, 30. Juni 2019
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Klanghaus: Tal und Städte sagen Ja

Die St.Galler Stimmberechtigten sagen mit 54 Prozent Ja zum Klanghaus am Schwendisee. Wildhaus selber, das Toggenburg und die Städte gaben den Ja-Ausschlag. Im Süden kam das Projekt hingegen schlecht an. Initiant Peter Roth atmet durch.

Ein «da capo» für das Klanghaus (Bild: klangwelt.ch)

Das Resultat zementiert einmal mehr das Nord-Süd-Gefälle im Kanton, das bereits bei der letzten Kultur-Bau-Vorlage, der Renovation des Theaters St.Gallen, auffällig war: Das Sarganserland lehnt fast geschlossen ab, die Region hinter dem Ricken mit Ausnahme von Rapperswil-Jona und Uznach mehrheitlich auch, wobei hier die Querelen um die Kanti Wattwil wohl stärker hineinspielten als das Klanghaus selber. Starke Neinmehrheiten gab es auch im Fürstenland und teils im Rheintal – Rüthi mit 67 Prozent ist der Nein-Spitzenreiter.

Klare Zustimmung dagegen in den Städten: St.Gallen liegt mit 63 Prozent an der Spitze, Wil, Rorschach und Rapperswil-Jona sagen klar Ja. 41 von 77 Gemeinden standen hinter dem Projekt.

Und Wildhaus-Alt St.Johann? Die Standortgemeinde, im Vorfeld uneins, setzt mit 71 Prozent Ja das stärkste Zeichen. Lichtensteig folgt mit 63 Prozent, Nesslau mit 61, Ebnat-Kappel mit 54 Prozent und Wattwil mit 51 Prozent. Das Resultat ist unmissverständlich: Das obere Toggenburg will sein Klanghaus.

«Ein Vertrauensbeweis»

Peter Roth, Initiant der Klanghaus-Idee, freut sich riesig. 54 Prozent Stimmbeteiligung und 71 Prozent Ja in der Klanghaus-Gemeinde Wildhaus-Alt St.Johann: «Das ist für mich fast unfassbar. Aber es zeigt, dass das Projekt guten Boden hatte, dank der jahrelangen Arbeit im Seegüetli und in der Klangwelt. Aus der anfänglichen Skepsis ist mit der Zeit Stolz geworden und das Vertrauen gewachsen, dass wir mit der Tradition sorgfältig umgehen.»

Peter Roth.

Das Resultat krönt tatsächlich die Anstrengungen in der Region selber. Die rund 20-jährige Vorgeschichte des Projekts gipfelte bekanntlich 2016 im knappen Nein des Kantonsrats gegen die erste Bauvorlage: Das Nein kam damals von der SVP-Fraktion, aber auch aus dem Linthgebiet und von den Grünliberalen.

Mit der jetzigen Vorlage «Klanghaus 2.0» sanken die Baukosten auf 22,3 Millionen Franken, unter anderem weil die Stiftung Klangwelt Toggenburg eine Million beisteuert. Zudem trägt nicht mehr der Kanton, sondern die Stiftung den Betrieb, dank einem Fonds von 5,3 Millionen Franken, wovon 2,3 Millionen aus dem Toggenburg selber kommen.

Mehr als ein Ort der Folklore

Ein Nein hätte diese Anstrengungen zunichte gemacht. Und es wäre ein Affront gegen die volkstümliche Kultur gewesen. Auch wenn das Klanghaus breit gedacht ist und für Musik aller Stilrichtungen offen sein soll: Fundament des Projekts war und ist die Naturtonmusik, die im Alpengebiet sennisch geprägt ist, die es aber auch fast überall auf der Welt gibt.

Dass das Klanghaus allerdings mehr als ein Ort der Folklore sein soll: Dafür steht das heutige Leitungsteam um den Stimmkünstler Christian Zehnder. An dessen Anspruch, ein «Klanghaus für alle» zu sein und Tradition mit Experimenten zu verbinden, wird man das Haus in ein paar Jahren messen, wenn es dann – geplant: 2023 – den Betrieb aufnimmt.

