Immerhin: Wenigstens sie sind Feuer und Flamme für die neue Bibliothek von Kanton und Stadt St.Gallen. Heute, Donnerstag, hat sich der neu gegründete Verein «Neue Bibliothek: JA!» den Medien vorgestellt. Die Gruppe ist von der SP über die Grünen und Grünliberalen bis hin zur Mitte und FDP parteipolitisch breit aufgestellt. Schwergewichte aus Kantons- und Stadtpolitik fehlen aber. Fehlen noch, muss man sagen. Die Gruppe will mit Blick auf die Volksabstimmung übers Bibliotheksprojekt nämlich ein prominent besetztes Patronatskomitee aufbauen. Gespräche werden bereits geführt.
Vor die Medien traten neben den Co-Präsidentinnen Lisa Vincenz Egger (Co-Präsidentin FDP-Frauen Kanton St.Gallen) und Katrin Schulthess (Kantonsrätin SP, Grabs) die Vorstandsmitglieder Mathias Müller (Kantonsrat Die Mitte, Lichtensteig), Jacqueline Gasser-Beck (Präsidentin Stadtparlament St.Gallen, GLP), Jennifer Deuel (ehemalige Stadtparlamentarierin FDP, Präsidentin Pro Vadiana), Mike Sarbach (Kantonsrat Grüne und Stadtparlamentarier, Wil), Karl Schimke (Präsident Pro Stadtbibliothek und Stadtparlamentarier FDP, St.Gallen) sowie Katia Gmür (Präsidentin Junge Mitte Kanton St.Gallen).
Kämpferisch für ein Ja
Die Komiteemitglieder gaben sich in ihren Voten dezidiert kämpferisch. Nach jahrelanger Planung und unzähligen Debatten sei es höchste Zeit, am optimalen Standort direkt beim St.Galler Marktplatz mit der grossen Bibliothek etwas Zukunftsweisendes entstehen zu lassen. Mit der Übernahme des Union-Gebäudes und einem Neubau auf dem Blumenmarkt könnten die heute dezentralen Standorte der Kantons- und Stadtbibliotheken zusammengelegt werden.
Das heisst für Lisa Vincenz Egger und Katrin Schulthess konkret: «Raus aus den verstaubten, sanierungsbedürftigen Gemäuern der Vadiana, St.Katharinen und der Hauptpost. Schluss mit den ewigen Provisorien und rein in ein lichtdurchflutetes, offenes, grosszügiges und modernes Gebäude.» Damit entstehe ein analoger Ort, an dem man sein Gegenüber von Angesicht zu Angesicht treffen könne. Und das sei in einer zunehmend digitalisierten Welt nötiger denn je.
Leuchtturm für den ganzen Kanton
Die neue Bibliothek nach dem Konzept einer «Public Library» werde schweizweit einmalig sein, hiess es dazu. Man plane hier kein verstaubtes Bücherlager. Vielmehr solle mit der neuen Bibliothek ein Ort für alle entstehen, an dem vieles möglich sein werde. An dem man auch eine Nähmaschine oder einen Bass ausleihen könne. Die Bibliothek werde ein Leuchtturm, von dem der ganze Kanton profitiere. Sie sei so eine Investition in die Zukunft und den Zusammenhalt des Ringkantons St.Gallen.
Interessanter als die weitgehend bekannten Argumente fürs Projekt war die Runde mit kritisch-skeptischen Journalistenfragen, etwa zum Sinn einer neuen Bibliothek oder zu den politischen Chancen des Projekts. News zum Fahrplan der Kantonsregierung gab es dabei keine. Auch das Ja-Komitee kennt den Termin der Publikation der überarbeiteten Bibliotheksvorlage noch nicht. Dass man sich jetzt als Verein gegründet und den Schritt an die Öffentlichkeit getan habe, hänge mit der Erwartung zusammen, dass es für ein Ja noch viel Überzeugungsarbeit brauchen werde. Man glaube aber fest an die Realisierbarkeit des Projekts und stehe voll und ganz dahinter, hiess es mehrfach.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Mitte-Kantonsrat Mathias Müller nannte die Behandlung der Bibliotheksvorlage im Kantonsrat auch eine Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der Politik. Immerhin hätten sich 10'000 Stimmberechtigte Anfang der 2010er-Jahre mit ihrer Unterschrift unter der Initiative für eine gemeinsame neue Bibliothek ausgesprochen. Das daraufhin erlassene Bibliotheksgesetz enthalte zudem den glasklaren Auftrag, eine solche Institution in der Stadt St.Gallen zu schaffen.
