, 28. November 2014
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Gute Leute, gute Musik

Daniel Fontana, seit 1991 Programm-Macher des Bad Bonn in Düdingen, über eine wuchernde Freundschaft, Konzerte in der Pampa und und das Heimkommen danach – notiert von Marco Kamber.

Gestern sassen wir zusammen. Zehn, zwölf Leute waren wir, abends im Bad Bonn. Damian Hohl, der im Palace das Programm macht, kam auch. Wir trafen uns, um die Plakate für die Kilbi an der Grenze zu kleben. Aber eigentlich ging es um etwas anderes, denn Plakate kleben sich nach dem fünften praktisch von alleine. Es ging ums Zusammensein. Und Plakatekleben fürs gemeinsame Fest ist dann ein guter Aufmacher. Ähnlich wie die Sache mit den Plakaten ist auch die Kilbi an sich: Wir grübeln zusammen an der einen Geschichte rum, machen zusammen die Grafik, schreiben die Texte, telefonieren andauernd und reden darüber, wen man noch buchen könnte oder was es nun alles an den Imbissständen geben soll. So ist man in Kontakt, lernt sich immer besser kennen, und das ist gut. Nicht nur Damian und ich, nein, ich kenne schon das halbe Palace-Team, weiss langsam immer besser, wie die dort ticken und denke, dass es auch umgekehrt so ist.

Es ist schön, dass es noch Veranstalter gibt, die bei solchen Spässen mitmachen. Die einfach machen. Ich meine: Es ist ja schon eine ernste Sache, diese Kilbi im Osten. Doch gemäss dem Markt total skurril. Geld werden wir kaum verdienen. Man kann sich fragen: Warum machen wir das eigentlich alles? Doch es macht schon Sinn. Wir schaffen miteinander – viele Leute, die dem selben Ding nachseckeln. Es kommt ein Input von dem, die andere findet das und das geht oder geht eben nicht. Fast wie in der Schule. Und unsere Schule ist eben nicht die Uni. Sondern die Bar. Oder vielleicht der Parkplatz hier vor dem Bonn, wo man nach den Konzerten noch zwei, drei Stunden raucht und redet. Von da kommen die guten Ideen, da bin ich mir sicher.

«Ich hatte die gleiche Idee»

Diese Kilbi ist vielleicht auch ein Offiziellmachen unserer Freundschaft. Der Freundschaft zwischen dem Palace und dem Bad Bonn. Seit sechs Jahren wuchert sie. Wir wollen ein Fest dafür machen. Es ist quasi die logische Konsequenz: Als sie den Laden aufmachten, kannte ich niemanden dort. Aber in ihrem Programm gab es immer wieder Überschneidungen mit unserem. Sah es gegen aussen nicht oft so aus, als wäre es abgesprochen? Es war nie abgesprochen. Jedenfalls zu Anfangszeiten nicht. Wir haben einfach ähnlichen Geschmack und gleiche Ideen. Es ist verrückt: Heute ruft mich Damian manchmal an und erzählt von einer Band – dass er einen Tipp erhalten hätte, das sie bald auf Tour gehen würde. Und dass man ja zusammen Interesse bei den Agenten in England anmelden könnte, um grössere Chancen zu haben. Und dann muss ich lachen: «Damian, ich hatte die gleiche Idee!» So lässt es sich proaktiv arbeiten. Das ist sehr wichtig, wenn man ein Konzertlokal führt, das nicht in Zürich, Genf oder Basel ist. Where the hell is Bad Bonn? Where the hell is St.Gallen? Man braucht schon gute Gründe, warum die Bands hierherfahren sollen, wenn sie tags davor in Paris in einer ausverkauften Halle spielten.

Mittlerweile telefonieren wir recht oft. Ich würde sagen: Jede Woche sicher einmal. Wenn man hier in der Pampa lebt, telefoniert man gerne. Mit einigen mach ich es nicht so gern, doch mit Damian funktioniert es prima. Dabei reden wir nicht nur über Musik, sondern man weiss einfach, was beim anderen so läuft. Ja, man kann von einer Freundschaft sprechen. Man denkt ähnlich über vieles: Was es heisst, Musikprogramm zu machen. An einer Idee zu spinnen, und zwar auch noch dann, wenn man längst nicht mehr im Programmbüro sitzt. Es geht um die Leidenschaft zur Musik, um eine Haltung zur Arbeit damit.

