, 1. Juli 2022
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Kunstmuseum: Thurgau macht vorwärts

Nach über zehn Jahren Hin und Her rund um den Ausbau- und die Renovation des Kunstmuseums Thurgau in der Kartause Ittingen liegt nun eine neue Lösung auf dem Tisch. Den Wettbewerb gewann ein Architekt:innen-Dreierteam – ein Novum.

Das Siegerprojekt sieht einen neuen unterirdischen Ausstellungssaal vor. (Bilder: Keller Hubacher Architekten, BBK Architekten AG, Harder Spreyermann Architekten AG)

Dass konkurrenzierende Architekt:innen gemeinsam an einem Wettbewerb arbeiten, ist nach wie vor die grosse Ausnahme. Im Falle der schwierigen Erneuerung des Kunstmuseums Thurgau in der unter Bundesschutz stehenden Kartause Ittingen war dies der Schlüssel zum Erfolg.

«Am Rand einer Vorstandssitzung der Ostschweizer Sektion des Bundes Schweizer Architektinnen und Architekten, des BSA, war es Co-Präsident Johannes Brunner vom Büro BBK in Balzers und Azmoos, der mich beiläufig fragte, ob wir uns nicht gemeinsam am Wettbewerb für die Kartause Ittingen beteiligen wollten», erinnert sich Architektin und BSA-Präsidiumskollegin Eva Keller vom Büro Keller Hubacher, Herisau, an den Start.

Die Projekte des Wettbewerbs zum Kunstmuseum sind bis am Freitag, 8. Juli 2022 in der Konvikthalle, Promenadenstrasse 12 a, Frauenfeld ausgestellt – werktags von 8 bis 12 und von 13.30 bis 17 Uhr.

Rasch entschieden die beiden, auch Regula Harder von Zürcher Architekturbüro Harder Spreyermann anzufragen, die – im Thurgau aufgewachsen – in den letzten Jahrzehnten die «Hausarchitektin» der Stiftung Kartause Ittingen war. Harders letztes Projekt zur Erweiterung des Kunstmuseums aber war an politischen Diskussionen gescheitert.

Eine lange Geschichte

Die Gebäude der Kartause Ittingen gehörten bis vor kurzem allein der gleichnamigen Stiftung, die die Anlage seit dem Kauf in den 1970er-Jahren immer wieder ausbaute – auch den Teil, den das Kunstmuseum Thurgau seit Anfang der 1980er-Jahre nutzt. Die Thurgauer Kantonsregierung hatte deshalb 2011 die Stiftung mit einem Sanierungs- und Erweiterungsprojekt beauftragt, das in der Folge die «Hausarchitektin» Regula Harder entwarf.

Dieses Vorgehen löste Kritik aus: Der Kanton zahle ein Projekt einer privaten Trägerschaft – so gehe das nicht. Der Streit landete vor Bundesgericht, das das Vorhaben in dieser Form stoppte.

Darauf wurde die Situation eigentumsmässig geklärt. Der Kanton hat nun ein Baurecht für den Museumsteil und hat die viel bescheidenere Neuplanung als offenen anonymen Projektwettbewerb neu lanciert. Von den 42 jurierten Projekten siegte der gemeinsame Vorschlag von Johannes Brunner, Regula Harder und Eva Keller.

Der neue Ausstellungstrakt mit unterirdischem Saal links.

Die Sanierung und Erweiterung wird zwischen 18 und 20 Millionen Franken kosten, wobei der grösste Teil als gebundene Ausgabe für die Renovation benötigt wird. Eine Volksabstimmung ist deshalb keine geplant.

Neuer Zugang, zusätzlicher Saal

Die Vorgaben in der historischen Umgebung der Kartause waren strikt, das Programm eng eingegrenzt. Ohne Verstösse gegen die Vorgaben hätte es für die drei keine Lösung gegeben. «Wir fühlten uns anfänglich wie im luftleeren Raum und haben lange darüber diskutiert, wo wir uns an die Vorgaben halten, und wo nicht», blickt Eva Keller zurück.

Dank Regula Harder, die sich seit Jahren mit den Gebäuden der Kartause beschäftigt und jede Ecke kennt, sei man dann zum eingereichten Vorschlag gekommen. Er sieht einen neuen Zugang zum Untergeschoss und einen zusätzlichen unterirdischen Ausstellungsraum vor und lässt einen klaren Rundgang durch das Museum entstehen. Die neue Kaskadentreppe wird auch einen Blick in den Klosterhof freigeben und bis nach unten offen sein, so dass sich Besucher:innen in der verwinkelten ehemaligen Klosteranlagen auch besser orientieren können.

Wöchentlich hatten die zwei Architektinnen und der Architekt per Videokonferenz das Projekt weitergetrieben – «für uns alle eine neue Art der Zusammenarbeit und etwas, das wohl vor ein paar Jahren konkurrenzierende Büros so nie angepackt hätten», zieht Eva Keller Bilanz. Die Zusammenarbeit, die mitunter ein Projekt verwässert, hat es in diesem Fall geschärft.

«Befreiungsschlag» mit wenigen Eingriffen

Die Jury lobt denn auch das gemeinschaftliche Projekt: «Dem Vorschlag gelingt es, durch eine kräftige, aber wohldosierte bauliche Intervention die heute getrennten Welten von Kreuzgang und Gewölbekeller zu einer ebenso schlüssigen wie attraktiven Raumfolge zu verbinden. Dieser eigentliche Befreiungsschlag wird sekundiert durch präzise technische Ausführungen in Sachen Belichtung, statischer, bauphysikalischer und haustechnischer Ertüchtigung, welche das Bild einer sehr sorgfältigen Durcharbeitung in grosser Breite vervollständigen.»

Eine der ehemaligen Klosterklausen.

Und weiter stellt die Jury fest, dass eine Vielfalt von Projekten eingereicht worden sei, auch viele, «die als sehr mutig bezeichnet werden könnten». Im Verlauf des Juryprozesses habe sich dann aber gezeigt, «dass die verträgliche Einordnung neuer Bauteile in die bestehende Anlage, das oberste Prinzip sein muss.» Deshalb habe das Projekt überzeugt, das mit wenigen, aber gezielten Massnahmen die räumlichen Gegebenheiten verändere und damit den inneren Zusammenhang und das räumliche Erlebnis des Kunstmuseums verbessere.

So wie in Ittingen steht auch in St.Gallen ein Umbau des Kunstmuseums an – zuletzt hat der Stadtrat im Sommer 2020 das Projekt aus Spargründen um fünf Jahre hinausgeschoben. Dringlichste Sanierungen sollen schon vorher durchgeführt werden, hiess es in der Antwort auf eine Einfache Anfrage im Parlament. Der Umbau ist auf 41 Millionen Franken, rund das Doppelte des Betrags im Thurgau, kalkuliert.

 

 

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