, 25. September 2024
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Düstere Perspektiven für die St.Galler Stadtkasse

Der Stadt St.Gallen drohen 2024 und 2025 Defizite. Die Aussichten bis 2028 sind ebenfalls nicht rosig. Mit der Vorstellung des Budgets 2025 und des Finanzplans für die folgenden Jahre hat der Stadtrat die Debatte um die Stadtfinanzen eröffnet.

Der städtische Finanzhimmel dürfte sich in den kommenden Jahren verdunkeln. (Bilder: Reto Voneschen)

Die St.Galler Stadtkasse durchlebt harte Zeiten, und sie dürften so rasch auch nicht besser werden. Für 2024 ist ein Defizit von 25,3 Millionen Franken budgetiert. Dieses Loch könnte aufgrund eines überraschenden Einbruchs bei den Steuereinnahmen bis auf 38 Millionen wachsen. Ganz so schlimm wird es zwar dank etwas weniger Ausgaben als budgetiert nicht kommen, eine schwarze Null wie in der Stadtrechnung 2023 (mit minimalem Plus von 300’000 Franken) ist aber auch nicht zu erwarten.

Finanziell dürften auch die nächsten Jahre für die Stadt nicht rosiger als 2024 werden. Der am Mittwoch vorgelegte Entwurf fürs Budget 2025 geht bei einem Aufwand von 638,8 Millionen und Ausgaben von 588 Millionen von einem Defizit von 27,3 Millionen Franken aus. Und in der am Mittwoch erstmals vorgelegten Integrierten Aufgaben- und Finanzplanung (IAFP) der Stadt geht es im gleichen Stil weiter: 2026 sollen am Schluss 35, 2027 bereits 35,3 und 2028 schliesslich 36,2 Millionen Franken in der Kasse fehlen.

Mehr Geld für die Zusatzleistungen der Kantonshauptstadt?

In dieser Planung noch nicht berücksichtigt ist die vom Kantonsrat in erster Lesung kürzlich gutgeheissene zusätzliche Abgeltung für zentralörtliche Lasten der Kantonshauptstadt. Über die bisherige Entschädigung von rund 16 Millionen hinaus soll die Stadtkasse dafür während vorerst vier Jahren zusätzlich netto je 3,5 Millionen erhalten. Über die Finanzspritze war in der Septembersession des Kantonsparlaments kontrovers diskutiert worden. Opposition war dabei von rechts gekommen.

Der Zusatzbetrag für die Stadt St.Gallen ist an Bedingungen geknüpft. Er muss vom Kantonsrat auch noch in zweiter Lesung in der Novembersession endgültig bewilligt werden. Eine Kehrtwende in der Frage ist dabei durchaus möglich. Mit dem zusätzlichen Kantonsbeitrag bliebe die grösste Stadt der Ostschweiz weiterhin auf 32,5 Millionen Franken pro Jahr an nicht entschädigten Zusatzleistungen sitzen. Was ein Faktor ist, der ihre finanziellen Perspektiven trübt.

Auch dem Kanton droht 2025 ein massives Defizit

Vom Kanton ist der finanzpolitische Befreiungsschlag für seine Hauptstadt nicht zu erwarten. Dies nicht nur wegen der offenkundigen Antipathie der rechtsbürgerlichen Mehrheit im Kantonsrat gegen «die linksgrüne Stadt», sondern weil auch der Kanton finanziell derzeit nicht wirklich auf Rosen gebettet ist. Für 2024 erwartet die Regierung ein Loch in der Kasse von knapp 200 Millionen Franken. Wie die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat auf diese Botschaft reagieren will, ist noch offen.

Obwohl die Regierung das im Moment nicht für nötig hält, ist beim Kanton in nächster Zeit eher mit Sparübungen denn mit zusätzlichen Ausgaben zu rechnen. Was wie schon bei früheren Sparpaketen auf der oberen politischen Ebene darauf hinauslaufen könnte, dass der Kantonshauptstadt anstelle von mehr Geld für zentralörtliche Zusatzleistungen eher noch zusätzliche Aufgaben und – natürlich – die damit zusammenhängenden Kosten aufgebürdet werden.

