, 7. November 2014
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Löcher – oder der Auto-Kollaps?

Die A1 durch St.Gallen soll mit einem dritten Rosenbergtunnel und einer neuen Ausfahrt unterirdisch ausgebaut werden. Das Güterbahnhofareal bliebe frei, aber blockiert. Bei den linksgrünen Gegnern stösst der Vorschlag auf Kritik. von René Hornung und Ralph Hug

Die Teilspange, so die offizielle Bezeichnung der zusätzlichen Autobahnausfahrt, gibt schon lange zu reden. Das Problem: Wie und wo wird der Verkehr ins städtische Strassennetz verteilt? Der Bund wollte zuerst bis ins Güterbahnhofareal hinein einen zweispurigen Tunnel mit Gegenverkehr bauen. Die Autos – namentlich die mit Ausserrhoder Kennzeichen – hätten dann wie heute via Geltenwilenstrasse/Oberstrasse/Teufenerstrasse in die Hügel fahren sollen. Dieser Idee erwuchs aber heftiger Protest. Auch die Planer von Stadt und Kanton merkten, dass man das Reservebaugebiet Güterbahnhof nicht dem Verkehr opfern sollte.

Vier Spuren, zwei Etagen

Nach x Varianten sei nun die beste Lösung gefunden, erklärten Stadt und Kanton am Freitag den Medien. Die Teilspange soll neu vier- und nicht nur zweispurig bis unters Güterbahnhofareal geführt werden. Von dort soll der von der Autolobby schon mehrmals geforderte Liebeggtunnel zweispurig aufwärts führen, hinauf ins Appenzellerland. Die Strassen im Güterbahnhofareal sollen unterirdisch bleiben – zweistöckig im Untergrund: Ganz unten fahren die Appenzeller, die von der Autobahn aus Richtung Zürich kommen, direkt nach Hause. Kurz vor der Kantonsgrenze, ein Stück hinterm Riethüsli, kommen sie wieder ans Licht. Auch die umgekehrte Strecke Teufen-Zürich würde so zur Direttissima, talwärts allerdings nur einspurig.

anschluss-plan

Eine Etage über diesem Tunnel soll – ebenfalls unterirdisch – ein Kreisel entstehen, der die Autos aus der neuen Teilspange unter dem Güterbahnhofareal hindurch bis ans Lichtsignal Geltenwilenstrasse/Leonhardstrasse führt.

Wer aus dem Appenzellerland Richtung St.Margrethen fahren will, fährt durch den Liebegg-Tunnel abwärts bis zum Kreisel im Güterbahnhofareal, dort via die Kreuzung Geltenwilenstrasse/Leonhardstrasse über die Leonhardsbrücke ins bestehende Stichtunnel Schoren.

Wenn das alles so kommt, bliebe das Güterbahnhofreal für eine Überbauung frei. Im gleichen Zug wollen die Verkehrsplaner die Appenzellerbahn verlegen, aus dem Güterbahnhofareal heraus, an der Rand der SBB-Schienen, und parallel soll man dort auch mit dem Velo durchfahren können.

Wer zahlt wieviel?

Was das kostet ist unklar. Dritte Röhre durch den Rosenberg und die Teilspange kommen zusammen auf mindestens 900 Millionen. Unklar ist auch, wer wieviel zahlt, zahlen muss und zahlen kann. Trotzdem wollen Kanton und Stadt die Planung vorantreiben, denn nur wenn man in Bern ein fertiges Projekt vorzeigen kann, gibt es eine Chance, Bundesgelder zu bekommen. Man werde auch «liebevoll, aber intensiv» mit den Nachbarkantonen reden, sagte Regierungsrat Willi Haag. Schliesslich profitierten die Nachbarn auch von den neuen Strassen. Ein- und ausfahren in die Teilspange wird man frühestens in 15 Jahren können.

Und wenn alles scheitert, wenn die schönen Pläne Träume bleiben? Dann werde 2030 der Verkehr sowohl auf der Autobahn, als auch in der Stadt kollabieren, zeigten Kantons- und der Stadtingenieur auf Powerpoint-Folien ihre Modellrechnungen. Für die Ingenieure und die Bauchefs von Kanton und Stadt sind die neuen Löcher für den Verkehr deshalb keine Utopie.

Grüssgott, Utopia!

So lässt sich die erste Reaktion auf die jüngsten A1-Pläne von Stadt und Kanton zusammenfassen. Kaum jemand unter den Gegnerinnen und Gegnern des Autobahnanschlusses glaubt daran, dass ein Kreisel samt Durchfahrten auf zwei verschiedenen Ebenen im Untergrund des Güterbahnhofs sowie aufwendige Tunnelbauten die Lösung des städtischen Verkehrsproblems sind.

Die Variante mit dem Kreisel im Untergrund und einem verlängerten Tunnel zur Liebegg/Lustmühle benötigt laut den Fachleuten 15 bis 20 Jahre für die Realisierung, «Und was passiert in dieser Zeit? Nichts!», sagt SP-Vizepräsident Peter Olibet in einem ersten Statement. Das Güterbahnhofareal werde so lange eine Brache bleiben, statt dass es zum neuen Stadtquartier entwickelt wird. Das könne nicht sein.

Auch setzt Olibet grosse Fragezeichen zu den Kosten. Es sei völlig unklar, was der neue Vorschlag koste. Es gebe dazu keinerlei Angaben. Sicher sei nur, dass es bei all den unterirdischen Bauten extrem teuer werde. Der Bund werde sicher keinen städtischen Kreisel bezahlen.

Initiative bleibt

Statt technisch aufwendige und letztlich unrealistische Lösungen fordert Olibet flankierende Massnahmen zur Verkehrseindämmung. Diese könnten und müssten schon jetzt realisiert werden. «Doch daran denkt leider niemand.» Ohne solche Massnahmen zur Verkehrsplafonierung würden die Staus weitergehen, und die öffentlichen Busse hätten immer noch mehr Mühe, durch den Verkehr zu kommen.

SP, Grüne und VCS haben vor wenigen Tagen eine städtische Volksinitiative eingereicht. Diese fordert von der Stadt, dass sie sich gegen einen zusätzlichen Autobahnanschluss im Güterbahnhofareal einsetzt. Die Initiative werde man sicher nicht zurückziehen, meint Olibet. Man wolle jetzt die Debatte abwarten.

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