, 6. Februar 2015
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Nachtschicht im Regierungsrat

Die amtierende St.Galler Regierungspräsidentin will die regionale Nachtarbeit aus ihrem Schattendasein holen und besucht zu diesem Zweck verschiedene Institutionen und Betriebe im ganzen Kanton. In der Nacht auf Donnerstag führte sie ihre Regierungskollegen durch drei Spitäler.

Am 1. Juni 2014 hat Heidi Hanselmann (SP) das St.Galler Regierungspräsidium von Stefan Kölliker (SVP) übernommen. Er hatte seine Stammtische, sie will sich in ihrem Präsidialjahr dem Thema Nachtarbeit widmen. Das Motto: «nachtein, nachtaus, damit tagein, tagaus alles funktioniert».

Hanselmanns Ziel ist es, die in der Nacht geleistete Arbeit zu würdigen und in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Dazu besucht sie über das Jahr verteilt verschiedene Betriebe und Institutionen im Kanton St.Gallen. Geplant sind sechs Nachtausflüge in Branchen wie Gesundheit, Versorgung oder Sicherheit.

 

Zwischen Grenzbahnhof und Grenzwache

Der erste Besuch im November führte die Regierungsrätin unter anderem nach Buchs zum SBB-Grenzbahnhof, der als einer von fünf Rangierbahnhöfen in der Schweiz zugleich auch ein wichtiger Güterumschlagplatz der Region ist. Später in der Nacht besuchte sie das SBB-Reinigungspersonal in St.Gallen und pendelte mit den Thurbo-Kontrolleuren zwischen dem Rheintal und der Kantonshauptstadt.

Im Dezember dann stattete sie den Angestellten der Kantonspolizei einen nächtlichen Besuch ab. Gemeinsam mit Regierungsratskollege Fredy Fässler (SP) erkundete Hanselmann das St.Galler Untersuchungsgefängnis und die zentrale Notrufstelle unter der Pfalz, sprach mit den Beamten auf der Regionalen Dienststelle Buriet in Thal und war in St.Margrethen bei der Grenzwache, als diese gerade das Auto einer mutmasslichen Einbrecherbande abfing.

Die Regierungspräsidentin wurde natürlich überall gerne und herzlich empfangen. Das kann an ihren süssen Dankeschöns gelegen haben, war aber vermutlich eher der ungezwungenen Atmosphäre zu verdanken: Hanselmann kam nicht als Staatsfrau, sondern auf Augenhöhe, als neugierige Beobachterin. Sie stellte Fragen, erkundigte sich nach Arbeitsabläufen, Sorgen, branchenspezifischen Entwicklungen und stellte sich auch der einen oder anderen Kritik.

 

Sterilgutversorgung und Telemedizin

Mittwochnacht nun war sie mit ihren Kollegen Martin Klöti und Willi Haag (beide FDP) in den Spitälern St.Gallen, Grabs und Walenstadt unterwegs. Dort konnte man viel Neues erfahren, zum Beispiel dass sich Europas grösstes Zentrum für Sterilgutversorgung in St.Gallen befindet. Und dass es einen Video-Chat zwischen den regionalen Spitälern gibt, Telemedizin genannt. Oder dass Schweizer Frauen wieder öfters gebären als auch schon, und dass sich die Aufenthaltsdauer bei Betagten in der Geriatrie massiv verkürzt hat – unter anderem wegen des anhaltenden Kostendrucks.

 

sterilgutversorgung

Willi Haag, Heidi Hanselmann und Martin Klöti (v. l.) in der zentralen Sterilgutversorgungsabtielung (ZSVA) des Kantonsspitals St.Gallen. Diese gibt es in dieser Form seit dem 1. Juni 2013 und ist, abgesehen von jener in England, die grösste ihrer Art in Europa. Die 34 Angestellten des 24-Stunden-Betriebs sind derzeit für ca. 230’000 Sterilguteinheiten aus der ganzen Spitalregion St.Gallen zuständig, Tendenz steigend.

 

Alles in allem wars eine weitere sehr lehhreiche und vielseitige Nachschicht. Mit manchmal bedrückenden, aber vor allem erhellenden und ein paar durchaus überraschenden Einblicken in den modernen Spitalbetrieb – gerade auch, wenn man bedenkt, dass die St.Galler Stimmberechtigten vor gut zwei Monaten erst mit einer überwältigenden Mehrheit einen 930-Millionen-Kredit gesprochen haben, mit dem bis 2027 insgesamt sechs Spitäler im Kanton saniert, um- oder neu gebaut werden sollen. Lohnend war es jedenfalls; mal zu sehen, wie sich politische Entscheide im «realen» Leben auswirken.

 

PS: Mag sein, dass eine Stammtisch-Tour mehr Unterhaltungspotenzial bietet – was laut ist, verkauft sich bekanntlich ganz gut. Verständlich deshalb, dass die grösste Ostschweizer Tageszeitung letztes Jahr hier, hier und hier gleich nochmal über Stefan Köllikers Tuchfühlungen berichtet hat. Was Relevanz und öffentliches Interesse angeht, wären Hanselmanns Nachtschichten mindestens so viele Artikel wert. Dem «Tagblatt» waren sie bisher leider noch keinen regionenübergreifenden Bericht wert. Drum gut, dass Hanselmann noch drei weitere Besuche geplant hat.

 

 

sterilesselfiePS2: Die Schutzkleidung ist mfall nicht etwa ein inszenierter PR-Gag für die Medien, wie manche jetzt vielleicht denken, sondern oberste Pflicht in der zentralen Sterilgutversorgung, die in reine und unreine Bereiche unterteilt ist. #sterilundso #spitalselfie #scheissaufcoiffeur

 

Bilder: Ladina Bischof

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