Stadtrat will Steuerfuss stabil halten

Wie will die St.Galler Stadtregierung in dieser Situation reagieren? Klare Aussagen gab es an der Medienkonferenz zum Budget vom Mittwoch zu den Steuern: Der Stadtrat sieht «trotz intensiven Steuerwettbewerbs» im Moment keinen Spielraum für weitere Senkungen des Steuerfusses. Eine Erhöhung ist für die städtische Exekutive allerdings auch keine Option: Der Steuerfuss der Kantonshauptstadt sei hoch, dessen Senkung um drei Prozent auf 2024 hin daher ein wichtiges psychologisches Signal gewesen, hielt Stadtpräsidentin Maria Pappa am Mittwoch vor den Medien fest.

Auch wenn das Thema ein schwieriges ist, will der Stadtrat gemäss Maria Pappa die Frage zusätzlicher Abgeltungen für zentralörtliche Zusatzleistungen gegenüber dem Kanton weiter verfolgen. Ebenfalls nicht vom Tisch sind weitere Sparbemühungen, um die Ausgaben zu senken. Grosse Reduktionen sind dabei gemäss der Stadtpräsidentin aber schwierig zu bewerkstelligen: Ein grosser Teil der Ausgaben ist gesetzlich vorgegeben. Andere Kosten entstehen aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen oder aus Bemühungen zur Steigerung der Standortattraktivität.

Sparprogramm wird ausgebaut und verlängert

Erste Sparprogramme der Stadt hiessen vor Jahren «Fit13plus» und «Futura». Derzeit aktuell ist das Programm «Fokus25». Es hat bis Ende 2023 Einsparungen von 14,7 Millionen erbracht. Es wird jetzt weitergeführt und mit neuen Massnahmen ausgebaut. Bis Ende 2025 sollen 22,3 Millionen eingespart werden. Das Sparpotenzial bis Ende 2027 beträgt sogar 25,1 Millionen Franken. Einzelne der neuen Massnahmen dürften in der Stadtpolitik wie bei direkt Betroffenen noch zu reden geben.

Unter anderem soll die Erhöhung der Elterntarife bei den Kitas ab 2025 jährlich 700’000 Franken einbringen. Mit der Aufhebung des freiwilligen Schulangebots «Kunst und Handwerk» lassen sich 2025 100’000 und danach jährlich 200’000 Franken sparen. Die Reduktion des Reinigungsdienstes im öffentlichen Raum soll ab 2026 jährlich eine Million sparen. Geplant ist zudem die Aufhebung der Bushaltestellen «Am Weg», «Friedberg» und «Storchenstrasse», was ab 2026 jährlich eine halbe Million bringen soll.

Kurzfristig mit Eigenkapital Löcher stopfen

«Kurzfristig» sind die Löcher in der Stadtkasse «dank des vorhandenen Eigenkapitals» tragbar. Die Frage, wie viele defizitäre Jahresergebnisse der Begriff «kurzfristig» konkret meint, blieb an der Medienorientierung vom Mittwoch unbeantwortet. Die Antwort darauf ist abhängig vom politischen Standort. Links der Mitte hält man die tolerierbare Dauer für eine Defizitwirtschaft mit Sicherheit für länger als bei den Bürgerlichen. Links dürfte man eine Steuererhöhung bei Bedarf für machbar halten, für Bürgerliche hat die Senkung des Steuerfusses Priorität vor vielen anderen Fragen.

Am Mittwoch haben Stadtpräsidentin Maria Pappa und ihr Finanzchef Armin von Wehrden die städtischen Finanzperspektiven für 2025 bis 2028 präsentiert.

Am Mittwoch haben Stadtpräsidentin Maria Pappa und ihr Finanzchef Armin von Wehrden die städtischen Finanzperspektiven für 2025 bis 2028 präsentiert.

