, 24. August 2020
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Immer auf Achse

Am 4. August ist der St.Galler Musiker und Velokurier Thomas Troxler 37-jährig verstorben. Thomas Böhm und Ueli Traber erinnern sich.

Thomas Troxler (Bild: Marina Saanishvili)

Mein Freund und musikalischer Weggefährte Thomas Troxler hat diese Welt verlassen. Seit 20 Jahren war Thomas mein Firstman in der Musik. Ich lernte ihn im Raucherabteil der orangen Trogenerbahn kennen. Wir kamen irgendwie ins Gespräch, unterhielten uns über Musik und er zeigte mir ein Stück eines Jazz Trios.

Er spielte damals in einer Punk-Rock-Formation. Ich war fasziniert von seiner Vielseitigkeit und fragte ihn, ob er eine Band gründen wolle. Etwa drei Jahre lang experimentierten wir in voller Bandbesetzung, danach ging die musikalische Suche zu zweit weiter. Im Webkeller der Familie Troxler fanden wir nach vielen lauten Stunden und guten Mahlzeiten zu unserem neuen Bandnamen: Flieder.

Die Zusammenarbeit mit Thomas war zu zweit noch intensiver. Er konnte sehr willensstark sein und verwickelte mich immer wieder in lange Diskussionen über Details, welche ich erst durch seine Überzeugungskraft erkannte. Er liebte es, zu zweit in eine sachlich durchdachte Welt abzutauchen und zeitvergessen zu diskutieren.

Es war immer ein grosses Unterfangen, wenn wir nach einem Konzert den Heimweg antreten wollten. Die Zeit, die er benötigte, um sich von den Gesprächen zu lösen und sich zu verabschieden, musste jeweils gut einkalkuliert werden. Aber wenn es richtig darauf ankam, war er sofort zur Stelle und hatte einen ausgeprägten Sinn für Effizienz und Schnelligkeit. Nicht ohne Grund gewann er mehrere Titel an den Velokurier-Meisterschaften.

Er war ein grosszügiger Mensch, ging offen und unbefangen auf seine Mitmenschen zu, erschuf mit zwei Freunden mitten in St.Gallen die Blumenau-WG, ein Ort der Begegnung und des Austausches, wo viele schöne Feste stattfanden.

Thomas Böhm, 1982, ist Heilpädagoge in Zürich und Mitbegründer und Loop-Gitarrist der Band Flieder.

Thomas hatte die Gabe, zu den unterschiedlichsten Charakteren eine tiefe Beziehung aufzubauen. Dies war mit ein Grund, warum er mühelos Anschluss an unterschiedlichste Musikprojekte fand. Sein schnelles, breakbeat-artiges Schlagzeugspiel und seine Kompositionsideen waren in jeder Formation, durch alle Musikstile erkennbar. Eine besonders wichtige Rolle spielte er in der Band Pätschwerk, mit der er unzählige Feste bereicherte und noch im vergangenen Juli am Kulturfestival sein letztes Konzert spielen durfte.

Thomas baute in den letzten Jahren sein musikalisches Netzwerk und Know-How immer weiter aus. Als Präsident des Musikerlabels Red Brick Chapel half er anderen Musikern, ihre Träume zu verwirklichen. Er begleitete verschiedene Musikprojekte am Schlagzeug, kümmerte sich um Auftrittsmöglichkeiten, engagierte sich als Produzent und Mischer und gab Schlagzeugunterricht.

Mit seinem Weggang geht für mich nun eine musikalische Ära zu Ende. Das schmerzt sehr. Ich bin aber auch unendlich dankbar für all die Momente, die Abenteuer, die Freundschaft, die Musik, die ich mit ihm erleben durfte. Seine direkte, ehrliche und menschliche Art wird mich für immer begleiten. Danke Thomas.

 

Bild: Susanne Litscher

Thomas hat die Menschen in seinem Umfeld immer bewegt. Durch sein Interesse an seinen Mitmenschen hat er sehr viele Leute gekannt, seine herzliche und empathische Art hat dazu geführt, dass viele davon seine Freunde waren. So berührt auch sein Tod viele.

Thomas hat es einem einfach gemacht, ihn zu mögen. Offen, fröhlich und mit einem grossen Interesse für das Gegenüber. Thomas war stark an politischen und gesellschaftlichen Fragen interessiert, stets gut informiert und mit wachem Geist – ein toller Diskussionspartner, sehr inspirierend.

Ueli Traber, 1981, ist in der Geschäftsleitung beim Velokurier «Die Fliege» in St.Gallen und langjähriger Kuriergefährte von Thomas Troxler.

Während seiner Zeit in der Geschäftsleitung des Velokuriers haben wir oft abendliche, lange Gespräche geführt. Für Thomas musste eine Lösung eines Problems immer gut durchdacht sein. Für laue Kompromisse oder Schnellschüsse war er nicht zu haben. Sein Streben nach der richtigen Lösung konnte anstrengend sein, die Resultate überzeugten jedoch stets. Thomas hatte eine ihm eigene Beharrlichkeit, im Velofahrerjargon: «än zäche Chaib».

Thomas hatte die Fähigkeit sich voll in den Moment zu geben. Mit ihm konnte man gut die Zeit vergessen. Er liebte die Geselligkeit. Wahrscheinlich auch deshalb war ihm die Zeit immer ein knappes Gut. Wenn er mal zehn Minuten «vorig» hatte, gab es da immer etwas, das noch schnell zu tun war. In seinem Freundeskreis wurde das liebevoll als «troxlen» bezeichnet: Nur noch kurz etwas erledigen, wenn man eigentlich auf dem Sprung ist.

Sein Sinn für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit war für die Entwicklung der Kultur im Velokurier St.Gallen immens wichtig, seine Arbeit bei uns hatte auch eine politische und eine kulturelle Komponente.

Auch ausserhalb des Betriebs hat Thomas sich für die Kuriere eingesetzt, so hat er zusammen mit zwei Vertreterinnen von Velokurieren in Zürich und Bern die Verhandlungen für den Gesamtarbeitsvertrag der Schweizer Velokuriere geführt. Und er war eine treibende Kraft bei der Organisation der Meisterschaft der Deutschen und Schweizer Velokuriere 2015 in St.Gallen.

Sein viel zu früher Tod schmerzt sehr. Seine Menschlichkeit und seinen Glauben an das Gute werde ich tief in mir als Andenken bewahren. Ruhe in Frieden, Thomas.

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