Fluchtgeschichten entdecken

Das «Rohr» zwischen Hohenems und Diepoldsau verhalf vielen zur Flucht. (Bild: pd)

Schon seit vie­len Jah­ren be­fasst sich die Ju­da­is­tin und Theo­lo­gin Fran­zis­ka Bark Ha­gen mit jü­di­schen Flucht­ge­schich­ten. Die Pfar­re­rin in der re­for­mier­ten Ci­ty­kir­che Of­fe­ner St.Ja­kob in Zü­rich und Lei­te­rin des Pil­ger­zen­trums hat sich schon zu ih­rer Zeit als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin am Jü­di­schen Mu­se­um Ber­lin um die Jahr­tau­send­wen­de mit dem The­ma be­schäf­tigt. Es hat sie nie mehr los­ge­las­sen.

Jetzt will sie den grü­nen Gren­zen der Schweiz zum ehe­ma­li­gen Drit­ten Reich ent­lang­wan­dern und sol­che Flucht­ge­schich­ten er­zäh­len. «Über die Grü­ne Gren­ze – Von Flucht­ge­schich­ten in die Schweiz 1938–45» heisst die fünf­tei­li­ge Tou­ren­rei­he, die Fran­zis­ka Bark Ha­gen in Ko­ope­ra­ti­on mit dem Jü­di­schen Mu­se­um Ba­sel ent­wi­ckelt hat. Drei Tou­ren fin­den im Raum Ba­sel statt, zwei in der Ost­schweiz.

Die Ge­schich­ten er­zäh­len sol­len aber vor al­lem Fach­leu­te, die sich ein­ge­hend mit der Ge­schich­te und den Ge­schich­ten vor Ort be­fasst ha­ben. Bei den zwei in der Ost­schweiz ge­plan­ten Tou­ren sind es die bei­den His­to­ri­ker:in­nen und Jour­na­list:in­nen Kat­rin Schre­gen­ber­ger und Ste­fan Kel­ler.

Zu Fuss Ge­schich­te er­le­ben

«Das Jü­di­sche Mu­se­um Ho­hen­ems hat um die 80 ge­schei­ter­te und ge­glück­te Flucht­ge­schich­ten ein­le­sen las­sen und die Sta­tio­nen auf ei­nem 100 Ki­lo­me­ter lan­gen Ve­lo­weg in­stal­liert», sagt Bark Ha­gen. In der Schweiz ge­be es nichts Ver­gleich­ba­res. Wohl ha­be der Bund kürz­lich die Schaf­fung ei­nes Me­mo­ri­als für die Op­fer des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus in Bern und ei­ne Ge­denk­stät­te in Die­pold­sau be­schlos­sen. Bis die­se aber er­öff­net sind, sol­len ei­ni­ge Ge­schich­ten auf der Schwei­zer Sei­te schon mal auf den Weg ge­bracht wer­den.

Die Rei­ne Lauf­zeit die­ser Tou­ren be­trägt um die drei Stun­den. Sie star­ten je­weils um 10 Uhr und es bleibt dar­über hin­aus ge­nug Zeit für In­for­ma­tio­nen und ei­ne kur­ze Mit­tags­rast mit Ver­pfle­gung aus dem Ruck­sack.

