, 20. August 2021
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«Kein Platz für Konsumzwang»

Die Parkplätze vor der St.Galler Grabenhalle werden endlich aufgelöst, jetzt sind frische Ideen gesucht. Meret Trösch, Präsidentin des Vereins Platzpark, über den langen Weg dahin und den partizipativen Prozess, der den Platz zum Leben erwecken soll.

Meret Trösch auf dem Platz, der bald autofrei wird. (Bild: co)

Saiten: Es war ein langwieriger Prozess. Lanciert wurde die Diskussion um die Nutzung des Platzes vor der Grabenhalle bereits 2007, seit einiger Zeit ist der Verein Platzpark mit der Stadt im Austausch. Jetzt ist ein Ende in Sicht: Mit der geplanten Eröffnung des Parkhauses UG 25 Ende 2023 werden die Parkplätze vor der Grabenhalle aufgehoben und der Raum kann neu genutzt werden. Wie ist die Stimmung im Verein?

Meret Trösch: Sehr zuversichtlich – jetzt wieder. Wir hatten ein ziemliches Tief während Corona, als wir unsere Sitzungen nur online abhalten konnten. Das hat die Motivation gedämpft. Aber jetzt, wo wir uns wieder richtig treffen können, ist die Euphorie gross. Alle sind motiviert und engagieren sich, so gut sie können.

Ihr arbeitet mit der Stadt St.Gallen zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?

2015 haben wir der Stadt erstmals ein Nutzungskonzept für den Parkplatz vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Stadt selber noch nicht so recht, was sie mit dem Platz will. 2019 haben sich Palace und Grabenhalle dann zusammengetan und das Konzept nochmals detaillierter ausformuliert. Dieses Mal stiessen wir auf offene Ohren, auch weil die Parkplätze mit dem geplanten Bau der UG25 überflüssig werden. Seither stehen wir in Kontakt mit der Stadt, allen voran mit dem Departement Bau und Planung. Es gab bereits mehrere Sitzungen, unter anderem auch mit Stadtgrün und der Stapo. Nun liegt es an uns, konkrete Ideen für die Nutzung des Platzes auszuarbeiten und diese der Stadt zu präsentieren.

2019 war Maria Pappa noch Bauchefin.

Ja, dass Bewegung in die Sache kam, ist sicher ihr zu verdanken. Sie hat sich sehr für den Platz eingesetzt. Als Markus Buschor Anfang Jahr das Baudepartement übernahm, waren wir zuerst etwas unsicher. Die Sorge war aber unbegründet.

Bis auf sechs Handwerksparkplätze sollen alle aufgelöst werden. Seid ihr zufrieden mit diesem Kompromiss?

Als wir den Verein Platzpark 2019 gegründet haben, mussten wir uns entscheiden: Gehen wir «All in» oder mit einem Kompromiss in die Verhandlungen? Wir haben uns dann für den Kompromiss entschieden, nicht zuletzt, weil die Grabenhalle diese Parkplätze auch selber braucht, etwa für Anlieferungen oder Bandbusse. So gesehen sind wir zufrieden.

Im Juli habt ihr einen partizipativen Prozess gestartet, um Ideen für die künftige Nutzung des Platzes zu sammeln. Wer ist da wie involviert?

Der Prozess steht noch ziemlich am Anfang. Bisher haben wir in den Sozialen Medien zur Teilnahme aufgerufen, alle möglichen Vereine angeschrieben, uns mit der städtischen Jugendinformationsstelle «Tipp» kurzgeschlossen und die engere und weitere Nachbarschaft abgeklappert. Zudem gehen wir bei Anlässen in der Grabenhalle und im Palace immer aktiv auf die Leute zu, damit möglichst viele sich einbringen. Das erste grosse Treffen findet am 18. September statt, dann startet der Partizipationsprozess richtig.

Erste Ideen sind bereits zusammengekommen. Was schwirrt da so herum?

Allerhand. Die Wall of Fame sucht einen festen Standort, andere träumen von einer Buvette, die Skater:innen liebäugeln mit einem überdachten Platz, und wieder andere wünschen sich Rutschbahnen oder «etwas mit Wasser». Auch kommerzielle Ideen sind vertreten. Wir lassen das alles so stehen für den Moment und wollen nichts aussortieren, obwohl wir eigentlich eine kommerzielle Nutzung des Platzes vermeiden wollen. Das werden wir am ersten grossen Treffen nochmals betonen und ausführen.

Warum ist es so wichtig, dass der Platz niederschwellig und nicht kommerziell genutzt wird?

Weil es in St.Gallen schon genug kommerziell genutzte Plätze gibt. Obwohl sich die Stadt gerne als offener und niederschwelliger Ort versteht, herrscht vielerorts Konsumzwang. Wir hingegen wollen einen Ort, wo man einfach sein kann, wo wenig Druck herrscht und sich alle wohlfühlen können – ganz in der Tradition von Grabenhalle und Palace.

Fast ein Ding der Unmöglichkeit, die Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen unter einen Hut zu bringen… Wie geht ihr mit dieser Herausforderung um?

Indem wir versuchen, möglichst viele Anspruchsgruppen direkt anzusprechen, zum Beispiel Jugendliche, migrantische Vereine oder die Suchtfachstelle. Uns ist es wichtig, auch Gruppen miteinzubeziehen, die sonst gern untergehen oder wenig zu Wort kommen. Der Platz soll kein Selbstverwirklichungsprojekt von Grabenhalle und Palace werden, sondern ein niederschwelliger Raum für alle – das müssen wir uns auch selber immer wieder in Erinnerung rufen. Aber ja, allen kann man es nie recht machen. Was auch okay ist, denn «Reibungen» gehören zu den Eigenschaften öffentlicher Räume.

Am 18. September treffen sich zum ersten Mal alle live. Welche Erwartungen habt ihr an diesen Nachmittag?

Wir wünschen uns, dass möglichst viele, möglichst unterschiedliche Menschen kommen und dass die Ideen ohne Vorbehalte geteilt werden, auch wenn sie noch so utopisch sind. Damit am Schluss ein grosses Sammelsurium von Ideen und Vorschlägen entsteht. Und wir würden uns freuen, auch ein paar neue Gesichter zu sehen, die sich aktiv mitverantwortlich fühlen. Alle sollen sich trauen, ihre Idee einzubringen und das Wort zu ergreifen. Achtsam, offen und tolerant zu sein, ist uns wichtig.

Grosse Ideensammlung:
18. September, 14 bis 18 Uhr, Grabenhalle St.Gallen

platzpark.ch

Wie geht es nach der grossen Ideensammlung weiter?

Wir werden im Verein zunächst alles strukturieren und verwandte Ideen mit Oberbegriffen zusammenfassen. Beim nächsten grossen Treffen wird aussortiert. Erst dann wird diskutiert, ob eine Idee umsetzbar machbar ist, ob möglichst viele Bedürfnisse gedeckt werden können oder ob man noch weitere Anspruchsgruppen ins Boot holen muss. Und am Schluss dieses partizipativen Prozesses resultiert hoffentlich ein konkreter Projektvorschlag, den wir der Stadt vorlegen und gemeinsam umsetzen können.

Meret Trösch, 1994, ist Produktedesignerin und Präsidentin des Vereins Platzpark.

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