keine Kommentare
«Moss efach mol meh losloh»
Auf ihrer dritten EP Losloh lässt Riana das Englisch fast ganz los und singt mehrheitlich auf Appenzellerisch. In den sechs Songs fühlt man sich «dehem». von Rene Rödiger
Manchmal muss man das Kleine kennen, um im Grossen zu bestehen. Das tönt jetzt ein bisschen wie so ein Spruch, den man auf einen Stein pinselt und dann auf dem Christkindlimarkt verkauft.
Wenn das Kleine aber Appenzell ist und das Grosse die schiere Weite des Pops, dann ist es halt genau dieser Satz, der am ehesten zu Losloh passt, der jüngsten EP von Riana. Die 24-Jährige macht Pop, den man nicht aus Innerrhoden erwartet. Oder überhaupt aus der Schweiz.
Riana singt auf Appenzellerisch. Wo gibt’s das schon ausserhalb der Volksmusik? Das hat mit einem gewissen Selbstbewusstsein zu tun. Zu Beginn ihrer Karriere waren die Songs noch auf Englisch. «Ich dachte immer, ich bin freier, wenn ich auf Englisch singe, weil ich mich dahinter verstecken konnte und die Sprache nicht jeder versteht», sagte sie in einem Interview im Januar 2023. Auf Losloh hat es jetzt vier Mundart-Tracks und zwei Lieder auf Englisch.
Musik als Rückzugsort
Riana, die 2018 als erste Künstlerin überhaupt den Ostschweizer Nachwuchswettbewerb BandXOst gewann, muss sich definitiv nicht verstecken – und übrigens: Auch Appenzellerisch verstehen nicht alle. Manchmal hat man sogar als dem Appenzellerland zugeneigter Mensch Mühe, die Texte zu verstehen. Wobei das eher ein willkommener Grund mehr ist, die Songs gleich nochmals zu hören.
«Für mich ist Musik eine Art Tagebuch schreiben. Es ist ein Rückzugsort, wo ich mich wohlfühle und meine Gedanken und Gefühle freilassen kann», sagt sie zum Schreibprozess. Dabei sei das Appenzellerische viel schwieriger: «Schweizerdeutsche Texte verwerfe ich häufiger. Ich bin da viel kritischer, es klingt schnell kitschig», so die Musikerin in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
Kitschig ist Losloh nie. Auch wenn Pop das natürlich dürfte und manchmal sogar verlangt. Riana hat auf ihrer EP einen Mittelweg gefunden. Es ist das Minimiale, das zur Grösse führt. Das Kleine eben.
Ein kleines Intermezzo im Streaming-Alltag
Sollte eine Strategie hinter der Reihenfolge der Songs auf Losloh stecken, ist diese beim ersten Hören nicht erkennbar. Auf der EP folgt zum Beispiel das äusserst eingängige Popstück 10 Years auf die minimalistische Ballade Fö eu. Und doch ergibt irgendwie alles Sinn. Man sollte sich beim Hören treiben lassen. Oder wie es Riana im Titellied singt: «Moss efach mol meh losloh. Mi efach mol chli go loh, ond easy triebe i dem riese Ozean.» Die EP sollte am Stück durchgehört werden. So entfaltet sie ihre ganze Wirkung.
Die sechs Songs sind rasch durch. Ein kleines Intermezzo im Streaming-Alltag. Während der Fluss der vielen Eindrücke des Alltags zu dahinplätschert, bleibt im Augenwinkel eine kleine Erinnerung zurück. Eine Erinnerung, zu der man gern zurückkehrt, bei der man sich «dehem» fühlt. Und doch einen Einblick in eine weite Welt bekommen hat.
Ein Schritt nach dem anderen
Riana geht behutsam auf diese grössere Welt zu. Sie wohnt unterdessen in Winterthur (nicht im grossen Zürich), sie ist beim Label Bakara unter Vertrag und nicht bei einer der grossen Plattenfirmen, obwohl sie mehrere Angebote hatte. Auch bei den Konzerten gilt diese Strategie. (Noch) Nicht die grossen Festivals, die kleinen Bühnen, die intimen Berührungen mit dem Publikum. Aber davon wiederum ganz viele. Mit der EP Losloh geht sie ausgiebig auf Tour, tritt in der ganzen Schweiz auf.
Während Mundart bei vielen Schweizer Künstler:innen ein Handicap für eine grössere Karriere scheint, ist es bei Riana gerade diese appenzellische Eigenheit, die eine Chance ist. Es ist ein bisschen Exotik. Ein bisschen fremde Welten. In einer gewohnten und wohlfühligen Umgebung. Und Riana ist auf dieser Reise durch den Appenzeller-Pop unsere Reisebegleiterin. Eine bessere könnte man sich gar nicht wünschen.
Riana: Losloh (Bakara Music), seit 24. November auf allen digitalen Plattenformen erhältlich.
Live: 9. Dezember, Herrmannbier St.Gallen; 19. Januar, Bühne Marbach; 24. Januar, Werkstatt Chur.