Die ers­te Wan­de­rung in un­se­rer Re­gi­on vom 28. Ju­ni star­tet in Ho­hen­ems und führt bei Lust­en­au über die Gren­ze nach St.Mar­grethen. Dies war ab 1938, als sich Ös­ter­reich dem Drit­ten Reich «an­schloss», ei­ne der wich­tigs­ten Flucht­rou­ten jü­di­scher Men­schen aus Wien in die Schweiz. Letz­tes Jahr hat Kat­rin Schre­gen­ber­ger das Buch Ret­tung vom To­ten­wa­gen ver­öf­fent­licht, ei­ne Bio­gra­fie über den 1942 ge­bo­re­nen Pe­ter Icz­ko­vits, der 1944 bei ei­ner ge­hei­men Frei­kauf­ak­ti­on mit dem so­ge­nann­ten «Ka­sz­t­ner-Trans­port» vom KZ Ber­gen-Bel­sen in die Schweiz ge­lang­te. Von ihm wie auch von Flucht­hel­fer Paul Grü­nin­ger er­zählt Kat­rin Schre­gen­ber­ger auf die­ser Wan­de­rung. Oder von den Ver­hand­lun­gen des St.Gal­ler Po­li­ti­kers und da­ma­li­gen Prä­si­den­ten des Schwei­ze­ri­schen Is­rae­li­ti­schen Ge­mein­de­bun­des Sa­ly May­er und Ru­dolf Ka­sz­t­ner mit der SS zur Ret­tung un­ga­ri­scher Jü­din­nen und Ju­den.

Mit Her­zens­pro­jekt nicht auf Bund war­ten

Der zwei­te Ter­min in der Ost­schweiz ist erst am 13. Sep­tem­ber und heisst «Paul Grü­nin­ger hat mir das Le­ben ge­ret­tet». Die Tour be­ginnt beim Zoll­amt Die­pold­sau/Ho­hen­ems und führt den Rhein hin­auf und durchs Ried bis nach Alt­stät­ten. Dort steht zum Schluss ein fa­kul­ta­ti­ver Be­such der Aus­stel­lung über das Rhein­tal wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs im Mu­se­um Pre­st­egg an. Der Red­ner auf die­ser Tour ist His­to­ri­ker und Sai­ten-Ko­lum­nist Ste­fan Kel­ler, des­sen Grü­nin­ger-Bio­gra­fie die Re­ha­bi­li­tie­rung des St.Gal­ler Po­li­zei­kom­man­dan­ten und Flucht­hel­fers vor 30 Jah­ren ein­ge­lei­tet hat und so­eben in ach­ter, um ein ak­tu­el­les Nach­wort er­wei­ter­ter Auf­la­ge er­schie­nen ist.

Laut Pfar­re­rin und Pil­ge­rin Fran­zis­ka Bark Ha­gen ist «Über die Grü­ne Gren­ze» ein «Her­zens­pro­jekt». Die Wich­tig­keit der Grü­nen Gren­zen kön­ne nicht hoch­ge­nug ge­wich­tet wer­den, sagt sie. Denn die Schweiz be­gann im Som­mer 1938 ih­re Gren­zen ab­zu­rie­geln und nur noch so­ge­nann­ten «Här­te­fäl­len» Ein­lass zu ge­wäh­ren, wo­bei der Bun­des­rat die Här­te­fall­re­geln im Ver­lauf des Krie­ges mehr­fach än­der­te. Und da die neus­ten In­for­ma­tio­nen nicht im­mer so­fort bis zu je­dem ein­zel­nen Zoll­be­am­ten durch­dran­gen, herrsch­te an den Grenz­über­gän­gen oft Will­kür. Die Ge­schich­ten je­ner, die rü­ber­ka­men, und je­ner, de­nen es nicht ge­lang, müs­sen er­zählt wer­den. Jetzt. Nicht erst, wenn der Bund sei­ne Ge­denk­stät­ten ge­baut hat.

«Über die Grüne Grenze»

«Ret­tung vom To­ten­wa­gen»: Tour mit Kat­rin Schre­gen­ber­ger von Ho­hen­ems nach St.Mar­grethen, 28. Ju­ni, 10 Uhr, Bahn­hof Ho­hen­ems

«Paul Grü­nin­ger hat mir das Le­ben ge­ret­tet»: Tour mit Ste­fan Kel­ler vom Zoll­amt Die­pold­sau/Ho­hen­ems nach Alt­stät­ten, 13. Sep­tem­ber, 10 Uhr, Hal­te­stel­le Die­pold­sau Schwei­zer Zoll

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