, 21. Dezember 2020
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Geht!

Immunium® Akut #21: «Die Pandemie bringt uns in beeindruckender Geschwindigkeit an den Rand jeder Vernunft», sagt Schriftsteller Andreas Niedermann – und hat ein simples Mittel dagegen.

Ich weiss nichts. Nichts besser. Vielleicht sollte man Gott zusperren, und die Familien gleich mit. Jungvolk-Partys mit mobilen Ultraschall-Nagerabwehrboxen vergällen. Aber wie gesagt, ich weiss nichts. Es gibt keine Lösungen. Alles, was getan und angeordnet wird, schadet. Irgendwem auf jeden Fall. Die Pandemie bringt uns in beeindruckender Geschwindigkeit an den Rand jeder Vernunft.

Die Naivität der Politikerinnen und Politiker in der Einschätzung des menschlichen Charakters, seiner Bösartigkeit, Lebensgier, Dummheit und Niedertracht – so scheint es – ist geradezu niedlich.

Corona-App? Muss man die nicht vom Ende her denken? Muss nicht Niedertracht, Bösartigkeit und Egoismus stärker gewichtet werden als Einsicht, Solidarität und Gemeinsinn, um nicht zu sagen: Nächstenliebe? Und müsste diese Erkenntnis nicht auch in der Technik manifest werden? Die Corona-App als Vernaderungsutensil. Nach dem Treffen mit Konkurrentinnen, Gegnern, Mitbewerberinnen, unliebsamen Journalisten meldet man sich positiv. Muss ja nicht stimmen. Aber alle wandern in die Quarantäne. Oder so.

Illustration: Joël Roth und Zéa Schaad

Kann es sein, dass viele Politiker heillos verlorene Gutmenschen sind, die in einer Parallelwelt leben? Mit ihren Appellen an die Eigenverantwortung. Freiwillige Quarantäne? Selbstisolation, Maskentragen zum Schutz des Mitmenschen? Verzicht, zugunsten der Allgemeinheit? Köstlich!

Hat denn heute nicht jede und jeder seine eigene Wahrheit? Weiss es besser, besser als jeder und jede andere Besserwisserin, ob- schon niemand versteht? Aber wer braucht schon Verstehen?

Verstehen kommt von Verstand. Und wer braucht Verstand, wenn es Gefühle gibt? Gefühle sind um Längen besser. Um die geht es. Ich fühle mich gesund. Gott schützt mich und alle Kirchgänger. Allah bestraft nur die Ungläubigen, und Jahwe zeigt uns mit der Pandemie, wo Gott hockt.

Aber wie gesagt: Ich weiss auch nichts. Nichts Besseres als das, was gerade zu tun versucht wird. So werden wir uns – ganz alt- modisch – durchseuchen müssen. Am übelsten – und diese Prognose wage ich – wird es zugehen, wenn der Impfstoff da ist. Wenn alle Dämme, die bisher noch halbwegs gehalten haben, brechen.

Saiten hat sich zum Jahresschluss ein Heft zur Immunstärkung vorgenommen. Wir wollten Anregungen und Überlegungen aller Art zur politischen, gesellschaftlichen und individuellen Kräftigung des Immunsystems sammeln.

Zusammengekommen sind 24 Beiträge aus allen möglichen Richtungen, ein Adventskalender der resistenten Art: Kurzgeschichten, Selbsterfahrungen, Appelle, Wutausbrüche, Tiefgang und Smalltalk, Rezepte und Rezeptverweigerungen. 24 Stimmen, 24 Seiten, eine geballte Dosis Immunium® Akut, garantiert mit Risiken und Nebenwirkungen.

Der erste Lockdown war beinahe romantisch. Gefahr lag in der Luft. Die zweite Welle, die noch in jeder Pandemie hoch und wuchtig heranrollte, löst bei den meisten nur noch Stress aus.

Es ist, als würden nun alle auf meine Art leben und arbeiten. Nicht freiwillig. Natürlich. Sicherheit perdu. Es ist ein frugales Leben. Beinahe mönchisch. Das Leben eines Schriftstellers. Aber ich kenne etwas, mit dem sich ziemlich jede Unbill und auch jede Freude aushalten lässt. Und wenn ich der Typ wäre, der gerne Ratschläge erteilt, würde ich sagen: Macht es wie ich. Geht. Geht geradeaus. Geht bergauf. Geht bergab. Geht. Geht, wann immer ihr gehen könnt. Und wenn ihr nicht gehen könnt, so lernt es. Es macht glücklich.

Aber da ich ungefragt keine Ratschläge absondere, behalt ich es für mich.

Ich gehe.

Andreas Niedermann, 1956, ist Schriftsteller und Verleger in Wien. Gerade erschien sein Roman Blumberg 2. Die Wachswalze.

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