, 25. Juli 2018
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Esst Euch doch selber!


Thomas Feuerstein hat den Kunstraum Dornbirn in ein Labor verwandelt und züchtet dort mittels Bioreaktoren unter anderem Organzellen aus Stein.

Bilder: Kunstraum Dornbirn

Stroh zu Gold spinnen, zu Gold! Schon der Klang des Wortes war verheissungsvoll, sein Besitz so erstrebenswert, dass die alchemistische Kunst blühte. Wenn es das Rumpelstilzchen gegeben hätte, wenn es gelungen wäre, Gold herzustellen, vielleicht wäre die Weltgeschichte anders verlaufen. Aber das ist lange her und inzwischen wäre die Goldsynthese möglich, lohnt sich aber nicht.

Die reiche Postindustriegesellschaft treiben denn auch ganz andere Dinge um. Wenn es beispielsweise gelänge, ein künstliches Herz zu entwickeln, das die Qualitäten eines echten Herzens besässe? Oder eine künstliche Gebärmutter in Serie ginge? Oder sich aus Stein eine Leber züchten liesse?

Während in der Medizinforschung mit Hochdruck an Kunstherz und -uterus gearbeitet wird, wächst in der Kunst die Leber aus dem Stein: Thomas Feuerstein hat den Kunstraum Dornbirn in ein Labor verwandelt, alles ein paar Nummern grösser gebaut
 und mit kleinen Transformationen wie etwa Krakenarmen aus Glas versehen.

In riesigen Glaskolben und Röhren brodeln rötliche Flüssigkeiten. Hier erzeugen Bakterien aus eisenhaltigem Pyrit eine Nährlösung. Pumpen und Schläuche leiten die Zellnahrung aus dem Bioreaktor weiter zu künstlich hergestellten Leberzellen, um sie zum Weiterwachsen anzuregen. Ein komplexer, tatsächlich funktionierender Kreislauf, über dem die Kopie einer Prometheusskulptur thront.

Clubcannibal:
bis 2. September, Kunstraum Dornbirn
kunstraumdornbirn.at

Dem im Kaukasus angeketteten Prometheus zerfrass ein Adler die Leber, als Strafe dafür, dass er den Menschen das Feuer gebracht hatte. Nun zerfrisst Schwefelsäure als Nebenprodukt der steinfressenden Bakterien die Kopie, und der zerstörte Marmor nimmt in einem Gipsstalakmiten eine neue Gestalt an. Der Künstler spinnt diese Kreisläufe im Hörspiel zur Arbeit noch weiter und erzählt von einer Forschergruppe, die im Kaukasus chemolitho-autotrophen Organismen auf der Spur ist.

Klingt kompliziert und gipfelt in einer Zukunft, in der sich Menschen von eigenen Körperzellen ernähren, bis schliesslich das Oktoplasma von allen und allem Besitz ergreift und die ganze Erde sich selbst verdaut –
 eine Zombievision der anderen Art, gewürzt mit wissenschaftlichem, künstlerischem und philosophischem Anspruch.

Dieser Beitrag erschien im Sommerheft von Saiten.

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