsieren, schwärmen und reflektieren, meditieren und predigen. Sie bieten eine Fülle von Einblicken in die katholische Welt: Probleme und Missstände, Sorgen und Frustrationen, Träume und Reformideen.

Hildegard Aepli und Eva-Maria Faber (Hrsg.): Ein weiter Weg, 1200 Kilometer für eine Kirche mit den Frauen. Verlag im Klosterhof, St.Gallen 2018. Fr. 38.–.
Bestellung: info@sgkath.ch

Vernissage: 16. Januar, 19 Uhr, Buchhandlung Zur Rose, St.Gallen

Manches überfliegt man, anderes liest man mit gros
sem Interesse. Und durch das ganze Buch zieht sich ein Geist, der auch die kirchenfernen Leserinnen und Leser bewegen kann.
Da geht es nicht um starre, weltfremde Dogmen, sondern um konkrete Religion, die den Menschen, dem Leben und der Welt zutiefst verpflichtet ist. Es geht um eine Kirche, zu der die Frauen Wesentliches beizutragen haben, beizutragen hätten – und um das partnerschaftliche Miteinander von Männern und Frauen. Die Leitungsebene der römisch-katholischen Kirche ist noch immer viel zu «männerbündisch». Die Frauen sind aus wichtigen Beratungs- und Entscheidungsprozessen ausgeklammert.

Ein Samenkorn

Gelegentlich überspannen die Texte den Bogen allerdings etwas, und da möchte man als Leser, als Leserin den Pilgerinnen dann
in gut protestantischer Weise zu bedenken geben: «Zwei Monate Pilgern kann einem vieles schenken, ja. Doch die wirkliche Pilgerfahrt, die wirkliche Bewährung ist der Alltag.» Aber auch dazu finden sich im Buch Passagen. Die erwähnte Vielstimmigkeit macht das möglich. Und allen Beteiligten ist auch klar, dass die «Pilgerreise» zum gleichberechtigten Miteinander von Männern und Frauen in der Kirche noch lange dauern wird.

Hildegard Aepli, St.Galler Pastoralassistentin und eine der Organisatorinnen, schreibt dazu: «Ich wünsche mir, dass unser Projekt – welches nicht nur die PilgerInnen, Romreisenden, die AutorInnen unseres Blogs und andere Engagierte einschliesst, sondern genauso die vielen Gebete, die Initiativen zuhause, das Mitgehen aus der Ferne, vor allem auch jeder Einsatz in früheren und ähnlichen Initiativen, die kritischen Stimmen, das Kopfschütteln – als unmissverständliches Zeichen unserer Zeit weiter wirkt. Ich sehe es einem Samenkorn gleich weiter gedeihen.»

Gestaltet wurde das Buch übrigens von TGG Hafen Senn Stieger, St.Gallen – auf eine ansprechende, sinnlich-ruhige Weise, die gut zum Inhalt passt.

Dieser Beitrag erschien im Januarheft von Saiten. Mehr zum Projekt: hier.

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