Wie lange kann ein Fachmann mit gutem Gewissen hinter dem Abbau von städtischem Eigenkapital stehen? Es lag Ende 2023 bei 632,2 Millionen Franken. Frei verfügbar sind derzeit 213,9 Millionen. Ab Ende 2026 fällt eine Sperrfrist und das frei verfügbare Eigenkapital steigt auf rund 440 Millionen. Für den Ausgleich der Jahresrechnungen sind derzeit 119,3 Millionen reserviert. Das ungebundene Eigenkapital darüber hinaus anzuknabbern macht nur bedingt Sinn: Die Auflösung von Eigenkapital bedeutet die zusätzliche Verschuldung der Stadt.

Heute hat St.Gallen rund eine Milliarde Franken Schulden, die zu verzinsen und zu amortisieren sind. Schulden wirken sich so Jahr für Jahr in der Rechnung auf der Aufwandseite aus: Eine höhere Verschuldung verschlechtert das Resultat. Eine zusätzliche Verschuldung ist gemäss Finanzchef Armin von Wehrden für die Stadt St.Gallen derzeit möglich, sie kann aber nicht grenzenlos steigen. Eine zu hohe Verschuldung verschlechtert die Bilanzstruktur und schadet der Bonität der Stadt, was etwa wieder höhere Kosten für neue Darlehen bedeutet.

Parlament beugt sich im Dezember übers Budget

Das politische Verfahren fürs Budget 2025 sowie den Aufgaben- und Finanzplan 2026 bis 2028 der Stadt St.Gallen ist damit eröffnet. Am Mittwoch hat der Stadtrat seine Sicht der Dinge präsentiert. In den nächsten Tagen dürften sich wie üblich erste Parteien dazu vernehmen lassen. Dann beugen sich die Geschäftsprüfungskommission und danach die Fraktionen des Parlaments über den grossen Papierhaufen, der mit Budget und Finanzplan verbunden ist. Im Dezember diskutiert und verabschiedet dann das Stadtparlament die Vorlage. Nimmt man die jüngere Vergangenheit zum Massstab, dürfte es auch diesmal eine muntere Debatte über die Perspektiven der Stadtkasse geben.

Die Beurteilung, wie gravierend die Finanzlage der Stadt ist, wird je nach politischem Standort unterschiedlich ausfallen. Wie immer. Die Politik wird sich trotzdem zusammenraufen. Dass es dabei wie immer Kompromisse geben wird, ist wahrscheinlich. Die Parlamentsmehrheit in der Finanzpolitik ist nicht in Stein gemeisselt. Dank den Grünliberalen, die in der Finanzpolitik einen eigenständigen Kurs fahren, der Punkte von Linksgrünen und von Bürgerlichen berücksichtigt.

Extreme und ihre Gegenposition

Im Vorfeld wie während der Budgetdebatte im Stadtparlament wird es markige Voten geben. Vielleicht könnte man das Verfahren etwas abkürzen, wenn man jedem Extrem von Anfang an eine Gegenposition entgegenstellen würde.

Für die Stadt könnte demnach gelten: Auch wenn am Mittwoch vor den Medien bei der Vorstellung des Budgets wie üblich sehr schwarzgemalt wurde, muss der Stadtrat 2025 sicher nicht mit dem Hut auf der Strasse singen gehen, um den Bankrott St.Gallens zu verhindern.

An die Adresse der Steuerfuss-Fetischisten aus dem rechten politischen Lager geht: Die Kantonshauptstadt wirft nicht einfach mit Geld um sich und leistet sich sinnlosen Luxus, weil sie davon ausgeht, dass die Steuerzahler:innen vom Land sie dann schon retten werden.

Und für jene mit dem konsequenten Anti-Spar-Reflex auf der linken Seite: St.Gallen steht zwar finanziell so gut da wie andere Schweizer Städte, Sparbemühungen sind angesichts der nicht wirklich rosigen Finanzperspektiven aber nötig, um die politische Handlungsfähigkeit in Zukunft zu behalten.

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