, , 30. April 2021
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Grossanlässe weiterhin auf der Kippe

Der Bundesrat hat angekündigt, dass ab Juli wieder Grossanlässe möglich sein sollen, sofern es die Ansteckungszahlen erlauben. Die Euphorie der Eventbranche hält sich allerdings in Grenzen. Verhalten optimistisch zeigen sich Veranstalter mittelgrosser Anlässe.

Der grosse Festivalsommer dürfte auch 2021 ausfallen, trotz positiven Meldungen aus Bundesbern.

Das bangende Openairpublikum hat am Mittwoch schon mal die Campingstühle aus dem Keller geholt und das Petbier warmgestellt.  Sofern es die Fallzahlen zulassen, sollen ab Juli Events mit 3000 und ab August sogar mit 10’000 Personen möglich sein. Die Meldung aus Bundesbern, dass Grossanlässe diesen Sommer zumindest wieder planbar sein sollen, wurde von Medien und Publikum mehrheitlich hoffnungsvoll bis euphorisch aufgenommen. Verständlich.

Gut möglich aber, dass man sich zu früh gefreut hat. Fragt man die Eventbranche, stehen wir eher nicht kurz davor, wieder ein Stück alter Normalität zurückzugewinnen.

Stefan Breitenmoser begrüsst zwar das Ansinnen des Bundesrats, für die Veranstalter wieder etwas Perspektive schaffen zu wollen. Allerdings hat er grosse Vorbehalte, ob das mit dem Konsultationsbericht gelingt, den der Bundesrat am Mittwoch in die Konsultation geschickt hat.

Breitenmoser ist domino-Chef und Geschäftsführer der Swiss Music Promoters Association (SMPA), des Branchenverbands der professionellen Konzert-, Show- und Festivalveranstalter. Unter dem Lead des Verbands Expo Event haben die SMPA und weitere Verbände im Vorfeld der Frühlingssession des Bundesparlaments für den sogenannten Schutzschirm für Grossanlässe geweibelt.

Düstere Aussichten für Grossevents im Sommer

Gemäss dem aktuellen Vorschlag des Bundesrates sollen ungedeckte Kosten von Anlässen mit überkantonaler Bedeutung und einem Publikum von über 1000 Personenen staatlich vergütet werden, wenn sie aufgrund der Coronasituation abgesagt oder verschoben werden müssen. 30’000 Franken müssten die Veranstalter als Franchise selber berappen und vom verbleibenden Betrag den Selbstbehalt von 20 Prozent. Bund und Kantone würden sich an den Kosten mit maximal 5 Millionen Franken je Veranstaltung beteiligen.

«Der Teufel steckt im Detail», führt Stefan Breitenmoser seine Bedenken zum Vorschlag des Bundesrates aus. «Nach 14 Monaten faktischem Berufsverbot – mit kleiner Ausnahme im Oktober 2020 – sind 20 Prozent einfach zu hoch. Wir haben uns für 10 Prozent stark gemacht.» Zudem hätte die SMPA lieber das Budget als Bezugsrahmen und nicht die Publikumszahl gesehen. «Gerade in kleineren Kantonen gibt es Anlässe, die überkantonal ausstrahlen, aber keine 1000 Besucher aufweisen.»

Unsicher ist ebenso, wie mit der Masken-,  der Sitz- oder der Sektorpflicht umgegangen wird, wenn künftig nur noch Genesenen, Getesteten und Geimpften Einlass gewährt werden darf. «Solche Restriktionen müssten dann fallen», so Breitenmoser.

St.Galler Festspiele: «Positives Signal»

Für die St.Galler Festspiele änderten die Informationen des Bundesrats vom Mittwoch vorerst nichts, sagt Beda Hanimann, Mediensprecher von Konzert und Theater St.Gallen. «Wir werten sie vielmehr als positives Signal, dass wir in der eingeschlagenen Richtung weiterplanen können.» Das Theater hat heute den Spielplan zum Saisonfinale bekannt gegeben, inklusive die Rockoper Jesus Christ Superstar und die geplante Festspieloper Notre Dame von Franz Schmidt mit Premiere am 25. Juni auf dem Klosterplatz.

