, 4. März 2015
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Rare Jobs, aber wenig Arbeitslose

In den Ostschweizer Medienhäusern sind in den letzten Jahren viele Stellen gestrichen worden. Trotzdem sind die Arbeitslosenzahlen nicht dramatisch. Das hat zwei Gründe: Das Berufsfeld der Medienschaffenden ist schlecht definiert, und bei den RAV sind viele Stellenlose gar nicht erst registriert.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das monatlich für die ganze Schweiz den Bericht «Die Lage auf dem Arbeitsmarkt» veröffentlicht, definiert den Journalistenberuf gemäss der «Schweizerischen Berufsnomenklatur 2000». Diese Berufsdatenbank des Bundesamtes für Statistik (BfS) umfasst etwa 17’000 Berufe. Unter dem Sammelbegriff «Wort-, Bild- und Printmedienschaffende», werden Journalisten, Redaktoren, Korrektoren, Lektoren, Übersetzer, Dolmetscher und übrige Wort-, Bild- und Printmedienschaffende wie Kraut und Rüben einsortiert. Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) zählt zu dieser bunten Berufsspezies in der ganzen Schweiz rund 14’000 Personen.

Die Gewerkschaften Syndicom und das Syndikat Schweizer Medienschaffender SSM sowie der Berufsverband impressum hingegen ordnen nur 7100 Personen im Berufsfeld Journalismus ein. Massgebend dafür ist das von diesen Organisationen geführte Berufsregister «Medienschaffende BR». Wer die geschützte Berufsbezeichnung tragen darf, muss sein Haupterwerbseinkommen mit Journalismus bestreiten und den Pressekodex anerkennen. Zu den im BR erfassten Berufsleuten zählen neben den klassischen Medienschaffenden auch RealisatorInnen, MediendokumentalistInnen, MedienillustratorInnenen sowie RegisseurInnen.

Keine Bestandeszahlen zu den Medienschaffenden in der Ostschweiz

Bei dem Wirrwarr in der Berufsdefinition lässt sich die Zahl der in der Ostschweiz tätigen Journalisten und Journalistinnen nicht eruieren. Darüber müsste spekuliert werden. Fassbarer sind aber die Arbeitslosen, die sich unter der Berufsgruppe «Medienschaffende und verwandte Berufe» bei den RAV melden. Unten die Durchschnittszahlen, die das Seco erhoben hat.

Verglichen mit den gesamtschweizerischen Durchschnittszahlen scheint in der Ostschweiz nachgerade Vollbeschäftigung zu herrschen: 2012 waren in der Schweiz 417 Medienschaffende ohne Stelle, 2013 waren es 465 und 2014 wurden 423 von den RAV in dieser Berufsgruppe registriert. St.Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden werden dominiert durch die «Tagblatt»-Medien, Graubünden und Glarus durch die «Südostschweiz» Presse und Print AG (Somedia) und Schaffhausen durch die Meier + Cie. AG. Die Medienunternehmen sind aber alles andere als anstellungsfreundlich. Bei medienjobs.ch, dem grössten Online-Stellenmarkt für die Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche, erscheinen nur selten Stellenangebote aus der Ostschweiz.

Für junge Leute sind Medienjobs weiterhin attraktiv

Nach wie vor wollen sich auch in der Ostschweiz junge Leute für Medienjobs ausbilden lassen, auch wenn die Chance auf eine Anstellung gering ist. – Die Hälfte der Kursteilnehmenden an der Medienschule St.Gallen sind laut Schulleiter Felix Mätzler in einem Praktikum oder anderweitig journalistisch tätig. «Von den Restlichen suchen und schaffen nur Vereinzelte den direkten Einstieg, manche als Praktikanten oder auch direkt als Redaktoren.» Die wenigsten der Kursteilnehmenden würden direkt einen Medienjob suchen, sagt der Schulleiter. «Die Leute sind nicht naiv, und sie wissen, dass der Besuch der Medienschule nur ein Mosaiksteinchen auf dem Weg in den Journalismus ist.»

Im Jahr 2012 haben acht Personen die Ausbildung an der MS absolviert. 2013 waren es 16 und 2014 bereits 19. Mätzler rechnet mit 14 Teilnehmenden, die in diesem Jahr die Schule abschliessen.

