, 27. September 2013
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Kinder und Velo: Keine Erfolgsgeschichte

Immer weniger Kinder und Jugendliche nutzen das Velo für den Schulweg – auch in St.Gallen. Die Begründungen: Bequemlichkeit, fehlende Sozialkontakte oder Angst der Eltern. Alexandra Wohlgensinger hat sich umgehört.

Vor 20 Jahren war das Velo noch Hauptfortbewegungsmittel vieler Kinder und Jugendlicher. Heute herrscht oft gähnende Leere auf den Veloparkplätzen vor Schulen. «Bestenfalls ein Zehntel unserer 300 Schüler kommt mit dem Velo zur Schule», sagt Rolf Breu, Schulleiter des Oberstufenzentrums Schönau. Bei anderen städtischen Oberstufenschulhäusern sind es sogar noch weniger: «Unser Veloständer ist eigentlich immer frei. Das bescheidene Level an velofahrenden Schülern ist in den letzten Jahren sogar noch gesunken», so Heier Rothenfluh, Schulleiter der Sekundarschule Blumenau.Noch schlechter sieht es bei den städtischen Primarschulen aus. Dort ist das Velo oft verboten; mindestens für Kinder, die einen nicht allzu weiten Schulweg haben.

Kein Wunder, ist bei den St.Gallen Kindern und Jugendlichen das Velo nicht mehr das Fortbewegungsmittel Nummer eins. Die Beobachtung deckt sich mit den Zahlen des Bundesamtes für Statistik: In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl fahrradfahrender Kinder in der Schweiz halbiert. Weniger als zehn Prozent der Verkehrswege werden von Kindern und Jugendlichen mit dem Fahrrad zurückgelegt.

Die Eltern haben Angst
Viele Schüler und Schülerinnen in St.Gallen ziehen den Bus als Transportmittel vor. Gründe dafür gibt es viele. «Für die Jugendlichen ist der soziale Aspekt sehr wichtig. Auf dem Fahrrad ist es schwieriger, Kontakte zu pflegen. Im Bus können sie SMS verschicken», sagt Schulleiter Andy Prinzig vom Schulhaus Engelwies und Bruggen. Von den Stadtbehörden wird die «Velofaulheit» der Schüler noch gefördert: Kinder, die mehr als drei Kilometer Schulweg haben, erhalten gratis ein Busabo.

Für den Bus spricht auch das Sicherheitsdenken vieler Eltern. «Diese haben Angst, ihre Kinder velofahren zu lassen», sagt Schulleiter Breu. Eine Angst, die zumindest statistisch unbegründet ist: In den letzten zwei Jahren sind laut Auskunft der Stadtpolizei lediglich vier Kinder mit dem Velo verunfallt, deutlich weniger als früher. Zudem ist der St.Galler Nachwuchs auch verkehrstauglich: «Die Kinder hier haben ein sehr hohes Niveau», sagt Michael Städler vom Verein Pro Velo St.Gallen. Der Verein bietet regelmässig Velofahrkurse für Kinder und Erwachsene an. Städler, selber Vater von vier Kindern, versteht zwar die Ängste der Eltern, doch: «Für die Gesundheit der Kinder ist diese Veloabstinenz nicht gut.»

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Das Velo als Luxusprodukt
Auch wenn die Kinder immer weniger mit dem Velo in die Schule fahren – laut Michael Städler ist das Fahrrad in den Quartieren immer noch sehr bliebt. «Das Velo ist heute ein Statussymbol. Kinder fahren prinzipiell gerne ein cooles Velo.» Auch Marcel Studerus von «Velo Studerus» glaubt nicht, dass Kinder und Jugendliche keine Lust mehr aufs Velofahren haben. Vielmehr sei das Problem, dass das Velo zum Luxusprodukt werde. «Ein gutes Kindervelo kostet 700 Franken. Das können sich viele Eltern gar nicht mehr leisten. Schon gar nicht, wenn sie mehr als ein Kind haben.»

Dazu kommt, dass an vielen Schulen die abgestellten Fahrräder absichtlich beschädigt werden. «Nicht unbedingt von Mitschülern, sondern auch von Fremden, da der Veloparkplatz frei zugänglich ist», sagt Schulleiter Rolf Breu. So überlegen sich auch die «velofreundlichen» Kinder, ob sie ihr Lieblingsstück wirklich der Ungewissheit im schulischen Veloparkplatz überlassen wollen.

Das Velofahren nicht verlernen
Gegen die Veolabstinenz der jungen Leute geht nun aber das Oberstufenzentrum Schönau vor. Dort werden die Lehrer als Vorbilder eingesetzt, sagt Schulleiter Rolf Breu: «Ein Drittel bis die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer kommt hier mit dem Fahrrad zur Arbeit. Sie stellen ihre Velos dann prominent vor dem Eingang ab, so dass die Kinder animiert werden.» Sergio Spadini, Schulleiter der Realschule Bürgli, würde es ebenfalls sehr schätzen, wenn wieder mehr Schüler mit dem Velo zur Schule kämen. Die Lehrerschaft stellt regelmässig einen Geschicklichkeitsparcours für Fahrräder auf dem Pausenplatz auf. «Damit die Kinder das Velofahren nicht ganz verlernen.»

 

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