, 29. Juni 2013
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Geheimnisse im Bodensee

Geologie-Professor Flavio Anselmetti von der Universität Bern vermisst zurzeit mit hochmodernen Sonden den Grund des Bodensees. Dabei stösst er mit seinem Team auch immer wieder auf rätselhafte Wracks.

Saiten: Können Sie die Wracks zuordnen?

Flavio Anselmetti: Unsere Untersuchungen erlauben es, die Seebodenstrukturen mit einer Auflösung von einem halben bis einem Meter abzubilden. Falls das Wrack noch nicht vom Schlamm zugedeckt wurde und noch einigermassen freiliegt, können wir also deutlich die Form der grösseren Objekte erkennen. Mit etwas Fantasie kann da sogar ein Laie erkennen, ob ein Schiff aus dem Mittelalter oder aus der Neuzeit stammt, oder ob es sich um die Reste eines Zeppelins oder eines historischen Kriegsflugzeugs handelt.

Nach dem 2. Weltkrieg, so heisst es, sei sehr viel Munition aus Beständen von Nazi-Deutschland von den Alliierten wahllos im See versenkt worden. Gibt es Hinweise darauf?

Solche versenkte Munition ist auf unseren Daten schwierig zu sehen, da wir mit einem Fächerecholot den Seeboden, aber nicht den Seeuntergrund, kartieren. Wurde solche Munition versenkt, ist heute an der Oberfläche so gut wie nichts mehr zu sehen: Einerseits sank die Munition beim Aufprall im Schlamm ein, andererseits wurde sie in den letzten Jahrzehnten vom neu gebildetem Seeschlamm bereits wieder überdeckt.

Die Lage der Wracks wird nicht öffentlich gemacht. Was ist der Grund?

Wir wollen verhindern, dass diese Wracks von „schatzsuchenden“ Tauchern erkundet und womöglich Artefakte vom Seeboden entfernt werden. Das grosse Interesse der Taucher-Community an unseren Daten bezeugt deren Neugierde an archäologischen Entdeckungen, die natürlich einen Tauchgang um einiges spannender machen würden.

An wen werden die Funde gemeldet, und sind auch Wracks aufgetaucht, die bisher nicht bekannt waren?

Es werden im Rahmen dieser Untersuchungen sicher Wracks gefunden werden, die bisher nicht bekannt waren. Die Untersuchungen sind aber noch nicht abgeschlossen. Die bathymetrischen Daten werden am Ende den jeweiligen archäologischen Diensten zur Verfügung gestellt, die für die Untersuchung und den Schutz dieser wertvollen Stätten verantwortlich sind.

Es gibt die Legende vom „Cocgnac-Bomber“. Die Deutschen sollen im 2. Weltkrieg beim Rückzug aus Frankreich Hunderte wertvolle alte Cognac Flaschen aus dem Städtchen Cognac ausgeflogen haben. Die Maschine hätte vor Friedrichshafen notwassern müssen, heisst es. – Haben Sie bei Ihren Vermessungsarbeiten Hinweise entdeckt oder den Cognac gar geborgen?

Es gibt in der Tat einige Legenden über die Seeböden, nicht nur im Bodensee. Das liegt daran, dass der Seegrund eine der letzten unentdeckten Flecken der Erdoberfläche ausmacht. Erst unsere Vermessung lässt den See wie „ohne Wasser“ erscheinen. Würden wir in der Tat auf einen abgestürzten Bomber stossen, würden wir kaum sagen können, ob es sich um den handelt, der den Cognac an Bord hatte, da unsere Auflösung nicht zur Identifikation einer Flasche, Marke oder des Jahrgangs reicht. Ich würde mir und meinen Mitarbeitern natürlich gerne nach all den Surveystrapazen einen Schluck aus einer solchen Flasche gönnen – nur ist es wie oben erwähnt ohne archälogische Erlaubnis nicht gestattet, solche Objekte oder deren Inhalt vom Seeboden zu entfernen!

 

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