, 18. Mai 2016
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Geballte Ladung St.Gallerdeutsch

Was im Rap verbreitet ist, muss man im Punkrock lange suchen: Texte auf St.Gallerdeutsch. Nun wagt die Band i.explode.i das Experiment.

i.explode.i letztes Jahr am Musig uf de Gass (Bild: Facebook)

«Über Sex kann man nur auf Englisch singen / Denn allzu leicht kann’s im Deutschen peinlich klingen», wussten Tocotronic schon 1995. Aber im deutschen Sprachraum singen die meisten Bands nicht nur über Sex, sondern über alles auf Englisch.

«Man fängt mit 16 Jahren an, Musik zu machen, und orientiert sich dabei halt an seinen Vorbildern», sagt dazu Marco Baumann, Bassist der St.Galler Melodic-Punkband i.explode.i. Und für deren drei Mitglieder waren die Vorbilder eben vor allem Punkund Hardcore-Bands aus den USA.

Nun wagen die Musiker nach Jahren in verschiedenen Bands und vielen Songs auf Englisch ein Experiment: Die Texte auf ihrem neuen Album Vo läbä, tod und dräckigä hünd sind alle auf St.Gallerdeutsch.

Es klingt nach Aufbruch und Veränderung

Sänger, Gitarrist und Textschreiber Rico Mittelholzer spricht von einer «riesigen Entdeckung, die umzusetzen aber auch viel Mut gebraucht hat». Denn seit seine Texte eine «echte Aussage» hätten, müsse er in der Musik viel Persönliches zeigen.

Getauft wird das Album am 20. Mai in der Grabenhalle.

Die Texte der acht Songs sind offen gehalten und arbeiten viel mit Andeutungen und Skizzen von Geschichten. «Meine Songs sind direkt vom Leben inspiriert», sagt Mittelholzer. Er verarbeite darin seine Erlebnisse der letzten fünf Jahre. «Aber jeder, der unsere Musik hört, soll sie mit seinen eigenen Erfahrungen interpretieren.»

Also ganz subjektiv interpretiert: Die acht Songs auf dem knapp 40-minütigen Album tönen nach Aufbruch, Veränderung und dem Blick nach vorne. «i packe all de gsammlet Scheiss / mini lascht mis Erbguet bliebed do» heisst es etwa im hymnischen Song Erbguet.

Oder in Dezember, der das Album abschliesst: «i lonä alles stoh / en neue Wäg / jetzt nur kei hascht es goht bald los». Dabei haben durchaus auch dunkle Momente ihren Platz: Depressionen, vom Leben kaputte Menschen, Flucht, Angst sind ebenfalls Themen. «Es brauchte auch eine gewisse Lebenserfahrung, um dieses Album zu schreiben», sagt Mittelholzer, der wie seine beiden Bandkollegen jenseits der 30 ist.

«Das hättet ihr schon immer machen sollen»

Aus der geballten Ladung Text wird zusammen mit dem melodiösen, ziemlich clean und sehr druckvoll produzierten Punkrock ein Soundtrack zum Frühsommer, zum Losfahren und Abhauen, auch zum Driften. Oder zum Zugfahren nach einem harten Arbeitstag, wobei auch Mittelholzer viele seiner Texte geschrieben hat. Seiner rauen Stimme hört man die ungefilterten Emotionen, die die Texte tragen, gut an. «Wenn ich Rico zuhöre, werden Erinnerungen wach und manchmal habe ich sogar einen Kloss im Hals», sagt Schlagzeuger Pascal Frischknecht.

i.explode.i: Vo läbä, tod und dräckigä hünd. Erscheint auf Berrymore & Flare

Musikalisch bewegen sich i.explode.i wie schon auf ihrem ersten Album Golden Boats im weiten Feld des Melodic Punk. Auf Vo läbä, tod und dräckigä hünd ist aber noch eine gute Prise Pop dazu gekommen – laut der Band namentlich der Einfluss von Ex-Bandmitglied Toby Hungerbühler, der das Album in seinem St.Galler Pit Stop Music Studio aufgenommen und produziert hat.

«Die meisten Bands, die zu mir kommen, haben schon eine klare Vorstellung davon, wie sie klingen wollen. Ich muss sie dann manchmal zu ihrem Glück zwingen», sagt Hungerbühler und grinst. Vo läbä, tod und dräckigä hünd sei aus seiner Sicht eine «sehr erwachsene» Platte geworden, die zu der Band passe. Als er die ersten Demos mit den Texten im St.Galler Dialekt hörte, habe er zur Band gesagt: «Das hättet ihr schon immer machen sollen.» Es klinge einfach authentisch und echt.

Release-Konzert (und 10 Jahre Delilahs): 20. Mai, Grabenhalle St.Gallen

Infos: bandcamp.com
, grabenhalle.ch

Das Album werden i.explode.i im Mai in der Grabenhalle taufen, danach sind Konzerte in der ganzen Schweiz geplant. «Wir haben schon in vielen Kellerlöchern für einen Teller Pasta gespielt – auch weil wir erwachsener geworden sind, wollen wir für die nächsten Konzerte mehr auf Qualität setzen», sagt Sänger Mittelholzer. Wobei es natürlich auch die wilden Wochenenden noch brauche, an denen man für ein Konzert stundenlang irgendwo hinkarrt, auf der Bühne alles gibt und danach die Nacht durchmacht.

So kann man die Kraft von Musik beschreiben – oder auch mit einer der letzten Zeilen des Albums: «Was söll denn Ziet scho bedütä / mit dere Liebi woni fühl».

Dieser Beitrag erschien im Maiheft von Saiten.

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