, 15. August 2014
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Ebola in Town

Die Ebola-Epidemie breitet sich aus. Auch in Liberia. Der St.Galler Walter Siering war in Monrovia, Anfang August ist er zurückgekehrt. Hier sein Bericht aus der liberischen Hauptstadt.

Haben Sie Leichen berührt?

Sind Sie mit Urin, Kot oder Blut von anderen in Kontakt gekommen?

Hatten Sie Geschlechtsverkehr mit jemandem, den Sie nicht kennen?

Und, und, und… Unterschreiben, Fiebermessen. Dann Check-in. Als im Flieger alle Passagiere festgeschnallt sind, wird die ganze Kabine mit irgendeinem Mittel ausgesprüht: Halten Sie die Hand vor Nase und Mund, wenn Sie wollen.

Der vorläufig letzte Flug der British Airways von Monrovia nach London.

Ein paar Tage vorher, nach drei Wochen in Liberia, habe ich mich von der Hysterie doch noch anstecken lassen. Alle diskutieren Ebola. Die traditionelle Begrüssung, Handschütteln und Mittelfinger-an-Mittelfinger-Schnippen, ist verschwunden. Körperkontakt wird vermieden. Einige verschränken die Arme hinter dem Rücken, um nicht in Versuchung zu fallen, andere halten zur Begrüssung nur kurz die Unterarme aneinander oder gar nur die Ellbogen.

Der Schwager O. aus den USA hat angerufen, wir sollen Liberia so schnell wie möglich verlassen. Er schaut CNN. CNN berichtet in hoher Frequenz über Ebola, weil sich zwei amerikanische Ärzte angesteckt haben. Der Mann unserer Gastgeberin lebt in Bonn und fragt besorgt, wann sie komme. Doch sie bleibt. In den Medien erscheint alles gefährlicher, als es ist. Die Bilder kommen aus dem Epizentrum der Seuche. Die Meldung, dass Schulen geschlossen seien, wird mit Ebola in Verbindung gebracht, dabei sind dort schlicht auch Sommerferien.

ebola2Monrovia ist plakatiert, die Dörfer sind plakatiert: Always wash your hands with soap, don’t touch dead bodies, don’t eat bushmeat (z.B. Antilopenschlegeli) or bat (Fledermäuse).

Fasziniert habe ich im Radio die Aufklärungssongs zu Ebola gehört (verschiedenes Zielpublikum – verschiedene Stile, Ballade, Rap, aber keine Moritat). Auf einem singt die Kulturministerin persönlich mit, ein anderer ist auch in den Bars und Discos zum Hit geworden, Ebola in Town beispielsweise, zu hören im Internet auf youtube oder soundcloud.

An Tante A. scheint die Propaganda allerdings völlig wirkungslos abzuprallen. Sie behauptet, mit dem Verzehr von Bitterkolanüssen und einem regelmässigen Schluck aus der Rootbottle (Schnaps mit eingelegten Wurzeln, Baumrinden usw.) lasse sich Ebola kurieren. Der Lacher über diese Unwissenheit ist abgehackt, noch bevor er ganz ausgestossen ist.

Vor Bars, Hotels und Läden stehen Behälter mit Chlorwasser, damit müssen vorbeugend die Hände gewaschen werden. Man erzählt, im benachbarten Guinea seien Menschen gestorben, weil sie Vorbeugung mit Medizin verwechselt und Javelwasser ins Essen gekippt hätten.

Hier haben Kaufleute angefangen Bleichmittel zu überhöhten Preisen zu verkaufen, was die Präsidentin inzwischen unter Strafe gestellt hat. Weit sicherer ist dagegen das Geschäft einiger Pastoren. Sie halten ihre Schafe dazu an, zu beten, zu fasten, dem lieben Gott etwas zu spenden und falls man selber nicht genug hat, betuchtere Verwandte um eine Opfergabe zu bitten. Dem gegenüber sehen einige in Ebola nicht nur eine Strafe Gottes, sondern wissen, dass die Welt unter geht (am 31. Oktober). Was wiederum andere als blanken Unsinn abtun, weil man schliesslich wisse, dass das Virus in einem Labor in Virginia USA erzeugt wurde.

Von Beginn an desinfizeren wir täglich mehrfach unsere Hände (das würde man nach dem Gebrauch der schmuddeligen Liberianischen Dollarnoten sowieso machen). Das Mittel dazu haben wir von zuhause mitgebracht. Alles ganz locker, aber schliesslich werde ich eben doch unruhig, will nicht mehr aus dem Haus. Es geht das Gerücht um, der Flughafen werde geschlossen. Ich stelle mir eine Evakuierung vor, per Hubschrauber aus der amerikanischen Botschaft, nur das nötigste Gepäck ist erlaubt. Dann die Repatriierung, drei Wochen Quarantäne, nicht rechtzeitig wieder zur Arbeit zu erscheinen. Ich stelle mir nicht vor, angesteckt zu sein, isoliert zu werden, zu verenden oder knapp zu überleben.

ebola3Aber das Schweizer Konsulat (im Bild die Wandmalerei an der Mauer vor der Schweizer Vertretung in Monrovia) beruhigt uns; keine Panik, übliche Vorsicht, ja, sie notieren unsere Adresse, und übrigens übermorgen ist der 1. August, wir sollen doch auch zur Party zu kommen.

Nun sind wir wieder in der Schweiz. Sollen wir jetzt eine Inkubationszeit lang wie in Liberia alle nur mit den Ellbogen grüssen?

Walter Siering (55), Ausbilder FA, arbeitet für das HEKS, Regionalstelle Ostschweiz; seine Frau und er waren in Liberia, um Verwandte und Freundinnen zu besuchen.

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