, 4. November 2019
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Kulturkonzept: Schritte statt Sprünge

Keine Grosstaten, aber Verbesserungen im Kleinen bringt das Kulturkonzept 2020 der Stadt St.Gallen. Es kostet knapp eine halbe Million Franken zusätzlich – für Stadtpräsident Thomas Scheitlin «verkraftbar».

Kulturkonzept leicht bewölkt - die Wortwolke des zweiten Kulturforums.

Das Kulturkonzept 2020 nennt keine Institutionen oder Kultursparten, sondern Ziele und Handlungsfelder. Ein bewusster Entscheid: Nicht am «Wer oder Was», sondern am «Wie» solle sich die Kulturförderung der Stadt im nächsten Jahrzehnt orientieren, sagte Stadtpräsident Thomas Scheitlin am Montag bei der Vorstellung des Kulturkonzepts 2020.

Gut möglich, dass am 19. November, wenn das Konzept ins Stadtparlament kommt, aber doch über das «Wer und Was» diskutiert wird. Konkret: über Krediterhöhungen an sechs Institutionen, jeweils als separate Vorlagen traktandiert.

Sparbefehle korrigiert

Es sind, zum Teil, Korrekturen: Das Palace erhält 10’000 Franken mehr im Jahr, das Sitterwerk 15’000 Franken, also genau jene Beiträge, die der Stadtrat für 2019 gestrichen und sich damit harschen Protest eingehandelt hatte. Ebenfalls eine Wiederauflage sind die 150’000 Franken zusätzlich für das Textilmuseum und dessen Neuausrichtung.

Zwei weitere Subventionserhöhungen, je 15’000 Franken für die Kunsthalle St.Gallen und für die Grabenhalle, sind begründet als Anpassung nach zehn Jahren «eingefrorener» Subvention. Schliesslich soll das Figurentheater für seine Neuausrichtung und Programmerweiterung 60’000 Franken zusätzlich erhalten.

Diese wiederkehrenden Mehrausgaben sind zwar nicht Teil des Konzepts, aber sie lösen gemäss Scheitlin einen Anspruch des Konzepts und der Vision 2030 der Stadt ein: Institutionen oder Veranstaltungen besonders zu fördern, die über die Stadt hinaus «nationale und internationale Ausstrahlung» haben.

Gehör für die «Freien»

Vielfalt pflegen, Verbindungen fördern, Teilhabe stärken, Neues ermöglichen, Kultur kommunizieren und Schnittstellen etablieren: So heissen die sechs Handlungsfelder. Entwickelt wurden sie unter Leitung der städtischen Kulturförderung (Barbara Affolter und Kristin Schmidt) in einem rund zweijährigen Verfahren, unter anderem aus Interviews und in zwei Forumsdiskussionen (hier und hier) mit Kulturschaffenden.

Eine der in den Foren (und seit Jahren) geäusserten Forderungen der städtischen Kulturszene hat nun Eingang ins Konzept gefunden: ein Werk- und Aufführungshaus für die freie Theaterszene. 20’000 Franken sind im nächsten Jahr für erste Erkundungen geplant – damit sei das Haus zwar weder gefunden noch finanziert, «aber wir wollen den Gedanken weiterdenken und nicht von Anfang an sagen: Das kommt nicht in Frage», sagt Scheitlin. Im Konzept ist von einem «Raum mit Intendanz für die freie Szene als Produktions-, Arbeits-, Veranstaltungs- und Ausstellungsort» die Rede.

Zusätzlich will die Stadt freie Theatergruppen künftig mit mehrjährigen Fördervereinbarungen solider als bisher unterstützen. Die Zahl der Werkbeiträge wird von sechs auf acht erhöht, und der Kredit für diverse Projektförderungen steigt um 50’000 auf 290’000 Franken (eine gute Nachricht für Veranstalter, die zunehmend unter den Folgen der Kulturplafonierung des Kantons leiden). Zudem will die Stadt Kooperationsprojekte oder Mentoring-Initiativen besonders berücksichtigen.

Nicht genannt ist hingegen die Idee eines Literaturhauses, wie es eine Gruppe um die Frauenbibliothek Wyborada propagiert. Literarisch sei schon heute viel los mit diversen Akteuren, sagte Scheitlin auf eine entsprechende Frage. Zudem könnte dereinst in einem «Haus der Freien» eventuell auch die Literatur Platz finden.

Wundertüte Soziokultur

Noch wenig konkret bleiben die Pläne unter dem Stichwort der kulturellen Teilhabe und der in einem SVP-Postulat gewünschten Förderung der Laienkultur. Vernetzung, Vermittlung und Soziokultur sind als Ziele im Konzept zwar gross geschrieben – Kriterien und Zuständigkeiten dafür müssten jedoch erst noch definiert werden, unter anderem zusammen mit den Schulbehörden. Stärker gefördert werden soll jedenfalls die Kulturarbeit in den Quartieren. Und bereits aufgegleist ist, zusammen mit dem Kanton und Saiten, das Projekt einer gemeinsamen Veranstaltungsagenda – auch dies einer der vielfach geäusserten Wünsche der Kulturszene.

Hingegen kommen zwei der «Grossbaustellen» im Kulturleben der Stadt nicht vor im Kulturkonzept: die geplante Hauptstadt-Bibliothek und der Umbau des Kunstmuseums. Die Museumsprojektierung sei im Investitionsplan für 2021 vorgesehen – als Bauvorlage jedoch kein Thema für die Kulturförderung, sagt Scheitlin auf Nachfrage. Und die künftige Bibliothek gilt ebenfalls nicht als Aufgabe der Kulturförderung, sondern der Bildung.

Zu viel? Zu wenig?

Das neue Kulturkonzept verspricht keine «Leuchttürme», sondern will gezielter fördern, vernetzen und sichtbar machen, was schon da ist. Die verschiedenen Massnahmen summieren sich auf insgesamt knapp eine halbe Million Franken im Budget 2020.

Ob er dagegen Widerstand erwartet, liess der Stadtpräsident bei der Präsentation offen. Allfälliger Kritik aus der Sparecke hielt er entgegen, die Ausgaben seien sowohl verkraftbar als auch durch die Vision 2030 abgestützt, welche für die Stadt als Kulturzentrum der Ostschweiz ein «reichhaltiges Kulturangebot auf allen Ebenen und in allen Sparten» festschreibe. Und der Vorwuf, dass der «grosse Wurf» fehle? Das Konzept orientiere sich am Machbaren, sagt Scheitlin. Die Ausgaben für Kultur müssten im Verhältnis stehen zu den anderen Staatsaufgaben.

 

 

 

3 Kommentare zu Kulturkonzept: Schritte statt Sprünge

  • Marcel Baur sagt:

    Ich zähle für die Sitzung des Stadtparlamentes nur 5 Traktanden zum Thema Kultursubventionen. Das Palace ist nicht gelistet.

    • Peter Surber sagt:

      Der Betrag von 10’000 Franken für das Palace ist in der Kompetenz des Stadtrats – vermutlich deshalb.

      • Marcel Baur sagt:

        Das könnte sein. Im Voranschlag 2020 ist die Betragserhöhung für das Palace drin.
        Dann hats nur noch einen klitzekleinen Fehler im Text 😉
        „über Krediterhöhungen an sechs Institutionen, jeweils als separate Vorlagen traktandiert.“

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