, 2. Mai 2017
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Mit Musik zur Integration

Über 200 Kinder des St.Galler Zentrumsschulhauses Spelterini erobern am 5. Mai die Tonhalle. «Mobile» heisst das preisgekrönte Musikprojekt von Annina Stahlberger.

Bei der Gesamtchorprobe heisst die Devise: aufpassen, Einsatz nicht verpassen, nicht dazwischenreden. Annina Stahlberger, erhöht auf dem Dirigentenpult, feuert die Kinder an und fordert zugleich Disziplin. Nachher beim Gespräch über das Projekt «Mobile» wird sie sagen: «Wir stellen hohe Ansprüche. Und die Kinder schätzen es, wenn man ihnen etwas zutraut.» Die Aufführung müsse musikalisch «verhebe».

Dass sie das tun wird, kann man schon bei der Probe an diesem Morgen, eine gute Woche vor dem Konzert, erahnen. Die Spelterini-Kinder singen aus vollem Hals, aber präzis und rein, auch im vierstimmigen «Abrakadabra»-Kanon und in allen möglichen Sprachen. «Mobile» heisst das Konzert, es versammelt bekannte einheimische Volkslieder wie «Gang rüef de Bruune», Italienisches («L’inverno e passato»), Mazedonisches («Sto mi e milo») und vieles andere zu einer klingenden Reise durch den Tag, durch die Elemente und durch die Welt.

Aus 30 Nationen

International wie die Lieder sind auch die Kinder im Talschulhaus zusammengemischt, insbesondere die zwei Integrationsklassen. In diesen werden momentan 20 Unterstufenkinder eingeschult. Die einen, sagt Schulleiter Michael Werner, sässen das erste Mal überhaupt in einer Klasse, andere hätten schon Schul-Erfahrung aus ihrem Herkunftsland. Das Spelterini zählt in seinen zwölf Primarschulklassen rund 30 Nationen. Im Schulhausgang heissen den Besucher Zeichnungen vielsprachig willkommen.

Gerade für die Integrationskinder sei das musikalische Projekt zentral – Singen verbindet bekanntlich über alle Sprachbarrieren hinweg. Aber auch für alle anderen und für die Schule insgesamt sei «Mobile» ein Höhepunkt im Schuljahr und pädagogisch von grossem Wert, sagt Werner: «Wer hier mitmacht, übt sich im Durchhalten, im Dranbleiben, im Auswendiglernen, in Rhythmus und Gesang, aber auch im sozialen, gemeinschaftlichen Tun.»

«Mobile»:

Freitag, 5. Mai, 18.30 Uhr, Tonhalle St.Gallen

Infos: megliodia.ch

Dafür gab es denn auch zusätzlich Zeit im Stundenplan. Seit gestern bis zur Aufführung vom Freitagabend ist Projektwoche. Zuvor hatten die Kinder in ihren Klassen und mit der Leiterin die Lieder eingeübt, und in zusätzlichen Workshops erhielten die Mittelstüfler von Musikprofis Unterricht in Perkussion, Gesang, Orchesterspiel und bildnerischer Gestaltung.

Ein grosser Mehraufwand für alle Beteiligten Kinder und Erwachsenen – «aber das Team zieht begeistert mit», sagt Annina Stahlberger. Mit dabei sind auch die Eltern, zumindest die Väter und Grossväter: Sie treten als Männerchor auf, Kontrapunkt zum sonst (mit Ausnahme des Schulleiters) ausschliesslich weiblichen Lehrteam im Schulhaus.

Ermöglicht wurde das Grossprojekt durch den Preis des Lily Waeckerlin-Fonds der Stiftung accentus: Sie zeichnet jährlich ein innovatives und qualitativ hochstehendes Projekt im Bereich Jugend und Musik aus. Der gesamtschweizerisch ausgeschriebene Preis von 60‘000 Franken ging 2016 an den Verein Megliodia für «Mobile».

J+M spürt man kaum

Dass auch der 2012 vom Volk angenommene Verfassungsartikel «Jugend und Musik» sich förderlich auf solche Projekte auswirkt, davon sei bisher im Schulalltag nicht viel zu spüren, sagen die Projektverantwortlichen hingegen. Geld gibt es seit Anfang Jahr immerhin für die Ausbildung zur Leitung von Musiklagern, vergleichbar der J+S-Förderung im Sport. Weitere Konkretisierungen des Verfassungsauftrags seien im Kanton St.Gallen nicht nötig, da das Musikschulangebot bereits flächendeckend und subventioniert sei, haben Regierung und Parlament Ende April entschieden. Immerhin wird die gesetzliche Verankerung gestärkt: Im Volksschulgesetz und Mittelschulgesetz steht neu eine Angebotspflicht für freiwilligen Instrumental- und Vokalunterricht.

«Mobile» jedenfalls bewegt, Gesetz hin oder hier. Am Freitag geht der Vorhang auf in der Tonhalle – «unserem Mehrzweckgebäude im Quartier», wie die musikalische Leiterin lachend sagt. «Die Kinder sind stolz, hier auftreten zu können.» Bis zur Premiere werden die meisten dann auch ihre Bild-Schnitzeljagd fertig haben: In Panini-Manier konnten die Kinder in den letzten Wochen Instrumente und Fotoschnipsel sammeln und tauschen und ins «Mobile»-Album kleben. Zur bewegten Musik sei so auch eine grosse Tauschbewegung hinzugekommen, sagt Annina Stahlberger.

Bild: Benjamin Manser / St.Galler Tagblatt

 

 

 

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