, 24. Mai 2016
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Im Doppel für den Grünen Ring

Was die Stadt St.Gallen von «Durchschnittsstädten» abhebt, ist gefährdet: der Grüne Ring. Das sagen zumindest die Jungen Grünen der Stadt und lancieren zwei Initiativen zur Siedlungspolitik.

Grüne für den Grünen Ring: Franziska Ryser, Basil Oberholzer, Andreas Hobi, Anja Bürkler (von links).

Alle paar Sekunden wird in der Schweiz ein Quadratmeter Boden verbaut oder pro Tag: eine Fläche von acht Fussballfeldern. Innert 30 Jahren hat die Wohnbevölkerung um 17 Prozent zugenommen, die Siedlungsfläche aber um 45 Prozent. Die Zahlen sind bekannt, die Folgen wollen aber viele nicht wahrhaben.

Anja Bürkler zählt sie an der Medienorientierung der Jungen Grünen auf: Verlust von wertvollem Agrarland, Versiegelung der Böden und, als Folge der Zersiedlung, mehr Strassen, mehr Autos, mehr soziale Isolation, weniger Lebensqualität. Gegen diese Entwicklung lohne es sich zu kämpfen.

«Von allen Seiten angeknabbert»

Eingeladen haben die Jungen Grünen auf die grüne Wiese: an das Ende der Buchstrasse unterhalb der Drei Weieren, mit freiem Blick auf Kuhwiesen und Obstbäume. Hier macht der Grüne Ring seinem Namen noch Ehre. Rundherum sieht es anders aus: Östlich ist der Birnbäumenhang überbaut und wird in der Notkersegg gebaut, westlich am Rosenbüchel, nördlich im Vogelherd ebenso. «Der Grüne Ring wird von allen Seiten angeknabbert», sagt Andreas Hobi, Stadtparlamentarier und Lehrer und seit 56 Jahren in der Stadt zuhause.

Seine «Liebeserklärung» an den Grünen Ring bringt Hobi auf den Punkt: St.Gallen würde ohne ihn zur langweiligen Durchschnittsstadt mit einigem wenigem «Quotengrün».

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Das Vehikel der Initiativ-Kampagne.

Schützen und verdichten

Das wollen die Jungen Grünen mit ihren Zwillingsinitiativen verhindern. Sie verfolgen das doppelte Ziel, einerseits den noch vorhandenen Grüngürtel zu schützen und andrerseits das verdichtete Bauen zu fördern. Es gehe also nicht um Bauverhinderung, sondern um den «vernünftigen und verantwortungsvollen Umgang mit der Siedlungsfläche», sagt Stadtparlamentarierin Franziska Ryser.

Die Initiative Nr. 1 «Für den Schutz des Grünen Rings» ist als allgemeine Anregung formuliert, fordert aber ganz konkret, insgesamt 49 Parzellen in fünf Gebieten «wirksam vor Überbauung zu schützen». Die Gebiete sind: Dreiweieren/Dreilinden, Scheitlingsbüchel/Notkersegg, Solitüde/Schlössli Haggen, Waltramsberg/Peter und Paul sowie Gübsensee.

Die Initiative Nr. 2 «Gegen die Bodenverschwendung» will die städtische Bauordnung so ergänzen, dass Neubauten qualitativ und verdichtet konzipiert werden: Neu soll mindestens dreigeschossig (statt bisher zweigeschossig) gebaut werden, und in Wohnüberbauungen muss ein Viertel der überbauten Fläche Grünzone bleiben – als Garten oder Spielplatz, aber nicht als Parkplatz.

Mit den beiden Anliegen sei man im übrigen auf der Linie des Kantons, sagt Anja Bürkler: Dieser postuliere im Grundlagenpapier zum Richtplan eine «Agglomeration, welche kompakt, urban und doch grün» sei. Was so aber erst auf dem Papier stehe und von rechts angefeindet werde, solle mit den Initiativen in die Tat umgesetzt werden.

Widerstand der Stadt

«Wir wollen ein für allemal ein klares Bekenntnis der Stadt zum Grünen Ring», sagen die Initianten mit Vehemenz. Sie sind gebrannte Kinder, denn die Geschichte der Initiative ist lang und hindernisreich. Sie beginnt 2012 mit dem Widerstand der Jungen Grünen gegen eine geplante Überbauung am  Waltramsberg beim Tierpark Peter und Paul – erfolgreich: Im Dezember 2012 streicht das Parlament das Areal aus dem Richtplan. Die Grünen doppeln mit zwei Initiativen nach – der Stadtrat erklärt die erste der beiden Initiativen jedoch für ungültig, weil sie übergeordnetem Recht widerspreche. Dem schliesst sich auch die Kantonsregierung als Rekursinstanz an. Erst das Verwaltungsgericht gibt den Initianten mit Entscheid vom Februar 2016 Recht.

Drei Jahre Widerstand der Stadtbehörden – dennoch seien sie nicht «erschöpft», sondern voller Elan, sagt Stadtparlamentarier Basil Oberholzer. Im aufsehenerregenden Entscheid des Verwaltungsgerichts sieht er einen «Sieg für die Demokratie auf Gemeindeebene». Am Donnerstag startet die dreimonatige Sammelfrist für die notwendigen je 2000 Unterschriften. Bedenken, dass diese zusammenkommen, haben die Initianten nicht.

Mit Widerstand einzelner Eigentümer der Parzellen sei aber zu rechnen – der Grüne Ring sei nicht nur ein «Naturschatz», sondern auch finanziell Gold wert, sagt Basil Oberholzer. Von den Landwirten, die den Ring bewirtschaften, gebe es gute Reaktionen. Und die Ortsbürgergemeinde, der bedeutendste Grundbesitzer rund um die Stadt? Immerhin, sagen die Initianten, werbe sie auf ihrer Website mit dem Slogan «Leben im Grünen Ring».

Beim Scheitlingsbüchel prangt an einem der Ställe die passende, wenn auch nicht mehr ganz zeitgemässe Illustration dazu. Über dem Bild steht: «Landwirtschaft – Volltreffer für die Natur».

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