Zusammensein

Es wäre schön, wenn wir einige Städter nach St.Gallen an die Kilbi locken könnten. Bei uns an der Bad Bonn Kilbi gibts ja auch weitaus mehr als nur Freiburger oder Berner. Vielleicht klappt das auch, auch wenn im Programm nicht die grössten Acts stehen. Was übrigens ein bewusster Entscheid gewesen ist – natürlich gefallen uns die Künstler, die auftreten werden, doch es geht auch ums Zusammensein. Gute Leute und gute Musik: Daraus wachsen ganze Wälder. Wieviele Musikbewegungen waren der Grundstein für grosse Sachen, die dann später in anderen Künsten entstanden sind?

fontana

Daniel Fontana, Bild: SRF

Lustig ist es eigentlich schon, dass wir beide, Palace und Bad Bonn, Randerscheinungen sind. Jetzt geographisch gesehen. Beide sind an Rändern, an der Grenze. Manchmal sagen mir Leute, dass sie es wirklich absurd fänden, dass die und die Band hier im Kaff spielt, anstatt in einer zentralen Stadt, wo mehr Leute wohnen. Wir sind ja wirklich ein Dorf, doch ich wünschte es mir nicht anders. Ich würde den Club nicht in Bern machen wollen. Es gibt mehrere Gründe dafür. Erstens: Ich bin etwas bequem. Ich komme von hier. Geht etwas kaputt, brauche ich Holz oder Metall, weiss ich immer wo anrufen. Zudem hat man hier Luft. Und die Künstler sind vielleicht etwas gesitteter. Denn um sie herum ist nichts. Sie sind ausgeliefert hier draussen, ohne Grossstadt-Auffangnetze rundherum. Was heisst es, sich hier draussen etwas verloren zu fühlen, und dann doch gut aufgehoben zu sein? Da können die Konzerte schon sehr intim und intensiv werden.

Immerhin Düdingen

Zweitens: Wenn ich bei einer Band schneller bin als der Zürcher Club, denkt der dann: Okay, immerhin hat sie Düdingen gekriegt. Wären wir aber in der gleichen Stadt, kann es schonmal böses Blut geben. Drittens: Es ist auch politisch wichtig. Wenn im Dorf oder der Kleinstadt kulturell gar nichts gutes mehr läuft, klebt wirklich nur die rechte Seite der Gesellschaft hier. Und das wäre fatal. Viertens: Wer zu uns an ein Konzert kommt, muss eine Reise auf sich nehmen. Hier ist es vor allem der Spaziergang vom Bahnhof ins Bonn, diese Viertelstunde über die Felder – in der Nacht stockdunkel. Das machte es aus, das bohrt sich tief in die Erinnerung. Wenn ich jeweils ins Palace an ein Konzert fahre, wenn ich dann mal Zeit habe: Die Reise gehört zum ganzen Erlebnis dazu. Wie auch der erste Zug am Morgen. Wobei: Das letzte mal verhockte ich mit den Palace-Leuten so lang, dass es dann der dritte wurde.

 

Kilbi an der Grenze

Freitag, 28.11. im Palace:
21:15 Ashley Paul, US
22:30 Courtney Barnett, AUS
00:00 Half Japanese, US
01:15 DJ Marcelle, NL

Freitag, 28.11. in der Grabenhalle:
22:00 Po Lazarus Project, CH
23:30 Camera, D
00:45 Vessel, UK

Samstag, 29.11. im Palace:
21:00 Jurczok 1001, CH
22:30 Lord Kesseli And The Drums, CH
23:45 Tirzah (live) & Micachu (Dj), UK
01:15 DJ Fett, D

Infos: palace.sg, badbonn.ch, kilbi-an-der-grenze.ch

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