Ein Journalist wollte wissen, ob man versuche, private Geldgeber (wie etwa Stiftungen) zur Mitfinanzierung der neuen Bibliothek zu gewinnen. Das sei angedacht, sagte Co-Präsidentin Lisa Vincenz Egger. Allerdings sei es noch zu früh, um darüber öffentlich Aussagen machen zu können. Auch ein Übungsabbruch, von dem gerüchteweise immer wieder einmal die Rede war, ist gemäss Ja-Komitee kein Thema. Auch am Standort Union und Blumenmarkt sowie am Projekt «Doppeldecker» soll grundsätzlich festgehalten werden.
Und wo sind die bekannten Persönlichkeiten aus allen Lagen des Lebens, die sich öffentlich zum Projekt der gemeinsamen neuen Bibliothek bekennen? Die Schaffung eines prominent besetzten Patronatskomitees sei angedacht, wurde darauf am Donnerstag geantwortet. Man befinde sich in einer frühen Phase des Entscheidungsprozesses. Im nächsten Schritt gehe es darum, die Parlamente von Kanton und Stadt St.Gallen vom Vorhaben zu überzeugen. Und dafür habe man fürs Ja-Komitee politisch breit abgestützte und gut vernetzte Personen gesucht und gefunden.
Eine turbulente Vorgeschichte
Zur Erinnerung: Kanton und Stadt St.Gallen wollen ein neues Kapitel bei ihren Bibliotheken aufschlagen. Dies, weil Kantons- wie Stadtbibliothek konzeptmässig in die Jahre gekommen sind und unter Platzmangel leiden. Seit 2015 ist ein gemeinsames Bibliotheksprovisorium in der St.Galler Hauptpost untergebracht. Nachdem der Kantonsrat dessen Überführung in eine definitive Form an diesem Ort abgelehnt hatte, ist jetzt das Projekt für eine gemeinsame Bibliothek im Geschäftshaus Union und in einem Neubau auf dem benachbarten Blumenmarkt in Diskussion.
Das Siegerprojekt für dieses Vorhaben ist gekürt und der Kanton hat eine Vorlage für die Realisierung mit einem Preisschild von über 140 Millionen Franken erarbeitet. In der Vernehmlassung gab es 2024 Kritik seitens der bürgerlichen Kantonalparteien gerade auch an Investitions- wie Betriebskosten. Die Kantonsregierung verfügte einen Marschhalt und die Überprüfung der Vorlage. Dabei soll auch nach Möglichkeiten für Kostenreduktionen gesucht werden. Die Überprüfung ist noch im Gang. Gemäss Fahrplan der Regierung sollen die Resultate bis Ende Jahr vorliegen.
Schwerer Stand schon im Kantonsrat
Die Vorgeschichte wie die jüngsten Signale aus der Kantonspolitik machen eines klar: 2026 könnte es auch die abgespeckte Bibliotheksvorlage im Kantonsparlament, eine der grossen Hürden, die sie nehmen muss, schwer haben. Die Mehrheitsverhältnisse im 120-köpfigen Rat sind knapp. Dies wegen der Stärke der SVP mit ihren 42 Sitzen sowie den nach rechts aussen tendierenden starken Kräften in den Fraktionen von FDP und Mitte/EVP. Auch bei diesen beiden Fraktionen dürfte noch viel interne, letztlich dann auch entscheidende Überzeugungsarbeit für ein Ja nötig sein.
Fürs befürwortende Komitee wäre schon ein knappes Ja im Kantonsrat ein Erfolg. Damit hätte das kantonale Stimmvolk das letzte Wort zur Bibliotheksvorlage. Bei einem solchen Urnengang wäre es keine Überraschung, wenn die SVP wieder auf Fundamentalopposition und Polemik machen würde – ähnlich wie beim am 18. Mai abgelehnten Finanzausgleichsgesetz. Wenn es so weit kommt, wartet aufs Ja-Komitee da eine zweite harte Nuss. Um sie zu knacken, müsste der Abstimmungskampf wohl auch von der Ja-Seite lauter und aggressiver als beim Finanzausgleich geführt werden.
Dass dem so ist, ist den Vertreter:innen des neuen Vereins «Neue Bibliothek: JA!» sehr wohl bewusst. Es werde viel Arbeit brauchen, um den Kantonsrat und danach das Stimmvolk in Stadt und Land vom Vorhaben zu überzeugen, bestätigte beispielsweise Mitte-Kantonsrat Mathias Müller am Donnerstag auf eine Medienfrage: «Uns allen ist klar, dass da eine Knochenbüetz auf uns wartet!»