, 15. Juni 2012
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Food, Fun, Nothilfe

Die zweitätige Asyldebatte im Nationalrat ist vorbei. Es war die dumpfsten Debatte, über die ich bisher schreiben musste. Christoph Blocher, einst gegen das Stimmrecht für Schwarze in Südafrika, schlich wie ein koloniales Gespenst durch den Saal und sprach über Asylsuchende wie über Kinder. In den Voten von Martin Bäumle, Präsident der Grünliberalen, war blanker sozialer […]

Die zweitätige Asyldebatte im Nationalrat ist vorbei. Es war die dumpfsten Debatte, über die ich bisher schreiben musste. Christoph Blocher, einst gegen das Stimmrecht für Schwarze in Südafrika, schlich wie ein koloniales Gespenst durch den Saal und sprach über Asylsuchende wie über Kinder. In den Voten von Martin Bäumle, Präsident der Grünliberalen, war blanker sozialer Hass spürbar: Für Nothilfe für alle und für Internierungslager, das ist die schöne neue Mitte.
«Die Nothilfe», sagte Bäumle, «ist eine Unterstützung auf hohem Niveau». Die Nothilfe beträgt, wenn sie überhaupt in Bargeld und nicht in Naturalien ausgerichtet wird, gerade einmal acht Franken am Tag. Zum Vergleich: Ein Nationalrat erhält pro Tag eine Verpflegungspauschale von 110 Franken. Hinzu kommt eine Übernachtungspauschale von 180 Franken. Am Abend nach der Debatte, in der vom eigenen Wohlstand keine Rede war, fand auf dem Thunersee eine Schiffahrt statt. Organisiert war sie von den SVP-Nationalräten Peter Spuhler und Bruno Zuppiger, das Motto lautete: «Food, Fun, Politics».
In der Schweiz wurden im letzten Jahr 40’000 Asylsuchende gezählt, darunter auch jene, die eine vorläufige Aufnahme erhalten haben: Das ist ein halbes Prozent der Bevölkerung. Der Nationalrat hat neben der Nothilfe weitere drastische Massnahmen gegen diese verschwindend kleine Gruppe erlassen. Das Botschaftsasyl wird abgeschafft, obwohl darauf viele Frauen angewiesen sind, das Familienasyl eingeschränkt, Desertion als Fluchtgrund aufgehoben.
Der Schriftsteller Lukas Bärfuss hat die Diskussion heute im Tages-Anzeiger als «Schande» bezeichnet. Bärfuss schreibt: «Während in Syrien, in Weissrussland, in Nordafrika die Bürger unter Einsatz ihres Lebens für ihre politische Freiheit kämpfen, kennen wir seit letzten Mittwoch die Antwort des reichsten Landes der Welt auf ihre Revolte: Internierungslager und Rationierung.»
Am übernächsten Samstag findet in Bern um 14.30 Uhr eine Demo gegen die menschenverachtende Asylpolitik statt: Der Zug in St.Gallen fährt um 11.48 Uhr ab. Komm auch!

P.S. Erfreulich wenigstens aus St.Galler Sicht: CVP-Nationalrätin Lucretia Meier-Schatz stimmte als eines von nur vier Mitgliedern ihrer Fraktion konsequent gegen die Verschärfungen. Die neue SP-Nationalrätin Barbara Gysi stellte immer wieder kritische Nachfragen zu den Folgen für Frauen und Kinder.

4 Kommentare zu Food, Fun, Nothilfe

  • speuz und fäderä sagt:

    Im Sinne der Weiterbildung empfehle ich den Herren der Class politique ein Bootcamp in einem der meistbetroffenen Ländern unter lebensechten Missständen. Vielleicht kommen sie dann auch endlich in die Gänge – was für schwererziehbare Jugendliche und Asylsuchende angeblich so gut ist, kann einem gestandenen Mann ja nicht schaden! Zeigen sie uns wie Sie’s besser machen würden und wenn das nicht klappt, machen Sie’s gottfriedSTUTZ menschenwürdig!
    Der Jugend und den Weltverbesserern Ignoranz vorwerfen und selber den Stechschritt tanzen – wer ist hier weltfremd meine Herren?
    Machen Sies besser meine Herrschaften – seien sie ein GUTES Beispiel!

  • […] ist der grösste Sozialhasser, dem ich je zuhören musste», schreibt der Journalist Kaspar Surber über Grünliberale und andere und die Nothilfe. Und Lukas Bärfuss begleitet FDP-Präsident Thomas Müller zum Essen. Und Thomas Jefferson […]

  • Petra sagt:

    Kinder und Frauen, klar, weil Frauen ja das schwache Andere sind. Barbara Gysi zementiert die Opferrolle der Frauen, und dieser Sexismus soll erfreulich sein?

  • […] und «Papierlischweizern» offenbar salonfähig geworden. Die sogenannt Grünliberalen (die Partei des Sozialhassers M.B.) glauben sogar, dass sie mit diesem Schwachsinn «die Diskussion versachlichen». Das sagte […]

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