Seine Erfahrungen mit dem Zugang zum Journalistenberuf für Neuanfänger sind ernüchternd. «Die Medienunternehmen haben die journalistische Grundausbildung längst privatisiert», sagt er. Wenn einer nicht mit Uni-Abschluss oder ZHAW daher komme, müsse er schon zwingend (journalistisch) schreiben, also entsprechende Texte vorweisen können. Sonst werde er gar nicht angeschaut. Der Journalistenberuf habe sich verändert und sei für viele junge Leute kein Brotberuf mehr, sondern ein (Teilzeit-) Job. «Die Leute schreiben einfach gern, viele auch in Bereichen, wo sich kein Geld verdienen lässt, auf Internetportalen, in Blogs, mit wenig Hoffnung daraus einmal eine – gar lebenslange – Anstellung machen zu können», sagt Mätzler. Journalistisches Arbeiten (Recherchieren, Interviewen, Moderieren, Texten) werde zu einer Grundfertigkeit wie Rechnen oder  Spracherwerb.

Beim St.Galler Ausbildungsradio toxic.fm sind in den letzten drei Jahren rund 80 Personen ausgebildet worden. Ab 2014 ist zum Radio- auch ein Videolehrgang hinzugekommen. «Nicht alle Absolventen und Absolventinnen der Ausbildung kommen zu uns mit der Absicht, einen Medienjob zu ergreifen», sagt Geschäftsführer Philipp Kröger. «Wir haben auch viele Studierende von der HSG, die eine berufliche Tätigkeit im Marketingbereich anvisieren. Andere wiederum wollen über die Ausbildung herausfinden, ob sie sich für einen Medienberuf eignen respektive Lust darauf haben. Nicht für alle ist dann ein solcher Beruf auch das Richtige.»

Toxic.fm zählt nicht, wie viele der Ausgebildeten schliesslich einen Medienberuf ausüben. «Das können wir auch nicht», sagt Kröger. «Unser Ziel ist nicht, dass die Absolventen und Absolventinnen unserer Ausbildung einen Medienberuf ergreifen. Wir wollen den Leuten die Grundlagen der Medienarbeit vermitteln. In vielen Berufen verbessern heute solche Kenntnisse die Chancen auf eine Anstellung und können auch später im Berufsleben sehr hilfreich sein.»

Stellenangebot schrumpft unterschiedlich

Die SAKE sieht im Berufsfeld Journalismus ein überdurchschnittliches Stellenwachstum. Zwischen 2004 und 2014 sei die Zahl der Arbeitsplätze um 31 Prozent auf 4000 gestiegen. Das Wachstum aller Berufe habe in diesem Zeitraum aber nur 15 Prozent betragen.

«Es gibt unterschiedliche Zahlen und Einschätzungen über offene Stellen und Arbeitslose im Journalismus», sagt Roland Kreuzer, Leiter Sektor Medien bei der Gewerkschaft Syndicom, mit Blick auf die gesamtschweizerische Arbeitsmarktlage. «Einerseits wird der Journalistenberuf nicht überall gleich definiert. Die Grenzen sind heute sehr fliessend. Andererseits lassen sich nicht alle Journalisten, die gekündigt worden sind, bei den RAV registrieren. Einige werden Freiberufler und versuchen so über die Runden zu kommen. Neben den statistischen Erfassungen gibt es sicher eine beachtliche Dunkelziffer. Mir kommt das manchmal vor wie Kaffeesatzlesen.»

Das journalistische Stellenangebot sei insgesamt geschrumpft, jedoch unterschiedlich, meint der Gewerkschafter. «Wegen des signifikanten Rückgangs bei der Werbung ist der Anteil der gestrichenen Stellen bei den Printmedien grösser als bei Radio und Fernsehen, wo die Gebühren einigermassen stabile Einnahmen darstellen und der Informationsauftrag auch einen Teil der Arbeitsplätze sichert.» – Natahlie Weber, Zentralsekretärin beim Journalistenverband impressum, sagt: «Im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit konsultieren wir die Statistiken des Seco nicht, weil sie zu unverbindlich sind.»

1 Kommentar zu Rare Jobs, aber wenig Arbeitslose

  • Anton sagt:

    Es ist eigentlich Schade das immer weniger Stellen angeboten werden.
    Viele vernachlässigen die Kraft der Printmedien und schalten die Werbung nur online, doch ich finde die Kombination aus offline und online Werbung sollte Hand in Hand gehen. So mit erzielt man die meiste Wirkung gewinnt an neuen Kunden und festigt das Vertrauen der bestehenden Kunden.

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