Kapitalismuskritik per «deus ex machina» 

Szene aus Die Dreigroschenoper (Bild: pd/Ilja Mess)

Unter freiem Himmel auf dem Münsterplatz zeigt das Theater Konstanz Brechts Die Dreigroschenoper. Zu sehen ist das von Christina Rast inszenierte Stück in Gothic-Ästhetik noch bis zum 27. Juli.

Schnee­weis­se Ge­sich­ter mit ra­ben­schwar­zen Au­gen und Mün­dern. Klei­dung in Schwarz-Weiss, ger­ne mit Strei­fen, und nicht feh­len darf die Le­der­ja­cke. Wer jetzt an die US-ame­ri­ka­ni­sche Hard-Rock-Band Kiss denkt, liegt falsch. Ge­sun­gen wird zwar schon auf dem Müns­ter­platz in Kon­stanz, nur halt nicht I Was Ma­de For Lo­vin’ You, son­dern die Mo­ri­tat von Ma­ckie Mes­ser.

Noch bis zum 27. Ju­li zeigt das Thea­ter Kon­stanz das be­kann­te Thea­ter­stück Die Drei­gro­schen­oper von Ber­tolt Brecht und Eli­sa­beth Haupt­mann mit den Kom­po­si­tio­nen von Kurt Weill. In­sze­niert wird es von der Re­gis­seu­rin Chris­ti­na Rast un­ter frei­em Him­mel, mit dem Müns­ter «Un­se­rer Lie­ben Frau» im Hin­ter­grund. Gan­ze drei­ein­halb Stun­den (in­klu­si­ve Pau­se) dau­ert das Spek­ta­kel. Ver­ant­wort­lich für die mu­si­ka­li­sche Um­set­zung ist Ga­bri­el Venz­ago, das Or­ches­ter be­steht un­ter an­de­rem aus Mit­glie­dern der Bo­den­see Phil­har­mo­nie, am Kla­vier sitzt Ru­dolf Hart­mann, sin­gen tun die Schau­spie­ler:in­nen selbst.

Ei­ne Oper ist das Stück üb­ri­gens nicht, trotz ir­re­füh­ren­dem Ti­tel, auch «kei­ne pa­cken­de Lie­bes- oder Held:in­nen­ge­schich­te», wie das Thea­ter Kon­stanz schreibt. Viel­mehr ge­he es «um Ver­rat, Raub und Mord». Lie­be kommt trotz­dem vor, und so­gar ge­hei­ra­tet wird. Aber von vor­ne.

Der Lon­do­ner Stadt­teil So­ho um 1837: Der Gen­tle­man-Gangs­ter Ma­ckie Mes­ser, der gar nicht so gen­tlem­an­haft ist, herrscht über die Un­ter­welt. Er hat gu­te Ver­bin­dun­gen zur Po­li­zei und auch sonst läufts nicht schlecht für ihn. Sein Ge­gen­spie­ler wie­der­um, der Bett­ler­kö­nig Peachum, or­ga­ni­siert das Bet­tel­e­lend auf den Stras­sen und kas­siert or­dent­lich mit. Als sich Pol­ly, Peach­ums Toch­ter, in Ma­ckie ver­liebt und ihn hei­ra­tet, kommt es zum end­gül­ti­gen Bruch zwi­schen den Kon­tra­hen­ten. Ver­rat, Ver­haf­tung, und fast ei­ne Hin­rich­tung. Denn am Schluss kommt doch al­les an­ders. De­us ex ma­chi­na. Das Stück en­det mit Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik und den letz­ten Stro­phen der Mo­ri­tat.

Ur­auf­ge­führt wur­de Die Drei­gro­schen­oper 1928 in Ber­lin. Wo­bei Brecht das Stück da­mals als Kri­tik an ei­ner Welt ver­stand, in der sich selbst Mo­ral und Gna­de kau­fen lies­sen. Fast hun­dert Jah­re spä­ter fragt die In­sze­nie­rung in Kon­stanz «nach der Ak­tua­li­tät von Brechts Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik» und «was den Men­schen in der Not um­treibt – da­mals wie heu­te».

Die Drei­gro­schen­oper: bis 27. Ju­li, Müns­ter­platz Open Air, Kon­stanz.

sai­ten.ch/ka­len­der