Goethe fucked me up. Natürlich nicht nur Goethe, sondern auch The Kooks’ You Don’t Love Me, Ethel Cains Crush, natürlich Twilight und besonders Lordes Writer In The Dark: «I am my mother’s child / I’ll love you till my breathing stops / I’ll love you till you call the cops on me». Klingt das romantisch? Sollte es eigentlich nicht, aber nach jahrhundertelangem Einschreiben der Selbstaufgabe als weibliche Love Language und meist männlich-literarischem Romantisieren von Stalking und Eigentum wurden Liebe und that other thing zu zwei Seiten derselben Münze. Und mit der funktioniert der alte Trick leider nicht: Eine Münze werfen und dabei aufs Bauchgefühl hören. Wenn ich das hier versuche, kriege ich Bauchweh.
Vor zwei Jahren verliebte ich mich das erste Mal neu mit meinem Östrogenkörper, dem anders heiss ist, kalt ist, der anders Lust hat als der Testosteronkörper davor, und der, so I thought, auch ganz anders lieben würde. Ich traf 🪽sie🪽 und war obsessed, auf diese Weise, die meist neurodivergente Menschen «limerence», Borderline-Diagnostizierte «favorite person» und mein Therapeut «sehr bedenklich» nennen. Wenn ich mit 🪽ihr🪽 Zeit verbrachte, war alles existenziell gut, nichts von Anxiety, Trauma oder Individuum, das Universum und alles, was je existierte und je existieren wird, ist eins – und zwar wir beide. Und wenn wir nicht zusammen waren: Kotzen, Amnesie, Derealisation, auf eine cute Art, sag ich jetzt mal, falls 🪽du🪽 mitliest.
Lorde gings bestimmt auch so, lieben bis der Atem aufhört, Sterben ist immer part of the game. Und hätte mich nicht alle Popkultur darauf getrimmt, dass das Liebe sei, gar wahre Liebe, hätte ich vielleicht früher mal in Therapie darüber gesprochen. Aber dank Werthers «Lotte, lieb mich, i’m gonna kill myself, fuck, fuck, Lotte, fuck» (paraphrasiert) oder Edward Cullens «Keine Zeit mit dir wird lang genug sein, aber wir beginnen mit der Ewigkeit» wurde Selbstaufgabe bis ins Extrem normalisiert und häufig mit Weiblichkeit verbunden. Aber Lotte, let me tell you: Pathos und Pathologie – same thing.
Nämlich so eine kleine Bindungsstörung, a silly little one, und die hat nicht im Kleinsten mit Liebe zu tun. Es ist, wider besserer Vergleiche und obwohl ich Team Edward bin, ähnlich wie bei den Twilight-Wölfen: Wenn eine Person mir sicher genug scheint, mich nicht wegen Transidentität für eine Vergewaltigerin, wegen des Spektrums für eine Mörderin oder wegen des Kleidungsstils für eine arrogante Bitch hält, wenn sie mir einen sicheren Raum für mein Selbst suggeriert, dann können Pathologie und Pathos hitten wie ein Truck, wie Werther, Ethel Cain, Lorde, wie alle romantisierte Obsessivität der Pop-Geschichte und es hält zwar nicht für die Ewigkeit, aber meist mindestens ein Jahr. It’s complicated.
Aber – ein Satz, den ich nie zu schreiben gedacht habe: The Kooks können helfen. «But you don’t love me / The way that I love you». Wenn ich mich nur stetig daran erinnere, dass 🪽sie🪽 mich nicht so lieben wird, dank weniger oder anderem Trauma gar nicht so lieben kann, good for her, wie ich sie angeblich liebe, dann ist das ein erster Schritt zur Heilung. Etwas unangenehm nur, dass ich das in einem Songzitat von The Kooks finde, aber auch in einem blinden Huhn findet man mal ein Korn oder so. Anyway, Lotte, für die nächste Date Night – have you ever seen Twilight?
Mia Nägeli, 1991, arbeitet nach einer Journalismusausbildung und ein paar Jahren bei verschiedenen Medien heute in der Musikbranche in der Kommunikation, als Tontechnikerin und als Musikerin. Seit Herbst 2024 studiert sie Kunst in Wien.