Gefahr drohte dem Projekt dennoch genau aus der Einschätzung weiter Kreise, es gehe um ein Projekt «für die dort oben im Toggenburg». Das erklärt wohl die tiefe Stimmbeteiligung von 26 Prozent, Ausdruck der Gleichgültigkeit vieler Leute, die nichts gegen, aber auch wenig Interesse für das Projekt hatten.

«Urban und urchig kommen zusammen»

Das sieht auch Peter Roth so. Der zweite Anlass zur Freude sei der, dass St.Gallen, Rapperswil-Jona, Buchs, Wil und Rorschach zugestimmt haben. Die Vorurteile hier wie dort seien damit widerlegt worden: in den Städten die Meinung, es gehe um einen «Jodlerschuppen», im Tal die Befürchtung, das Klanghaus sei ein «elitäres Projekt».

Das Klanghaus im (Holz-)Modell.

Das Klanghaus stehe im «Spannungsfeld von urban und urchig», sagt Roth. Und es habe damit Symbolkraft weit über die Musik hinaus: «Wir müssen schauen, dass sich Peripherie und Zentren nicht auseinanderleben.» Im oberen Toggenburg komme jetzt, nach der Bergstation auf dem Chäserrugg von Herzog & de Meuron, mit dem Klanghaus von Peter Meili ein weiterer grossartiger Holzbau hinzu. Und mit dem Schub, den das Ja in die Region bringe, steige auch die Chance, junge Leute im Tal zu halten oder nach der Ausbildung zurückholen zu können.

Die SVP war gespalten

In den sozialen Medien äusserte sich insbesondere lokaler Widerstand gegen die Kosten für das angebliche «Luxusprojekt» und «elitäre Kunstprojekt» (so auf der Facebook-Seite «Nein zur Holzhütte») sowie gegen den Standort: man wolle «kein Alpen-Rambazamba am Schwendisee».

Deutliche Nein-Mehrheiten gab es dort, wo die SVP traditionell stark ist, die Partei, die als einzige die Nein-Parole herausgegeben hatte: im Rheintal, im Fürstenland und im Oberland. Peter Roths Vermutung: Das sei eine Art «Zwischengebiet» zwischen Stadt und Land: Regionen, wo die eigene Tradition weniger ausgeprägt sei.

Im Tal selber sei es hingegen gelungen, eine starke Bewegung über alle Parteigrenzen hinweg zu mobilisieren. Selbst die SVP war gespalten, regionale Exponenten wie der Kulturunternehmer Linus Thalmann oder Regierungs-Hoffnungsträgerin Esther Friedli schwenkten auf Klanghaus-Kurs um – letztere allerdings erst vier Tage vor der Abstimmung auf Facebook.

Ein Nein hätte sich, anders als beim Umbaukredit für die Lokremise St.Gallen im Jahr 2008, diesmal denn auch gegen ein Projekt aus den eigenen Reihen gerichtet. Und gegen einen Anlauf, dem wirtschaftlich schwachen Toggenburg neuen Schub zu geben.

«Ich habe immer an das Projekt geglaubt»

Ein Nein hätte jene Kräfte gestärkt, denen jedes Engagement der öffentlichen Hand suspekt ist, das die Ostschweiz geistig und auch wirtschaftlich ein Stück vorwärts bringt. Das Ja der Stimmbevölkerung ist in diesem Sinn auch ein Nein gegen Horizontverengung und Staatsfeindlichkeit.

Peter Roth kann aufatmen, 26 Jahre nach den ersten Kursen im «Seegüetli» am Schwendisee und 17 Jahre nach der Gründung der Klangwelt. «Ich habe immer an das Projekt geglaubt und war überzeugt: Die Idee ist zu gut, als dass sie sterben kann. Jetzt weiss ich, dass das stimmt.»

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