Der nächste Termin für allfällige Änderungen der Coronaregeln, zum Beispiel zur 50-Personen-Limite bei Kulturveranstaltungen, sei der 12. Mai. «Das ist unser Fixpunkt. Wir sind im Übrigen der Meinung, dass wir mit unserem Angebot an Konzerten und Musiktheater mit den Festspielen nicht zur Kategorie Grossanlässe gehören.»

Für die Festspiele nimmt das Theater Reservierungswünsche entgegen. Definitive Platzzuteilungen seien aber noch nicht möglich, weil noch nicht bekannt ist, wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer ab Ende Juni anwesend sein dürfen.

Verhaltener Optimismus beim Kulturfestival

«Wir wollen nach wie vor positiv bleiben und planen das Kulturfestival stand heute im gewohnten Rahmen mit Bands aus ganz Europa. Auch der Bundesrat hat uns in den letzten beiden Pressekonferenzen darin bestärkt», heisst es bei Lukas Hofstetter, Chef des St.Galler Kulturfestivals. Die Bands vom letzten Jahr habe man grösstenteils für dieses Jahr buchen können. Aus England und Deutschland kämen zudem positive Signale, dass die Acts einreisen dürfen.

Bei einer Kapazität von 400 Personen, die der Innenhof des Historischen und Völkerkundemuseums St.Gallen fasst, ist der vorgesehene Schutzschirm fürs Kulturfestival kein Thema. Hier greifen die Ausfallentschädigungen, die 80 Prozent abdecken. «Klar tun die 20 Prozent weh, aber unter dem Strich dürfen wir nicht jammern», sagt Hofstetter.

Was ihm jedoch Kopfzerbrechen macht, sind die möglichen Schutzauflagen. Sitzplatz- und Maskentragpflicht seien keine Optionen. Auch eine räumliche Auslastungsbegrenzung wäre schwierig. «Mit weniger als 300 Leuten lohnt sich das Festival nicht mehr wirklich. Geimpft, genesen oder negativ getestet, lässt sich umsetzen. Aber je nach zusätzlichen Auflagen müssten wir dann leider doch die Reissleine ziehen und das diesjährige Kulturfestival schweren Herzens absagen.»

Zuerst will Hofstetter aber die Vorgaben für die Schutzkonzepte seitens Bund und Kanton abwarten. Stichtag für eine definitive Entscheidung über die Durchführung sei der 17. Mai.

Kantone noch nicht parat

Für die Bewilligung der Anlässe oder die allfällige Gewährung eines Schutzschirms sind die Kantone zuständig. Bis jetzt haben laut Mitteilung des Bundes erst eine Handvoll entsprechende Verordnungen oder Gesetze in ihren Schubladen.

Die Ostschweizer Kantone zählen nicht dazu, wie eine kurze Umfrage zeigt. Man kläre erst einmal ab, heisst es etwa aus dem St.Galler Finanzdepartement. Im Thurgau ist noch nicht einmal klar, welchem Departement dieses Geschäft zugewiesen werden soll und ob es dafür überhaupt eine neue gesetzliche Grundlage brauche.

Die Vernehmlassung dauert bis 10. Mai. Der Bundesrat will voraussichtlich erst am 26. Mai über die Details zum Schutzschirm und den Schutzkonzepten entscheiden. Und erst Mitte Juni, wie viele Personen unter welchen Auflagen ab Juli dann tatsächlich zu Grossanlässen zugelassen werden sollen. «Für die meisten Grossveranstalter ist das viel zu spät», sagt Stefan Breitenmoser ernüchtert. «Viele Verbandsmitglieder haben ihre Anlässe bis in den August hinein abgesagt, ähnlich sieht es für grosse Konzerte im Herbst und Winter aus. Es werden weitere Absagen dazu kommen. Für eine seriöse Vorbereitung grosser Anlässe braucht es einfach mehr Zeit.»

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