Reiche Menschen tragen in einem absurden Mass zum Klimawandel und der Zerstörung unseres Planeten bei. Das ist ein Fakt. Und da die Regierungen unseres Planeten einen Teufel tun, die Superreichen adäquat zu besteuern oder in irgendeiner anderen Art und Weise zur Rechenschaft zu ziehen, scheint die Tierwelt das nun selbst in die Hand zu nehmen. Zumindest im Golf von Gibraltar, wo seit einiger Zeit in schöner Regelmässigkeit Segelyachten von Orcas angegriffen und teilweise versenkt werden. Natürlich denken wir dabei sofort an Frank Schätzings Roman Der Schwarm, der vergleichbar beginnt und in einer epischen, Herr der Ringe-mässigen Schlacht zwischen Menschheit und Meeresbewohner:innen mündet.
Die globalen Gazetten beschwören seit den ersten Attacken 2020 regelmässig den «Aufstand der Orcas» und ich selbst ertappte mich dabei, wie ich den schwarz-weissen Revolutionär:innen innerlich die vollste Solidarität aussprach, während ich mich an die erschreckende Doku Blackfish und deren ikonische Hauptfigur Tilikum erinnerte. Tilikum, ein Orca mit gebogener Flosse, wurde als Kalb wie viele seiner Artgenossen gewaltsam von seiner Mutter getrennt und unter unwürdigen Bedingungen in SeaWorld grossgezogen – wo er, misshandelt und von komplexen Traumata zerfressen, schliesslich am Tod von insgesamt drei Trainer:innen beteiligt war.
Doch was hat es wirklich mit den Yacht-Attacken auf sich? Verschiedene Erklärungsansätze, wie schlechte Erfahrungen der Wale mit entsprechenden Booten, Stress durch Whale Watching oder Nahrungskonkurrenz mit Fischerbooten, wurden über die Jahre allesamt verworfen. Die Antwort scheint viel einfacher: Die wollen nur spielen!
Orcas sind hochintelligente Meeressäuger, die teils komplexe Jagdmethoden entwickeln. Im vergangenen Jahr wurde erstmals ein Orca-Angriff auf einen Blauwal gefilmt. Vor der Küste Südafrikas wurden zahlreiche Kadaver von Weissen Haien (yes, genau die!) gefunden, denen Orcas im besten Hannibal-Lecter-Style einzig die nährstoffreiche Leber «entnommen» hatten. Um für solche Jagdeinsätze gerüstet zu sein, sind Neugier und spielerisches Training für Jungtiere unerlässlich, und circa 15 Meter lange Boote scheinen geradezu ideal als Trainingsgeräte. Mittlerweile ist sich die Forschung sicher: Die Orcas haben eine regelrechte Kultur des freudigen Booteschubsens entwickelt, die an nachfolgende Generationen weitergegeben wird.
Und trotz dieses beinahe drolligen Erklärungsansatzes sollte der Aufstand der Orcas ein dringender Reality Check für uns sein: Unsere Ozeane müssen unbedingt und bedingungslos geschützt werden. Und Reiche anständig besteuert!
JEREMIAS HEPPELER, 1989, arbeitet als Künstler, Musiker und Autor im Donautal und irgendwie auch überall sonst auf der Welt. Er entdeckt und versteckt sich mit Vorliebe in intermedialen Zwischenräumen. Heppeler wird künftig monatlich mit uns literarisch durch das kunterbunte Tierreich des Popkultur-Planeten Erde streifen – auf der Suche nach den seltsamsten Lebewesen, den absurdesten Fakten und den erschreckendsten Umweltsünden. Die Illustrationen stammen ebenfalls aus seiner Feder.