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Jassen für Guatemala
Jassen mit entspanntem Gewissen ist zumindest einmal im Jahr möglich: beim Rojinegro-Preisjassen. Es findet diesen Samstag zum 30. Mal in St.Gallen statt, der Erlös geht nach Guatemala.

Gejasst wird gut schweizerisch: Schieber mit Obenabe und Unenufe. Aber das Rojinegro-Preisjassen hat mehr im Sinn: Auch mit der Welt soll es wenigstens ein bisschen «ufe» statt «abe» gehen. Der Erlös kommt daher nicht ins Jasskässeli, sondern wird gespendet.
Und das seit 30 Jahren. In den Anfängen, erinnert sich Mit-Initiantin Judith Eisenring im Gespräch mit der Woz, hätten Leute aus Zürich noch über den «Bünzlisport» gespottet. «In St.Gallen konnten wir uns das aber irgendwie leisten, wir waren nicht so dogmatisch.» Und seit 1992 gibt es das Solidaritäts-Jassen auch in Zürich.
Dieses Jahr kommt die Unterstützung dem Fonds zur Unterstützung von Menschenrechtverteidigerinnen und -verteidigern in Guatemala MRV zu. Dieser Fonds des Guatemala-Netzes Zürich dient dazu, Menschen, die im Kampf für kollektive Rechte in wirtschaftliche Not geraten, für eine beschränkte Zeit konkret und unbürokratisch zu unterstützen.
Rechtsstaatlichkeit in Gefahr
Der Fonds ist im Sommer 2015 unter dem Namen «Solidarität – konkret» eingerichtet worden. Den Hintergrund umschreiben die Initianten so: «Der Staat Guatemala schlittert zur Zeit unter der autoritären Herrschaft des Präsidenten Jimmy Morales und des Kongresses, in dem der ‚Pakt der Korrupten‘ die Zügel in Händen hält, auf einen technischen Umsturz zu. Die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG), die besonders seit 2015 Schritte auf eine Erneuerung von Gesellschaft und Rechtsstaatlichkeit möglich gemacht hatte, soll geschlossen werden, ja selbst das Verfassungsgericht, das die Willkür von Regierung und Parlament als verfassungswidrig erklärte, soll abgeschafft werden. In diesem politischen Umfeld haben Frauen und Männer, die sich für kollektive Rechte ihrer Dorfgemeinschaften einsetzen, einen schweren Stand.»
Gemäss seinem Jahresbericht unterstützte der Fonds im Jahr 2018 unter anderem die Mitglieder der Fischerzunft in El Estor: «Die Nickelmine Fénix in El Estor, die seit ein paar Jahren einem Konzern gehört, der seinen Sitz in der Schweiz hat, geht mit gewaltlosem Widerstand gegen seine umweltzerstörerischen Aktivitäten ruppig um. Sie hat Mitglieder der Fischerzunft, die sich gegen die Verschmutzung des Izabal-Sees durch die Firma CGNnmit Klagen vor Gericht und Manifestationen wehrten, kriminalisiert. Elf Personen wurden mit einem Haftbefehl belegt.» Der Fonds versuchte, mit Geld für eine Kaution und für die Lebenshaltungskosten der Familien zu helfen.
Weitere Beispiele sind Reyna Mateo, eine Menschenrechtsaktivistin, für deren Anwaltskosten der Fonds einstand, oder zwei Organisationen des indigenen Volks der Ch’orti’s, die für ihre territorialen Ansprüche kämpfen. Ein weiterer gewaltloser Widerstand gilt der Verhinderung eines Wasserkraftwerks in Ixquisis; dort hilft der Fonds ebenfalls mit der Übernahme von Anwaltskosten.
Die Hoffnung auf Befreiung
Entstanden sei das Projekt vor 30 Jahren aus der Erfahrung des Befreiungskampfs in Nicaragua, sagt Judith Eisenring im Woz-Gespräch: «Wir suchten Wege, die Befreiungsbewegungen in Zentralamerika zu unterstützen. Wir organisierten Feste mit Tombola wie auf dem Land – nur spielte bei uns eine andere Musik.»
Heute würde ihr Einsatz vielleicht der Autonomiebewegung in Rojava gelten, sagt Judith Eisenring. Damals stand Lateinamerika «für eine verbindende Utopie, die Sehnsucht, dass sich Menschen von Armut und Unterdrückung befreien können. Wenn ich aber zusehen muss, wie sich der Imperialismus und Kapitalismus in Zentralamerika ausbreiten, ist das sehr schmerzhaft. Ich weiss nicht, ob ich nochmals so viel Hoffnung für eine vergleichbare Sache aufbringen könnte».
Rojinegro Preisjassen: 23. März, 13 bis 22 Uhr, Militärkantine St.Gallen
Bei allem politischen Engagement: Sinn und Zweck des Anlasses ist es auch, Spass zu haben und Geselligkeit zu pflegen, und dies über alle Generationen hinweg. Die Teams werden ausgelost, das sorgt für gerechte Verhältnisse auch im Kleinen. 2018 kamen immerhin rund 12’000 Franken zusammen, die einer Schule in Nicaragua überwiesen wurden.