, 13. März 2018
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Il Chiosco è morto

Alle wollen ihn, aber… Das Geld für eine abgespeckte Version eines sizilianischen Chiosco auf dem öden Platz vor der St.Galler Fachhochschule war zusammen. Doch jetzt scheitert das Projekt an Vorschriften und an Juristerei.

Italianità am Bahnhof Nord: So sollte der «Chiosco» aussehen. (Visualisierung: Barão-Hutter)

«Tatsächlich ist es uns dank Ihnen und vielen anderen Zuwendungen gelungen, die Finanzierung für den Bau des Chiosco nach sizilianischem Vorbild zu sichern.» So beginnt der Brief, den die Unterstützerinnen und die Mitglieder des Vereins Chiosco Siciliano zugeschickt bekamen. Doch umgehend kommt die Hiobsbotschaft: Der Chiosco kommt nicht.

«Zu kompliziert»

Im Zuge der Detailplanung habe sich «der Verdacht erhärtet, dass ein Betrieb am Bahnhof-Nord zu kompliziert und deshalb für einen Verein zu riskant» sei. Das Projekt wäre auf eine Art Symbiose mit dem nahen Wirt in der Fachhochschule (FH) angewiesen gewesen. Zwar hätte sich die Migros, die die Gastronomie in der FH betreibt, vorstellen können, auch den Chiosco zu führen, die Initianten wollten aber die Zusammenarbeit auf die Belieferung durch den Grossverteiler beschränken und sie wollten ein gemeinsames Konzept für die Aussenbestuhlung auf dem Platz.

Nicht einfach, aber lösbar, wären die Versorgung mit Strom und Wasser und das Abwasser. Auf dem Vorplatz der Fachhochschule gibt es keine Aussenanschlüsse, deshalb hätte man die Infrastruktur der FH aus der Parkgarage hochführen müssen. Dafür waren eigene Zähler für Strom und Wasser vorgesehen.

Es gibt übrigens für einen Chiosco auf den Freiflächen im gesamten Bahnhof-Nord-Areal nur den einen möglichen Standort zwischen der Rampe der Bahnhofunterführung und der FH. Nirgends sonst gibt es eine Abwasserleitung.

Toiletten, Garderoben, Lager…

Eine weitere Hürde waren die von der Lebensmittelkontrollbehörde verlangten Kunden- und Personaltoiletten, eine Garderobe für den Kioskbetreiber und Lagerräume. Hier wäre der Verein auf unkomplizierte Lösungen und Vereinfachungen angewiesen gewesen. Die Fachhochschule verlangte aber – trotz viel Sympathie für das Chiosco-Projekt – klare vertragliche Regelungen. Ein Entwurf für die Zusammenarbeit lag vor und er regelte sogar den Rückbau, falls der Verein den Betrieb aufgeben würde.

Doch dies reichte nicht. Es bräuchte auch Verträge mit den verschiedenen Eigentümern des Areals und selbst die externe Liegenschaftsverwaltung verlangte ein schriftliches Konzept, schildert Architekt und Chiosco-Mitinitiant Peter Hutter. Lösbar wäre dieser Knoten wohl nur, wenn die Fachhochschule und nicht der Verein als Bauherr auftreten würde, meint er.

Kopfschütteln statt Handschlag

Der Verein hatte bereits viel Vorarbeit geleistet: Die Liste der im Chiosco anzubietenden Getränke und Speisen – samt Preisen – lag vor. Eine detaillierte Aufstellung der Betriebskosten ebenfalls. Schliesslich habe sich aber immer deutlicher gezeigt, «dass die wachsenden bewilligungstechnischen, baulichen und vertraglichen Anforderungen – wenn überhaupt – nur mit unangemessenem zeitlichem und finanziellem Aufwand bewältigt werden könnten», heisst es im Brief. Und Hutter vergleicht: «Einen solchen Chiosco in Italien aufzustellen, ist Sache eines Handschlags.» Hierzulande brauche es aber selbst für einen nur drei Quadratmeter grossen Kiosk mindestens einen Anwalt. Der Verein habe nicht den Schnauf, Juristen zu beschäftigen.

Ein Chiosco, wie er im Synthesebericht zur partizipativen Planung auf dem Areal Bahnhof Nord gedacht war, sei auf einfache Abläufe sowie auf die Einheit von baulicher Form und gastronomischem Inhalt angewiesen, um den Ort zu beleben, so der Verein. In den vielen Gesprächen sei immer wieder der Satz gefallen: «Wir würden gerne, aber wir können leider nicht.»

Kein «Zeichen des Aufbruchs»

«Wir bedauern sehr, dass der Chiosco eine Idee bleibt, die zwar grosses Interesse und breite Unterstützung erfahren hat, die jedoch nicht wie beabsichtigt realisiert werden kann», schreibt der Verein. Es sei wohl damals, im Synthesebericht, zu wenig weit überlegt worden, welche Probleme entstehen könnten, als die Jury dieses Element aus dem von Barão-Hutter eingereichten Projekt übernahm und dessen rasche Realisierung empfahl – als Zeichen des Aufbruchs.

Der Aufbruch kommt nun in dieser Form doch nicht. Die Dutzenden von Unterstützerinnen und Mitglieder des Vereins Chiosco Siciliano erhalten deshalb ihr Geld vollumfänglich zurück.

Immerhin: Das Chiosco-Modell aus Holz, das die Architekten letztes Jahr im September extra anfertigen und kurz am vorgesehenen Standort aufstellen liessen, steht zur Zeit in der Lokremise. Wenigstens dieses Mock-up hat seinen Auftritt – unlängst zum Beispiel am Jungspund-Festival.

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