, 1. Oktober 2015
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Männer, gebt die Bühne frei!

Frauen im Jazz, Pop und Rock gehören einer Minderheit an. Helvetiarockt will dies ändern und arbeitet tatkräftig an einer Veränderung der Rollenbilder im Musikbusiness und der Anzahl Musikerinnen im Schweizer Rampenlicht. Ein Beitrag von Regula Frei aus dem Jazzheft.

Was denken Sie, wenn Sie eine Frau am Schlagzeug sehen?

(…)

Welche drei Frauen im Schweizer Jazz, Pop und Rock kommen Ihnen spontan in den Sinn?

(äh…)

Welches Instrument spielen diese drei Musikerinnen?

(…bö?)

Es stimmt. Jazz, Pop und Rock sind zur Hauptsache männlich besetzt. Gisela Feuz («Der Bund», 15. Juni 2014) bringt es auf den Punkt: «…Der Akt des Musizierens ist stark mit gängigen Gender-Klischees verbandelt, die, überspitzt formuliert, in etwa so lauten: Männer fühlen sich blendend in der Öffentlichkeit, trommeln gerne auf Dingen herum, wahlweise auf der Brust oder auf dem Schlagzeug, gebrauchen ihre Gitarren als Penisverlängerungen und machen Musik, um möglichst viele Weiber ins Bett zu kriegen. Frauen haben das nicht nötig, passen sowieso nicht ins Rampenlicht und sollen deswegen besser zu Hause den Kindern Schlaflieder vorsingen…».

4 von 91

Aktuell sind im Jazz, Pop und Rock durchschnittlich 5 bis 10 Prozent Frauen auf den Schweizer Bühnen zu finden. An manchen Festivals fehlen sie fast ganz, so zum Beispiel auf der Waldbühne des diesjährigen Gurtenfestivals in Bern: Unter den 91 Personen während vier Tagen waren vier Frauen dabei – alle performten am Mikrofon: Stefanie Heinzmann als Frontfrau und die andern drei als Backgroundsängerinnen.

Dasselbe Bild bestätigt sich in den Jurys, den Vorständen und dem Kader im Musikbusiness Schweiz. Ausnahmen gibt es immer, zum Glück, tendenziell wird die Musikszene aber von Männern dirigiert. Wie in andern Männerdomänen ist das auf unsere Sozialisierung, auf fehlende Vorbilder, auf (Berufs-)Bilder zurückzuführen. Schlussendlich geht es um Macht – wer gibt denn schon gerne die Bühne frei?

Frauen im Rampenlicht, insbesondere an einem Instrument, erhalten besondere Aufmerksamkeit. Da schaut man nun ganz genau hin, was sie denn tut, diese Frau, wie sie aussieht, sich kleidet, sich gibt. Spielt sie gut, nur mittelmässig oder sogar schwach?

Aufzufallen kann natürlich angenehm sein. Allerdings wird man, wenn einer Minderheit angehörig, meist auf das «spezielle Merkmal» reduziert. In diesem Fall auf das «Frau sein».

Dies führt zu merkwürdigen Fragen von Medienschaffenden. Etwa in der Art: Wie ist es denn so, als Frau Schlagzeug zu spielen? Mit wem spielst du Musik, mit Frauen oder Männern? Habt ihr oft Zickenkrieg in eurer Frauenband?

Vor dem Konzert, wenn sie am Veranstaltungsort eintreffen, werden gestandenen Musikerinnen gefragt, ob sie die Freundin des Gitarristen seien oder ein Groupie oder ob sie die Sängerin seien. Sexistische Verhaltensweisen sind auch im Musikbusiness an der Tagesordnung. Manchmal subtil, manchmal direkt, aber in fast jedem Fall verletzend und in jedem Fall daneben.

Galerie: Bilder: Abschlusskonzert des Female Bandworkshops in der Turnhalle im PROGR Bern (Bilder: zvg/Tabea Hüberli).

Frauen im Bandcamp

Aus diesem Grund wurde helvetiarockt gegründet. Der 2009 gegründete Verein sorgt für Aktion und schraubt auf spielerische und vielseitige Weise am System «Gender & Musik». Es wird national und in Kooperation mit diversen Playerinnen und Playern zusammen gearbeitet. Helvetiaroickt bietet Angebote für den Nachwuchs an, darunter das neunmonatige Programm «Female Bandworkshops» und den Folgekurs «Female Bandcamp».

Um die Kompetenzen in der Aufnahme- und Produktionstechnik zu stärken und Musikerinnen zu unterstützen, wird neu der Workshop «Female Homestudio» angeboten, Veranstalterinnen und Veranstalter werden durch die Beratungsstelle «Helvetia on Stage» beraten, was sie für einen angemesseneren Frauenanteil auf ihren Bühnen und an Privatfesten tun können. Mit dem Empowerment Day lanciert der Verein gemeinsam mit den Musikschaffenden und dem Schweizer Musiksyndikat den «Gleichstellungstag der Schweizer Musikbranche» und mischt die Szene grossflächig auf. Die Plattform dient zum Austausch und zur Vernetzung. Wer eine Musikerin für ein Projekt sucht, findet sie hier.

Ein niedriger Frauenanteil ist kein schwerwiegendes Problem, aber es ist ein Fehler. Genauso wie es ein niedriger Männeranteil auch wäre. Wie in andern Disziplinen und Fachgebieten profitiert die Menschheit, die Kreativität, die Wirtschaft mehr von geschlechtergemischten Ensembles.

 

Regula Frei ist Musikerin und Geschäftsführerin von Helvetiarockt in Bern.

Start der «Female Bandworkshops» an zwölf Standorten in der Schweiz (darunter St.Gallen und Thurgau) ist im Oktober. Anmeldung: femalebandworkshops.ch, weitere Infos: helvetiarockt.ch, helvetiaonstage.ch.

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